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Als die Postkarte noch zum Alltag gehörte - Buch dokumentiert Tuttlingen in alten Ansichten


Ein neues Buch dokumentiert Tuttlinger Stadtgeschichte anhand historischer Postkarten. Die Stadt verschenkt das von der A&S Edition herausgegebene Werk an Jubilare. Ein Teil der Auflage ist aber auch bei Buch Greuter erhältlich.


Stöbern in der Vergangenheit: Hartwig E. Steiner und OB Michael Beck.

1892 ging es los. Damals veröffentlichte die Druckerei Gagstatter die erste Tuttlinger Postkarte. Zarte Federzeichnungen zeigen den Honberg und das Rathaus, aber auch das im Ersten Weltkrieg dann eingeschmolzene Schneckenburger-Denkmal im Stadtgarten oder den in den 1930er-Jahren abgerissenen alten Hauptbahnhof. In den Jahrzehnten darauf folgten tausende weiterer Motive allein von Tuttlingen – teils aufwändig koloriert und künstlerisch anspruchsvoll, teils schlicht und zweckmäßig. Ständig kamen neuen Karten auf den Markt – und sie verkauften sich gut. Denn über Jahrzehnte hinweg waren Postkarten der ideale Weg, um schnell und günstig eine Nachricht zu versenden – an Email oder gar WhatsApp dachte schließlich noch kein Mensch.    

Rund 4000 Postkarten mit Tuttlinger Motiven hat Hartwig E. Steiner gesammelt. Über rund 50 Jahre hinweg hat der gebürtige Tuttlinger sie zusammengetragen – teils bei Fachhändlern, teils auf Auktionen. Dem in Stuttgart lebenden Inhaber der Werbeagentur Amm&Steiner liegt seine Heimatstadt am Herzen – und vor allem auch deren Geschichte. „Es ist faszinierend, die Motive zu studieren -  und manchmal auch erschreckend.“ Dies ist vor allem immer dann der Fall, wenn man feststellen muss, dass spätere Sanierungen ein Gebäude nicht unbedingt schöner machten.

Ein erstes Postkartenbuch gab Steiner schon vor über zehn Jahren im Auftrag der Stadt heraus. Den Anstoß dazu hatte seinerzeit OB Michael Beck gegeben. Er wollte ein interessantes Geschenk für Jubilare. Dieses Konzept ging auf: „Da werden bei vielen Leuten Erinnerungen wach, und es entstehen spannende Gespräche“, sagt Beck, der mehrere hundert  Jubilare pro Jahr persönlich besucht.

Nachdem das ursprüngliche Buch mittlerweile fast vergriffen ist, stand nun die Frage an, ob man es nachdruckt. Hartwig E. Steiner und OB Michael Beck entschieden sich bewusst dagegen. „Ich hab mich in die Materie tief reingekniet, da lag es nahe, mehr draus zu machen“, so Steiner. Und OB Beck war es wichtig, dass auch jüngere Motive ins Buch Einzug halten – schließlich schieben  sich auch die Geburtsjahre der Jubilare ständig weiter nach hinten.

Während sich also das erste Buch auf die Jahre bis 1920 beschränkte, deckt das neue Postkartenbuch das  ganze Jahrhundert ab. „Es ist nicht nur ein Bilderbuch, es ist ein Geschichtsbuch“, sagt Hartwig E. Steiner. Folglich ist das Werk auch chronologisch aufgebaut und spart auch kritische Themen wie die NS-Zeit nicht aus. 384 Postkarten auf 216 Seiten kann nun betrachten, allesamt inhaltlich erläutert, teils auch mit Anmerkungen zu dem, was der Absender einst  handschriftlich vermerkte. Denn der Großteil von Steiners Sammlung besteht aus Karten, die einst auch beschrieben und versandt wurden – also „gelaufen“ sind, wie der Experte sagt. Lektoriert wurde das Werk von Museumsleiterin Gunda Woll.

Auf den letzten Seiten finden sich ein paar aktuelle Postkarten der Stadt – die Auswahl ist spärlich gewesen. „Von unserer Zeit“, so sinniert Hartwig E. Steiner, „wird man so ein Buch einmal nicht machen können.“