Vorlesen

Forstwirtschaft

Der Stadtwald Tuttlingen

Der Stadtwald Tuttlingen besteht in seiner heutigen Größe (siebtgrößter kommunaler Waldbesitz in Baden-Württemberg) seit der Gemeindereform im Jahre 1973. Mit seinen 3.452 ha ist der Stadtwald der größte kommunale Waldbesitz im Landkreis Tuttlingen. Er setzt sich zusammen aus den Wäldern der Ortsteile Eßlingen (380 ha), Möhringen (1.460 ha), Nendingen (690 ha) und der Stadt Tuttlingen (880 ha). Neben dem wirtschaftlichen Nutzten hat der Stadtwald eine besondere Bedeutung für den Naturhaushalt und die Naherholung.

Die Gesamtgemarkung Tuttlingen (9.048 ha) ist zu 59 % bewaldet. 

Koppenland Schalmenweg

Zuständig für den Waldbesitz der Stadt Tuttlingen ist die Städtische Forstverwaltung im Fachbereich Wirtschaftsförderung und Liegenschaften.

Der Stadtwald ist ein Wirtschaftswald und wird nach den Grundsätzen der
Naturgemäßen Waldwirtschaft bewirtschaftet. Zahlenmäßig überwiegen derzeit noch Fichten (49%) und Rotbuchen (31 %). Das Fortkommen der wichtigsten einheimischen Nadelbaumart Weißtanne ist seit Jahrzehnten durch übermäßigen Rehwildverbiss stark gefährdet.

P1020017

Der Stadtwald liefert den nachwachsenden Rohstoff Holz und ist Arbeitsplatz für viele Personen im ländlichen Raum.

Der Stadtwald ist ein Mischwald mit einer großen Baumartenvielfalt und einer großen Zahl von Sträuchern, Kräutern und Gräsern. Sie alle sind Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren. Die Standorte von seltenen Tieren und Pflanzen  werden im Stadtwald besonders geschützt und gepflegt. Teile des Stadtwaldes sind als FFH-Gebiete ausgewiesen und genießen daher einen besonderen Schutzstatus.

Frauenschuh

Forstbetriebliche Situation

Waldfläche

  • Forstliche Betriebsfläche:   3.452,5 ha
  • Holzbodenfläche:               3.285,6 ha

Natürliche Standortsverhältnisse

  • Wuchsgebiet 6 Schwäbische Alb
    im Einzelwuchsbezirk 6/07 Baar-Alb und Randen 35 % Regionalwald: kontinentaler, montaner Buchenwald örtlich mit Tanne
    im Einzelwuchsbezirk 6/08 Südwestliche Donau-Alb 65 % Regionalwald: kontinentaler, submontaner Buchenwald
  • Geologie:  Weißer Jura
  • Klimawerte:  Jahresmitteltemperatur + 6,7° C, Jahresniederschlag 838 mm
  • Höhenlage:  650 - 980 m ü. N.N.
  • Geländemorphologie: Hanglagen 60 %, eben bis schwach geneigte Lagen 40 %
  • Wasserhaushalt: Die historische Standortskartierung der Jahre 1960/1964 hat 62% trockene bzw. mäßig trockene Standorte ausgewiesen; allerdings wird damit aus heutiger Sicht das Wuchspotential der Standorte vielerorts als zu gering eingestuft, weil die Klüftigkeit der Substrate tief wurzelnden Baumarten zusätzliche Wasserreserven im Untergrund erschließt (Mergelbänder).

Waldbiotope

Aufgrund der geologischen Ausgangssituation überwiegend Trockenbiotope (Orchideenstandorte).


Inventurverfahren

Rasterstichprobeninventur mit 1.683 permanenten Stichprobenpunkten.
Erstinventur:  1997  1. Wiederholungsinventur: 2009

Baumartenanteile (in % der Fläche)

Baumart 1988 1998 2010 Langfr. angestrebt
Fichte 61 55 49 20
Weißtanne 3 3 3 20
Kiefer/Lärche 4 5 4 3
Douglasie 0,4 2 2 6
Summe Nb 68 65 58 49
Buche 29 30 32 36
Bergahorn 1 3 5 8
Esche 1 1 2 4
Sonst. Lb 1 1 3 3
Summe Lb 32 35 42 51

Rotfaeule



Die Fichte, obwohl wirtschaftlich sehr interessant, gilt im Stadtwald als „Katastro-phenbaumart“, da sie aus standörtlichen Gründen faul wird (Rotfäule) und gegen Sturm, Insekten und Dürre (Klimawandel) sehr empfindlich ist.

Die Weißtanne (Abies alba) ist eine der wuchskräftigsten und stabilsten einheimischen Nadelbaumarten. Sie ist von größter ökologischer und ökonomischer Bedeutung für den städtischen Forstbetrieb. Voraussetzung für das Aufwachsen der Weißtanne ist eine intensive Rehwildbejagung.

Holzvorrat

1.061.944 Vorratsfestmeter (VFm), d. s. 323 VFm/ha

Vorratsstruktur

Stärkeklassenverhältnis in %:

Baumart  


Schwachholz
(bis 24 cm BHD) 
1997           2009
Mittelholz
(25 - 49 cm BHD) 
1997             2009
Starkholz
(+ 50 cm BHD)
1997             2009
alle Baumarten  29               19   63                  65   8                   16
Fichte  27  27               18   64                  60   9                   14
Buche  38  38               19   57                  64   5                   10

Zuwachs, Holznutzung

Im Stadtwald wachsen jährlich rd. 30.000 Festmeter (= Kubikmeter) Holz nach, rd. 26.000 Festmeter werden jährlich genutzt (Nachhaltigkeit).

Organisation

Die Städtische Forstverwaltung betreut rd. 4.100 ha Wald. Neben der Bewirtschaf-tung  des Stadtwaldes obliegt ihr die Betreuung des Kleinprivatwaldes (560 ha) und einiger Kirchenwälder (80 ha). Die Städtische Forstverwaltung ist keine selbständige Untere Forstbehörde, bewirtschaftet den Stadtwald jedoch seit Jahrzehnten weitgehend eigenständig. Die Forsttechnische Betriebsleitung liegt gemäß § 47 LWaldG beim Kreisforstamt.
  • Forst- und Büropersonal:
    1 Leiter der Städt. Forstverwaltung, gleichzeitig Revierleiter
    2 Revierleiter ohne Sonderaufgaben im städt. Forstbüro
    1 Revierleiter mit Sonderaufgaben im städt. Forstbüro
    1 Verwaltungsfachangestellte im städt. Forstbüro
  • Waldarbeiter:
    1 Forstwirtschaftsmeister
    6 Forstwirte
    1 Saisonarbeiter
    2 Lehrlinge
  • Unternehmeranteil am Arbeitsvolumen rd. 50 %

Arbeitsschwerpunkte bis 2019

  • Fortführung der Naturgemäßen Waldbewirtschaftung hin zu einem stabilen, gemischten und kleinflächig ungleichaltrigen Buche-Weißtanne-Fichte-Dauerwald mit hohen Edellaubholzanteilen, dessen Holzvorrat sich nach Qualität und Dimension auf günstiger Höhe befindet.
    Dies geschieht durch
    • intensive qualitätsorientierte Einzelbaumpflege
    • Zurückhaltung bei der Ernte von Starkholz
      (Eingriffe insbesondere bei der Fichte vom rotfaulen starken Ende her)
    • regelmäßige Pflegeeingriffe, i.d.R. alle 5 Jahre
    • weitere Förderung der Naturverjüngung durch Intensivierung der jagdlichen  Anstrengungen (Jagdkonzeption 2013)
    • gezielter, großflächiger  Einbau der Weißtanne / Förderung der WTa- naturverjüngung
  • Realisierung eines möglichst hohen, positiven Betriebsergebnisses

Jagdliche Situation

Die Jagd ist integraler Bestandteil des Forstbetriebes. Wichtigste Aufgabe der Jagd ist die Anpassung der Wildbestände an die Belange der Landeskultur (§1 Bundes-jagdgesetz).

Verbissschäden seit Jahrzehnten

Im Stadtwald Tuttlingen sind seit Jahrzehnten starke Verbissschäden durch Rehwild (örtlich auch Damwild) zu verzeichnen. Aussagen zu Jagd und starkem Wildverbiss ziehen sich als roter Faden durch alle Forsteinrichtungswerke von 1855 („Da die Fichte  rotfaul wird, soll der Tanne größten Vorschub geleistet werden. Dies ist durch die Wildstände stark in Frage gestellt.“) bis 2010 („Insgesamt ist die Verbissbelastung durch Rehwild … drastisch angestiegen. …Insbesondere für den Waldumbau unter höherer Beteiligung der Weißtanne ist die derzeitige Verbisssituation katastrophal …“).


Eigenjagdbezirke

Die Stadt Tuttlingen besitzt 11 Eigenjagdbezirke mit einer Fläche von 3.792 ha (davon 3.025 ha Wald). Diese Eigenjagdbezirke wurden bisher entsprechend der in Ba-Wü allgemein üblichen Praxis mit dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk vermischt, danach in  Jagdbögen aufgeteilt und verpachtet. Im Jahre 1995 wurde auf 5% der Eigenjagdbezirksfläche eine städtische Regiejagd eingerichtet, in der das Fortkommen der Weißtanne gesichert ist. In den Jahren 2008 und 2009 kamen 3 weitere Eigenjagdbezirke für die Eigenbewirtschaftung hinzu.

Jagdkonzeption 2013

Das Jagdausübungsrecht war im Stadtwald über viele Jahrzehnte größtenteils verpachtet. Massive Verbissschäden durch Rehwild haben den Gemeinderat der Stadt Tuttlingen bewogen, nach jahrelanger Diskussion eine neue Jagdkonzeption zu beschließen. Danach werden ab dem Jahre 2013 rd. 50% der Stadtwaldfläche durch die Stadt selbst jagdlich bewirtschaftet (Eigenbewirtschaftung) und auf rd. 50% wird das Jagdausübungsrecht an private Jäger verpachtet.

Dies geschieht in Zusammenarbeit mit der örtlichen Jägerschaft. Jeder Jäger erhält auf Wunsch einen entgeltlichen Jagderlaubnisschein, der für mindestens 3 Monate und höchstens 1 Jahr gültig ist. In den verpachteten Jagden wird mittels eines weiterentwickelten Pachtvertrages die Erreichung der waldbaulichen Ziele sichergestellt.