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Tuttlinger
Stadtgeschichte

Spuren aus der Steinzeit

Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sieht: Tuttlingen blickt auf eine über 1000-jährige Geschichte zurück. Die war allerdings auch sehr bewegt – weswegen man enge Gassen oder malerische Viertel mit Fachwerkbauten im heutigen Tuttlingen kaum findet. Kriege und die damit einhergehenden Verwüstungen, der verheerende Stadtbrand von 1803 sowie eine rasante industrielle Entwicklung haben das Gesicht Tuttlingens geprägt.

Der Tuttlinger Raum ist ein altes Siedlungsgebiet: Schon in der Stein-, Bronze- und Eisenzeit lebten hier Menschen und um 800 vor Christus siedelten hier die Kelten – lange bevor zwischen 58 vor und 260 nach Christus die Römer das Gebiet beherrschten. Um das Jahr 260 nach Christus entstanden die ersten Alemannensiedlungen. Ab dem 6. Jahrhundert wurde die Bevölkerung christianisiert.

Mittelalterliche Schenkung

Im Jahre 797 wird Tuttlingen zum ersten mal in der latinisierten Form „tuttiliningas“ in einer Urkunde des Klosters St. Gallen schriftlich erwähnt. 1305 besitzen die Freiherrn von Wartenberg die Vogtei des Dorfes Tuttlingen. Seinen Stammsitz hatte dieses gutsituierte Geschlecht, das im beginnenden 14. Jahrhundert an der Oberen Donau Macht und Einfluss besaß, auf dem gleichnamigen Berg westlich von Geisingen. Durch die Wartenberger erhielt Tuttlingen vor 1338 auch das Stadtrecht.

Urkundlich belegt ist, dass 1376 Tuttlingen württembergisch war. Das Tuttlinger Wappen beinhaltet die württembergischen Hirschhörner und belegt damit die herrschaftliche Zugehörigkeit. Um 1470 datiert die Erbauung der Festung Honberg durch Graf Eberhard im Bart. 1535 wurde Tuttlingen durch Ambrosius Blarer reformiert.

Kämpfe um den Honberg

Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges von 1618 –1648 diente der Honberg immer wieder als Basis für militärische Unternehmungen. Nach der blutigen Schlacht von Tuttlingen 1643 zerstörte der Kommandant der württembergischen Festung Hohentwiel, Conrad Widerhold, die Festung im Jahre 1645. Sie wurde nie wieder aufgebaut, die Ruine diente als Steinbruch.

Stadtbrand und Neuaufbau

Das bis heute wohl markanteste Datum der Stadtgeschichte war jedoch der 1. November 1803: Tuttlingen brannte an diesem Tag innerhalb der Stadtmauern völlig ab. Ab 1804 begann der Wiederaufbau der Stadt nach den Plänen von Landbaumeister Carl Leonard von Uber im klassizistischen Stil. War Tuttlingen noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine bäuerlich geprägte Kleinstadt, nutzte Uber die Chance des Neuanfangs: Quadratisch angelegte Häuserquartiere, Gebäude mit der typischen geschlossenen Dachform des „Tuttlinger Huts” und rechtwinklig angelegte, breite Straßen um den quadratischen Marktplatz machten Tuttlingen zu einer der modernsten württembergischen Städte jener Zeit und prägen bis heute das Gesicht der Innenstadt. 1815-1817 wurde die evangelische Stadtkirche errichtet, erst 1866-1872 die erste katholische Kirche, St. Gallus. Schließlich waren noch 1890 84,7 Prozent der Tuttlinger Bevölkerung evangelisch. Die evangelische Stadtkirche wurde 1903 anlässlich des 100-jährigen Stadtbrandgedenkens im Jugendstil umgestaltet.

Von der Handwerkerstadt zum Industriestandort

Marktplatz um 1900

Die von Schuhmachern und Messerschmieden geprägte Handwerkerstadt entwickelte sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zum Industriestandort, der zunächst in der Schuhherstellung und später in der Herstellung medizinischer Instrumente seinen Schwerpunkt fand. Als er 1867 mit der Fabrikation chirurgischer Instrumente begann, ahnte Gottfried Jetter sicher nicht, dass er damit den Grundstein zum Aufstieg seiner Heimatstadt zum „Weltzentrum der Medizintechnik” legen würde. 1869 rollte der erste Zug in den Tuttlinger Bahnhof ein: Der Anschluss an das württembergische Eisenbahnnetz und der Aufbau der Wasser- und Stromversorgung (1896) waren weitere wichtige Entwicklungsschritte für den Wirtschaftsstandort Tuttlingen.

Im Ersten Weltkrieg beklagte die Stadt 414 Gefallene und 61 Vermisste, blieb aber von größeren Zerstörungen verschont. Am 21. April 1945 marschierte die erste französische Armee in Tuttlingen ein. Der Zweite Weltkrieg hatte hier 675 Gefallene, 273 Vermisste und etwa 62 Opfer von Bombenangriffen gefordert. Das ehemalige Zwangsarbeiterlager Mühlau wurde bis 1952 zum Durchgangs- und Entlassungslager für viele tausend deutsche Kriegsgefangene.

Neubeginn der Nachkriegszeit

Marktplatz um 1950

Der demokratische Neubeginn nach dem Krieg ist charakterisiert durch die Wahl Otto Finks zum Bürgermeister 1946. Seit 1952 ist Tuttlingen Große Kreisstadt. Im Zuge der Gemeindereform kamen 1972/73 die Gemeinden Eßlingen und Nendingen sowie die Stadt Möhringen als Stadtteile zu Tuttlingen. 1987 wurden die verkehrsberuhigte Stadtmitte mit Marktbrunnen und der Anbau an das historische Rathaus eingeweiht.

1997 feierte das „Weltzentrum der Medizintechnik” ein Jahr lang sein Stadtjubiläum „1200 Jahre Tuttlingen”. Und zum Beginn des neuen Jahrtausends setzte Tuttlingen mit der neuen Stadthalle, dem Freizeit- und Thermalbad TuWass und dem Donaupark architektonische und städteplanerische Akzente.

Seit 1. Februar 2004 ist Oberbürgermeister Michael Beck im Amt. Er folgt auf zwei jeweils über 20 Jahre amtierende erfolgreiche Vorgänger: Walter Balz (1951-1979) und Heinz-Jürgen Koloczek (1980-2004).

2009 wurde ein neues Kapitel der Tuttlinger Stadtgeschichte aufgeschlagen: Am Hochschulcampus Tuttlingen wurden die ersten Vorlesungen gehalten.