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Montessori-Pädagogik soll kleine Hauptschule retten - Landesweit einmaliges Projekt in Nendingen


Als erste öffentliche Hauptschule in Baden-Württemberg wird die Grund- und Hauptschule im Tutt-linger Stadtteil Nendingen zur Hauptschule mit Mon-tessori-Profil. Mit diesem Konzept will die Stadt Tutt-lingen den Hauptschulstandort Nendingen langfristig sichern.

Hauptschule Nendingen

Die Backsteinfassade aus dem Jahr 1895 strahlt in frischem Glanz. Die Schulküche ist ebenso auf dem neuesten Stand wie die Computerräume. In den Gängen hängt noch der Duft von frischer Farbe. Keine Frage: Bei der Sanierung der Nendinger Grund- und Hauptschule wurde viel investiert: "Wir haben 1,5 Millionen Euro in die Sanierung eingebracht", sagt Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck, "das ist ein deutliches Bekenntnis zur Hauptschule im ländlichen Raum."

Um dieses Bekenntnis auch dauerhaft durchhalten zu kön-nen, fehlt der Hauptschule im knapp 3000 Einwohner großen Nendingen aber etwas ganz anderes: Genügend Schüler. Zwar ist die Grundschule ausreichend ausgelastet, in der Hauptschule sind die Bänke aber nur dünn besetzt: Derzeit besuchen nur 43 Kinder die Klassen 5 bis 9, für die Jahre bis 2011 gehen die Prognosen von maximal 56 aus. Für eine richtige Auslastung der Schule reicht das nicht aus - obwohl die Klasse 5 und 6 sowie 7 und 8 bereits zu Doppelklassen zusammengefasst sind. Auch den vom Land vorgegebenen Mindestrichtwert von 85 Schülern wird die Nendinger Haupt-schule aus eigener Kraft nicht schaffen.

Die Lösung des Problems erhofft sich das Lehrerkollegium um Rektor Franz Boos von einem neuen Schulkonzept: Schon mit Beginn des Schuljahres 2007 / 08 wird ab Klasse 5 nach den Prinzipien Maria Montessoris unterrichtet, in den folgenden Jahren kommen Stück für Stück die anderen Klassenstufen hinzu, so dass ab Schuljahr 2009 / 10 alle Klassen reformpädagogischen Unterricht erhalten. "Wir sind die erste öffentliche Hauptschule in Baden-Württemberg, die diesen Schritt wagt", sagt Rektor Boos. Völliges NeuIand betritt er dabei nicht: Denn im Grundschulbereich sind die Ideen der italienische Ärztin und Pädagogin schon lange verankert.

Vom Schulträger wird das Konzept mit Nachdruck unter-stützt. "Wenn wir die Nendinger Schule halten wollen, müs-sen wir sie auch für Schüler von außerhalb Nendingens att-raktiv machen", sagt Oberbürgermeister Beck. Speziell für Nendingen wird daher auch die Tuttlinger Schulbezirkseintei-lung gelockert. Und dass die Montessori-Pädagogik auch Schüler aus der Kernstadt oder anderen Nachbarorten nach Nendingen lockt, ist sich Beck sicher. "Besondere pädagogi-sche Konzepte sind immer mehr gefragt", sagt Beck und verweist auf den Erfolg zahlreicher privater und kirchlicher Schulen. So sieht es auch Rektor Boos - und plant schon den nächsten Schritt: Ab 2012 soll es in Nendingen auch ei-ne 10. Klasse geben.

Montessori-Pädagogik
Freie Arbeit und Selbstkompetenz


Die Montessori-Pädagogik geht auf die italienische Ärztin und Pädagogin Maria Montessori (1870-1952) zurück. Sie hat dieses Konzept, ursprünglich aus ihrer Tätigkeit als Ärztin und dann als Pädagogin, kontinuierlich bis ins hohe Alter entwickelt und überprüft.

Sie definierte die Lehrer- und Schülerrolle neu und entwickel-te moderne Unterrichtsformen und didaktisches Arbeitsmate-rial für eine "vorbereitete Umgebung". Zusammen geben die-se dem kindlichen Forschungs- und Entwicklungsdrang Raum und ermöglichen selbst bestimmtes Lernen.

In der Montessori-Pädagogik gilt der Grundsatz, dass ein Kind das am besten lernt, was es jetzt lernen möchte. Gele-genheit dazu bietet die "freie Arbeit". Der Wunsch etwas Be-stimmtes zu lernen, entspringt seinem augenblicklichen Ent-wicklungsstand und Interessenhorizont und markiert ihn zugleich. Vom Kind selbst, von innen her, kommt der Antrieb, sich mit der Außenwelt auseinander zu setzen, sich an ihr abzuarbeiten, vielleicht sie ein Stück weit zu beherrschen. Dem Kind muss darum Raum und Zeit gelassen werden, seine selbst gewählte Arbeit auch selbständig und in Ruhe zu Ende zu führen, damit es durch das Erreichte sich selbst ("Selbstkompetenz") und seine Leistungsfähigkeit bestätigt fühlt.