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"Mit der Reichsbahn in den Tod" - Ausstellung über deportierte Kinder ab Montag im Rathausfoyer


Mit dem Schicksal vom NS-Regime deportierter Kinder und Jugendlicher aus Baden und Württemberg befasst sich eine Ausstellung, die ab Montag im Rathausfoyer zu sehen ist. Unter dem Titel "Mit der Reichsbahn in den Tod" hat der Historiker Christoph Schwarz unter anderem auch das Schicksal der Tuttlingerin Edith Kälbermann aufbereitet.

Mit der Reichsbahn in den Tod
Geboren in Ulm, ermordet in Auschwitz: Mina Hirsch

Sie kamen aus Tuttlingen, Ulm oder Stuttgart. Sie hießen Edith, Mina oder Gerhard. Und sie starben in Auschwitz, Madjanek oder Riga. Über 1000 jüdische Kinder allein aus Baden und Württemberg wurden von den Nationalsozialisten deportiert, mehr als die Hälfte von ihnen ermordet.

In seiner Ausstellung gibt der Freiburger Lehrer Christoph Schwarz den Opfern Gesichter. Familienfotos spiegeln eine Idylle wieder, die schon kurz darauf zerstört wird. Und Schwarz hebt ganz bewusst auf die persönliche Ebene ab: "Empathie und Identifikation mit den Opfern bilden die Grundlage für Erinnerungsarbeit", schreibt Schwarz in einer Erläuterung zu seiner Ausstellung. Eines der Opfer ist die 1932 in Tuttlingen geborene Edith Kälbermann. Sie wurde zusammen mit ihrer Familie im März 1942 deportiert und im Hochwald bei Riga erschossen - zusammen mit weiteren 1700 Menschen. Von der gesamten Familie überlebten nur Edith Kälbermanns Vater und ein Onkel.

Doch Schwarz belässt es nicht bei einer Fixierung auf Einzelschicksale: Er zeichnet auch den historischen Kontext nach und beschreibt die Lebensbedingungen von Juden, Sinti und Roma zwischen 1933 und 1945 - von der Ausgrenzung seit Beginn der NS-Herrschaft bis zur systematischen Ermordung. Auch stellt er den technisch und logistisch durchorganisierten Massenmord dar, zu dem auch die Deportation per Reichsbahn-Sonderzug gehörte - für 4,0 Reichspfennig pro Deportiertem und Streckenkilometer.

Vor allem auf diesen Aspekt spielt der Titel der Ausstellung an. Und ursprünglich konzipierte sie Schwarz auch als Wanderausstellung für Bahnhöfe - ähnlich wie die zuvor in Frankreich organisierte Ausstellung "Fils et filles des déportés juifs de France" (Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten aus Frankreich). Doch Bahnchef Hartmut Mehdorn lehnte es ab, die Schau in den Hallen deutscher Bahnhöfe zu zeigen. Mehdorn verwies auf Personalknappheit und eine bestehende Ausstellung im bahneigenen Museum im Nürnberg. Auf politischen Druck von Verkehrsminister Tiefensee arbeitet die Bahn nun an einer weiteren Ausstellung.

In Tuttlingen ist nun der Teil von Christoph Schwarz' Projekt zu sehen, das sich mit Kindern aus Baden und Württemberg befasst. Parallel dazu hat die Stadt Tuttlingen Workshops organisiert, die Christoph Schwarz am OHG anbieten wird. Auch die Ausstellung selber richtet sich ausdrücklich an Jugendliche: Schließlich seien, so Schwarz, gerade Jugendliche "mit rein wissenschaftlichen Arbeiten über die NS-Zeit überfordert und können kaum die Mechanismen, die zu Völkermord und Antisemitismus geführt haben, nachempfinden. Der persönliche Blick auf die Opfer soll dies ändern.

INFO:
Die Ausstellung wird am Montag, 23. April, um 18 Uhr im Rathausfoyer eröffnet. Christoph Schwarz wird selber in die Ausstellung einführen. Gezeigt wird sie bis zum 4. Mai.