Am Samstag übereichte Jean-Jacques Kretz eine Chronik, die sich mit der Geschichte des Lagers Mühlau beschäftigt, an die Stadt Tuttlingen. In Vertretung von Oberbürgermeister Michael Beck nahm Fachbereichsleiterin Brigitte Breinlinger die Aufzeichnungen entgegen.



Jean-Jacques Kretz ist der Sohn des ehemaligen Kommandanten René Kretz, der den Durchgangs- und Entlassungslager Mühlau von Juni 1945 bis Ende März 1947 vorstand.

Das Lager war nach dem Einmarsch der Französischen Armee am 21. April in Tuttlingen errichtet worden. Die Besatzer beschlossen, wegen der verkehrsgünstigen Lage hier ein zentrales Lager in der französisch besetzten Zone einzurichten, in dem entschieden wurde, wer weiterhin in Kriegsgefangenschaft blieb und wer entlassen wurde. Alle Wehrmachtssoldaten, die vor dem Krieg in der französisch besetzten Zone lebten, mussten sich entweder in Tuttlingen, in Bretzenheim (bei Bad Kreuznach) oder in Malschbach (bei Baden-Baden) ihre Entlassungspapiere ausstellen lassen. Etwa 300 000 Soldaten wurden zwischen Mai 1945 und Dezember 1948 hier in Tuttlingen entlassen.

Der Kontakt zu Jean-Jacques Kretz wurde durch die junge Wissenschaftlerin Dr. Astrid Gehrig hergestellt. Gehrig erforscht derzeit im Auftrag der Stadt Tuttlingen die Geschichte des Lagers. Jean-Jacques Kretz übergab in Anwesenheit seiner Familie und einiger früherer Lagerinsassen, Otto Beiswenger und Karl Krumm, die Aufzeichnungen. Diese werden jetzt in die wissenschaftliche Bearbeitung einfließen. Für die Familie Kretz wurde der Besuch zugleich eine Reise in die Vergangenheit. Jean-Jacques Kretz konnte sich erinnern, dass er zu Beginn der 1960er Jahre mit seinen Eltern und der Familie seines Onkels Tuttlingen besucht hatten, um Erinnerungen der Eltern aufzufrischen. Beide Eltern sind längst verstorben, aber für die Familie bleibt Tuttlingen ein Meilenstein in der Familiengeschichte. Er versprach, zur Einweihung der Markierungen des Lagergeländes wieder zu kommen.