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Fraktionsmitteilung

Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2017 der FDP-Gruppe von Herrn Hans-Peter Bensch


Sehr geehrter Herr Vorsitzender, liebe Ratskolleginnen und -kollegen, meine Damen und Herren,
 
„Finanzpolitik ist, wenn mehrere Personen ein Ganzes so verteilen wollen, dass zehn je ein Viertel bekommen und einer weiß, dass das nicht geht, aber überstimmt wird.“ lautet ein Zitat des ehemaligen Stuttgarter OB Manfred  Rommel.
 
Und auch wir befassen uns heute mit der Königsdisziplin aller Parlamente, der Haushaltsverabschiedung und damit der Finanzpolitik.
 
Allerdings dürfte man als fünfter Redner nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft für das Aufzeigen von Zahlenkolonnen erhalten. Deshalb möchten wir uns als freidemokratische Stadtratsgruppe auf einige für uns wichtige Punkte fokussieren und diese ansprechen, zumal wir in einigen zentralen Bereichen die Worte unserer Haushaltsrede 2016 nahezu Wort für Wort wiederholen könnten.
 
Da wäre zunächst mit den Personalkosten der größte Kostensteigerungsblock im Ergebnishaushalt mit einem Anstieg um 7,4 Prozentpunkte innerhalb eines Jahres. Was sind die Ursachen hierfür? Ein Teil umfassen Tarifsteigerungen, ein Teil Höhergruppierungen, ein weiterer Teil zusätzliche, neue Stellen in der Verwaltung, größtenteils auch noch im Freiwilligkeitsbereich – und nicht in der kommunalen Daseinsvorsorge. Mittlerweile liegen wir mit über 30 % Personalkostenanteil an den Gesamtkosten in einem sehr grenzwertigen, fast schon besorgniserregenden Bereich für unsere Stadt. Dessen auch künftig steigende Tendenz wird nicht einmal absehbar zu einer verkraftbaren Normalität kommen. Deshalb war uns schon in den Haushaltsvorberatungen bewusst, dass über ein klares Zeichen einer globalen Minderausgabe in diesem Bereich hinaus tiefergehende Akzente gesetzt werden müssen.
 
Dass wir eine einprozentige Minderung der Personalkosten im VFA vorgeschlagen hatten, deren Umsetzung der Verwaltung selbst nach Aussage von Ihnen, Herr Beck, nicht „allzu schwer und schmerzhaft“ fallen dürfte, war ja nur ein eher motivierender Teil unseres Antrags. Denn es macht auch keinen Sinn, jetzt auf die nächsten drei Jahre zwei oder vier Prozent Personalkostensenkung jährlich vorzuschlagen oder gar zu beschließen, wenn bereits im kommenden Frühsommer von der Verwaltung mit den Worten: „Wir haben es versucht, aber nicht geschafft…“ wieder alles einkassiert würde. Dann lieber ein sehr bescheidener Beitrag, der dann aber auch wirklich konsequent umgesetzt wird.
 
Viel wichtiger ist aber der zweite Teil unseres Antrags, die organisatorischen Strukturen im Rathaus zu untersuchen, ob aufbau- oder ablauforganisatorische Strukturen und Prozesse überhaupt noch zu den heutigen Aufgaben und deren Bearbeitung passen. Wir sind Ihnen, Herr Oberbürgermeister Beck, sehr dankbar, dass Sie - aber natürlich auch die Ratskolleginnen und -kollegen im Ausschuss – diese Notwendigkeit so gesehen haben und einer entsprechenden Organisationsuntersuchung, auch unter Zuhilfenahme externer Unterstützung, zustimmten. Eine solche Aufgabenkritik kann und soll auch Bestandteil einer Verwaltungsmodernisierung sein, insbesondere unter Einbeziehung digitaler Angebote des „elektronischen Verwaltungshandelns“, um den technischen Begriff eGovernment zu umschreiben. Hierbei muss die Einsatzmöglichkeit elektronischerer Informationstechnologien geprüft werden, um bisher in Papierform und via persönlichem Erscheinen angebotene Leistungen der Kommunalverwaltung möglichst einfach, schnell und unkompliziert rund um die Uhr für Bürgerschaft und Unternehmen zugänglich zu machen. Die vielfach von den üblichen Bedenkenträgern zitierten Sicherheitsprobleme sind mit dem elektronischen Pass, den wir in Tuttlingen schon seit langem ausgeben und der elektronischen Unterschrift längst gelöst - und so ist eGovernment in anderen Kommunen bereits fest im Einsatz und integraler Bestandteil des Verwaltungshandelns. Natürlich wird dieses Angebot nicht von allen nachgefragt, das ist auch eine Frage der Technik-Affinität und des Bedarfs an persönlicher Beratung und Betreuung. Aber diejenigen, die es könnten und wollten, sollten es dann auch dürfen. Sparkassenvorstandsmitglied Waizenegger wies kürzlich darauf hin, dass die Gruppe der über 50- bis 60-Jährigen zu 100 % und die der über 60-jährigen immerhin noch zu 80 % die Online-Banking-Dienste der örtlichen Kreissparkasse nutzen. Wo ist also das Problem?
 
Auch ein von uns gestellter Antrag zum Thema Busbeschleunigung kann das innovative Thema recht gut verdeutlichen: Mittels eines rechnergestützten Betriebsleitsystems (RBL) könnten Fahrgäste zu jeder Zeit online nachschauen, wo ihr Linienbus gerade entlangfährt und wie lange es noch dauert, bis er kommen wird, um gegebenenfalls den Anschluss an die andere Buslinie noch zu schaffen. Diesen zeitgemäßen Service sollten wir gerade auch angesichts der bisherigen, hohen Investitionen in eigene Busspuren unserer Bürgerschaft bieten. Dazu kommen die digitalen Bezahlsysteme via Smartphone und/oder Smartcards, die mithelfen, die Abläufe auch im ÖPNV zu erleichtern.
 
Es geht aber auch z. B. um eine Abwägung, angesichts der hohen Personalkosten noch weitere, neue Stellen für Stadtsheriffs des kommunalen Ordnungsdienstes zu schaffen. Das Verfolgen von Ordnungswidrigkeiten oder Aussprechen von Platzverboten ist das Eine, eine nachhaltige Bewusstseinsschärfung durch Aufklärung und z.B. Müllsammelaktionen wie Waldputzete durch Schulklassen das Andere. Es ist eben doch ein Unterschied, ob künftig nach Law and Order Mentalität vorgegangen wird oder ob wir nicht doch auch über den Einsatz von Streetworkern bei Jugendlichen auch nachhaltig Erfolge erzielen wollen. Oder eben auch durch deutliche Appelle an die Eigenverantwortung der Bürgerschaft, durch ihre Mithilfe vielleicht doch mehr Sauberkeit in die Tuttlinger Straßen zu bekommen. Frei nach Goethe: „Jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtquartier“ (Zitatende).
 
Wir müssen bei allen künftig anfallenden Aufgaben noch mehr als bisher prüfen, ob wir uns wirklich noch im Bereich der Daseinsvorsorge bewegen und wie weit wir Freiwilligkeitsleistungen wirklich benötigen. Wir werden darüber hinaus nicht alles, was Bund und Land vor Ort nicht oder nicht mehr im erforderlichen Umfang leisten, wie beim KOD als Ersatz für Polizeiarbeit vor Ort, durch kommunale Aktivitäten zu Lasten des städtischen Haushaltes ersetzen können.
 
Dazu nochmal OB Rommel (Zitat): „Sparen heißt, Geld, das man hat, nicht auszugeben. Bei uns geht es aber darum, Geld, das wir nicht haben, nicht auszugeben, und das nennt man Realismus. Ich darf dies vielleicht in der Sprache der Mengenlehre erläutern: Wenn man aus einer Kasse, in der 100 Mark drin sind, 300 Mark rausnimmt, muss man erst wieder 200 Mark reintun, damit nichts mehr drin ist.“ (Zitatende).
 
Die größte Zukunftsaufgabe Tuttlingens ist die unmittelbar bevorstehende Sanierung der beiden allgemeinbildenden Gymnasien. War vor einiger Zeit für das IKG noch eine Sanierung von rd. 12-15 Mio. € für Beton, Brandschutz und Technik geplant, ergab sich nach halbjähriger Diskussion einer dafür eingesetzten Expertengruppe ein neues pädagogisches Konzept mit nunmehr rund 35 Mio. € Kosten. Wir Freie Demokraten fordern und fördern optimale Bildungsmöglichkeiten für alle Schüler. Denn wir haben kaum Rohstoffe im Land, „Grips“ war und ist unsere wertvollste Ressource. Die Beurteilung des Sanierungskonzeptes der Gymnasien bzw. Prüfung auf bauliche Alternativen, die das gleiche Ziel mit weniger Kostenaufwand erreichen könnten, fällt hier aufgrund der Planungskomplexität relativ schwer. Wir müssen ein noch größeres Maß an Vertrauen in die sachgerechte und wirtschaftliche Vorarbeit der Experten und Planer investieren, was uns angesichts der enormen Gesamtinvestition nicht leicht von der Hand geht.
 
Ein letzter Punkt: Wir freuen und bedanken uns, dass im kommenden Jahr 2017 das bereits vor zehn Jahren durch Thomas Engels von der damaligen FDP-Stadtratsgruppe vorgeschlagene Tuttlinger Parkleitsystem vollendet und dann vollumfänglich den Parkraumsuchenden zur Verfügung stehen wird. Ein wichtiger Beitrag zu einer funktionstüchtigen Infrastruktur der Stadt und dem vielzitierten „Kaufhaus Tuttlingen“. Dass aber gleichzeitig immer wieder Stellplätze in der Innenstadt entfallen und die Innenstadt durch immensen Einsatz von statischen und einfahrbaren Pollern nahezu festungsgleich gemacht wird, trägt unseres Erachtens nicht wirklich zur Erhöhung der Attraktivität bei, kostet aber wieder viele Steuermittel und kann dazu führen, dass potenzielle Kunden aus der Region der Stadt fernbleiben und sich anderswo orientieren!
 
Zum Schluss unserer Haushaltsrede danken wir Ihnen, Herr Oberbürgermeister Beck, Herr Erster Bürgermeister Buschle und Herr Baubürgermeister Kamm, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung und ihrer Eigenbetriebe sowie Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Rat, für die Zusammenarbeit im ablaufenden Jahr.
 
Ein besonderes Lob gilt auch dieses Jahr Herrn Keller und seinem Kämmereiteam für die aufwändige, detaillierte und zugleich übersichtliche Aufbereitung des städtischen, doppischen Haushalts.
 
Und natürlich danken wir herzlich den vielen ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger der Stadt und in den Stadtteilen. Ohne ihr persönliches Engagement würde Vieles im gesellschaftlichen Bereich nicht angepackt und umgesetzt werden.
 
Dem vorliegenden neuen Haushaltsplan für das Jahr 2017 werden wir als FDP-Stadtratsgruppe zustimmen.
 
Vielen Dank!


Es gilt das gesprochene Wort.

12.12.2016, Hans-Peter Bensch, Sprecher der FDP-Gruppe