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Redensammlung

Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Herrn Lutz Beisel - Freitag, 14. September 2018 – 15 Uhr – Foyer Nendinger Donau-Hallen


Sehr geehrter Herr Beisel,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
ich begrüße Sie herzlich in den Nendinger Donau-Hallen – und zwar zu einer Premiere: Erstmals wird in diesen Räumen ein Bundesverdienstkreuz verliehen.
 
Würdig eingestimmt auf diese Veranstaltung wurden wir Gitarren-Quartett unserer Musikschule unter der Leitung von Massimo Serra – es musizierten Melisa Turhan, Lea Amanda Pschigoda, Emilie Weigandt und Dilara Cömertpay – später werden wir Sie nochmals hören.
 
Ich begrüße ganz besonders unseren Abgeordneten, Justizminister Guido Wolf. Er wird nachher die Laudatio halten.
 
Herzlich willkommen heiße ich auch Wolf-Christian Ramm. Er ist Sprecher des Kinderhilfswerks „terre des hommes“ – und er wird uns heute aus erster Hand berichten können, wie sich das Engagement Lutz Beisels bei dieser wichtigen Einrichtung auswirkte.
 
Ein besonders Gruß gilt auch Ortsvorsteher Franz Schilling – der sogar an seinem eigenen Geburtstag gekommen ist. Herzlich Willkommen und herzlichen Glückwunsch.
 
Ich freue mich, dass zahlreiche Gemeinderäte unter uns sind. Sie waren es schließlich auch, die erst vor gar nicht allzu langer Zeit beschlossen, Lutz Beisel mit dem Sozialpreis, also einem unserer drei städtischen Ehrenpreise, zu würdigen.
 
Ich begrüße unter uns auch weitere Preisträger:
-      Von unseren Kulturpreisträgern Günter Hermann
-      Und von unseren Sozialpreisträgern die Vertreterinnen und Vertreter des Kinderschutzbundes und des Frauenhausvereins
 
Ich heiße alle persönlichen Freunde und Mitstreiter von Lutz Beisel willkommen. Sie alle verbinden gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen mit Lutz Beisel – und Sie teilen heute auch dieses besondere  Erlebnis mit ihm.
 
Ganz besonders aber begrüße ich den Mann, der heute im Mittelpunkt steht: Herzlich willkommen, lieber Herr Beisel.
 
 
Meine Damen und Herren,
 
es ist noch nicht lange her – gerade einmal zehn Monate – da erhielt Lutz Beisel den Sozialpreis der Stadt. Den Preis, mit dem die Stadt Tuttlingen Menschen auszeichnet, die sich in ganz besonderer Form für ihre Mitmenschen eingesetzt haben und dies bis heute tun. Heute nun erhält er das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Dass Lutz Beisel innerhalb so kurzer Zeit zwei Ehrungen erhält, unterstreicht deutlich, wie sehr seine Arbeit auf den verschiedensten Ebenen wertgeschätzt wird.
 
Und dies zu Recht. Ich möchte jetzt nicht meine Laudatio vom September letzten Jahres wiederholen – zumal ja Justizminister Guido Wolf im Anschluss noch eingehend auf Lutz Beisels Verdienste eingehen wird. Zwei Aspekte aber möchte ich nochmals betonen – zwei Dinge, die an Lutz Beisels Engagement besonders auffallen.
 
Lutz Beisel beweist, dass man mit einem langen Atem viel erreichen kann. Den Anstoß dafür, dass der gelernte Schriftsetzer zum Menschen- und Kinderrechtlicher wurde, gab bekanntermaßen der Vietnamkrieg – die Bilder, die in den späten 1960er-Jahren zu uns kamen und schockierten. Seit dieser Zeit setzt Lutz Beisel sich beharrlich für die Rechte von Kindern ein – vor allem, indem er 1967 den deutschen Zweig von „terre des hommes“ gründete.


Der Aufbau von „terre des hommes“ wurde Lutz Beisels großes Projekt – und an diesem Projekt arbeitete er viele Jahre. Er ließ sich nicht von Rückschlägen entmutigen. Und auch nicht von der bitteren Erkenntnis, dass Hilfe auch immer Grenzen hat: Dass „terre des hommes“ zwar tausenden von Kindern neue Perspektiven bieten konnte – aber noch viel mehr Kindern leider nicht. Das auch das hartnäckigste Engagement immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Dass auch die engagierteste Hilfsorganisation nie alle Bedürftigen erreicht. Und vor allem: Dass die Kräfte so ungleich verteilt sind. Dass der mühseligen Arbeit der Helfer fast überall auf der Welt ungleich größere Potenziale an Energie, Personal und Kapital gegenüberstehen, die Konflikte befeuern und am Lodern halten.
 
Wer sich darauf einlässt, sich tiefer mit den Problemen der Welt zu befassen, der kann schnell verzweifeln und aufgeben. Sich ins Private zurückziehen. Oder er kann – fast schon aus Trotz – weiter machen. So wie Lutz Beisel. Und dass sich diese Ausdauer lohnt, zeigt seine Bilanz: „terre des hommes“ Deutschland ist heute eine der größten Hilfsorganisationen unseres Landes. Die Zahl der Kinder, deren Leben durch „terre des hommes“ einen besseren Weg genommen hat, geht in die Tausende. Und möglich wurde dies nur durch Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit. Durch harte Entbehrungen. Momente des Zweifels und der Verzweiflung. Engagement in dieser Form ist weder bequem noch einfach. Aber es wirkt. Das darf man nie vergessen – vor allem nicht in Zeiten, in denen viele glauben, dass bereits ein paar Klicks auf einer Online-Petition sie zu engagierten Menschen  machen.
 
Was aber ist die Triebfeder zu so einem Engagement? Bei Lutz Beisel ist die Frage schnell beantwortet: Er verfügt über ein besonders hohes Maß an Empathie. Und das ist der zweite Punkt, den ich hervorheben möchte.
 
Eigentlich sollte dieses Empfinden, dieses Gespür für den Mitmenschen, seine Bedürfnisse und Nöte, selbstverständlich sein. Nicht umsonst sind Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe universelle Tugenden oder sogar verbindliche Normen. Und zwar in allen Weltreligionen und zahlreichen philosophischen Theorien. Eigentlich sollte der Einsatz für seine Mitmenschen etwas sein, das man gar nicht groß betonen oder gar würdigen muss. Es ist aber leider anders. Und schlimmer noch: Wir erleben zusehends, dass nicht nur nicht geholfen wird. Wir erleben vielmehr, dass es selbst an einem Mindestmaß an Verständnis und am Mitgefühl fehlt. Und dass Menschen, die helfen, sich dafür fast schon  rechtfertigen müssen.
 
Man muss kein notorischer Skeptiker sein, wenn man feststellt, dass unsere Gesellschaft zusehends verroht. Das beginnt bei Pöbeleien und Rangeleien im Alltag, geht über Hetze im Internet und reicht bis zur direkten Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft, gegen Obdachlose oder Behinderte. Und die Entwicklung wird immer drastischer. Bilder, wie wir sie vor kurzem aus Chemnitz sahen, hätten die meisten für uns noch vor kurzem für undenkbar gehalten.
 
Lutz Beisel gehört zu den Menschen, die seit Jahrzehnten vorleben, dass es anders geht – so, wie es sein sollte. Er hat Empathie zum Lebenszweck gemacht. Und dies war auch 2015 so, als die Familie Beisel sofort bereit stand, als eine 13-köfige syrische Familie Unterstützung benötigte. Und gerade am Flüchtlingsthema sieht man auch, wie dringend unserer Gesellschaft Menschen mit Lutz Beisel braucht – Menschen, die Empathie groß schreiben,  Angst und Bedenken dafür klein. Oder gar nicht erst kennen.
 
Lutz Beisel ist ein Mensch, der seit Jahrzehnten vorlebt, wie man unsere Welt jeden Tag ein bisschen besser machen kann. Geschichten wie seine machen Mut. Und darum freue ich mich, dass er heute  das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommt. Denn auch dies ist ein wichtiges Zeichen:
-      Für Engagement, für Ausdauer, für Mut.
-      Gegen Gleichgültigkeit, Zögerlichkeit, Angst und auch Hass.
 
Lieber Herr Beisel, ich gratuliere Ihnen von Herzen.


Michael Beck, Oberbürgermeister

14.09.2018, Tuttlingen-Nendingen

Es gilt das gesprochene Wort.