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Redensammlung

Verleihung des Ehrengeschenks „Kannitverstan“ an Herbert Moser – 16. September 2014, 18 Uhr, Kleiner Saal der Stadthalle


Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
zum ersten Mal tritt heute unser im Mai neu gewählter Gemeinderat zu einer Sitzung der besonderen Art zusammen. Einer Sitzung, die nur einen Tagesordnungspunkt hat – und zwar einen sehr angenehmen: Die Verleihung unseres Ehrengeschenks „Kannitverstan“ an einen Menschen, der sich in besonderer Weise um Tuttlingen verdient hat. Die Tatsache, dass dieses Geschenk die höchste Auszeichnung ist, die die Stadt Tuttlingen vergibt, unterstreicht diese Bedeutung – ebenso die Tatsache, dass es maximal 15 lebende Trägerinnen und Träger unseres Ehrengeschenks geben darf.
 
Ich freue mich, dass so viele Menschen unserer Einladung gefolgt sind.
 
Als besonderen Ehrengast begrüße ich heute ihre Königliche Hoheit, Diane Herzogin von  Württemberg – seien Sie willkommen in der altwürttembergischen Stadt Tuttlingen.
 
Herzlich willkommen heißen möchte ich auch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats des SWR, Hans-Albert Stechl. Er wird nachher auch zu uns sprechen – und dabei auch besonders auf Herbert Mosers Rolle als langjähriges Mitglied des Rundfunkrates des SWF und später des SWR eingehen.

Ein besonderer Gruß gilt auch unserem Landrat Stefan Bär – auch er wird nachher noch einige Worte an uns richten - sowie meinen Kollegen Emil Buschle und Willi Kamm.
 
Ich freue mich auch über die Anwesenheit  zahlreicher Vertreterinnen und Vertreter des Gemeinderats sowie vieler Altstadträtinnen und Altstadträte – die Menschen also, mit denen Herbert Moser über viele Jahre hinweg Politik für unsere Stadt machte.
 
In unserer Mitte begrüße ich mehrere Ehrengeschenkträger, zu denen ab heute auch Herbert Moser gehören wird:
  • Dr. Dieter Egle
  • Mein Vorgänger im Amt des Oberbürgermeisters, Heinz-Jürgen Koloczek
  • und Prof. Erich Weber – auch er wird nachher aus der Sicht eines langjährigen Freundes unseres Geehrten zu uns sprechen
Außerdem begrüße ich zahlreiche unserer Kultur-, Sozial- und Sportpreisträger.
 
Die Kirchen sind heute ebenfalls unter uns – ein herzliches Grüßgott an Dekan Sebastian Berghaus, Dekan Matthias Koschar und Stadtpfarrer Richard Grotz
 
Ganz besonders in unserer Mitte heiße ich aber den Menschen willkommen, zu dessen Ehren wir uns heute hier versammelt haben: Der Mensch, der heute Abend in den Kreis unserer Ehrengeschenkträger aufgenommen wird: Herzlich willkommen, lieber Herbert Moser.
 
Meine Damen und Herren,
 
wenn demnächst das neue Tuttlinger Stadtbuch erscheint, werden wir dort auch ein paar schöne Worte über den Kannitverstan und Tuttlingen lesen. Ich zitiere:
 
„Macht es wie Kannitverstan, der Tuttlinger Handwerksbursche. Zieht in die Welt und ihr werdet Tuttlingen neu entdecken
und schätzen lernen.“
 
Geschrieben hat diese Worte Herbert Moser in einem Gastbeitrag über seine  Heimatstadt – seine Heimatstadt, die er seit drei Jahren aus der Ferne betrachtet, aus dem Blickwinkel der sonnigen Provence. Seine Heimatstadt, die er aber seither nicht weniger schätzt als zuvor – im Gegenteil. Denn mittlerweile, so betont  er in seinem Text, ist die Stadt schon lange nicht mehr grau. Und auch guten Kaffee könne man in Tuttlingen inzwischen trinken. Nur mit der Sonne klappt’s noch nicht ganz so gut wie in der Provence – aber, und das verspreche ich: Wir arbeiten dran. Am Partnerschaftswochenende haben wir schon mal geübt. Sogar unsere Freunde aus Draguignan waren zufrieden.
 
Im Laufe seines Lebens hat Herbert Moser immer wieder Tuttlingen aus der Distanz heraus betrachtet -  und dennoch einen engen Bezug zur Stadt gehalten. Mehr noch: Er hat sich für diese Heimatstadt eingesetzt, sie mit gestaltet, sie voran gebracht. Und deshalb ehren wir ihn heute.
 
In Tuttlingen kam Herbert Moser 1947 auf die Welt. Hier besuchte er das Gymnasium, hier machte er Abitur, und hier sammelte er auch erste politische Erfahrungen – als engagierter und damals schon rhetorisch begabter Schülersprecher. Ehemalige Lehrer beschreiben ihn als ausdauernd. Als Schüler in gewissem Maße, vor allem aber als Läufer. Und Mitte der 1960er-Jahre gab es mehrere Optionen, in welche Richtung sich Herbert Mosers Karriere einmal entwickeln könnte. Eine davon war der Profi-Sport.
 
Im Sport sammelte Herbert Moser schon früh große Erfolge. Als 15-Jähriger beginnt er beim damaligen FC 08 als Leichtathlet, er trainiert fast jeden Tag. Seine bevorzugte Laufstrecke sind die Straßen rund um den Stadtgarten.
 
Das Training zahlt sich aus. Schnell gelingt Herbert Moser der Sprung in die Deutsche Nationalmannschaft, und schon bald wird ein größerer Verein auf ihn aufmerksam: Moser wird Teil der Leichtathletikmannschaft des VfB Stuttgart. Dort verbucht er auch seine größten sportlichen Erfolge:
  • Die Deutsche Meisterschaft über 4 x 400 Meter
  • Eine Bronze-Medaille bei den Hallen-Europameisterschaften in Belgrad
  • Alles in allem nimmt er an zehn Länderkämpfen teil.
1972 steht er kurz vor dem absoluten Höhepunkt seiner sportlichen Karriere: Als Mitglied des deutschen Olympiakaders soll er bei den Spielen in München antreten. Eine Verletzung hindert ihn daran. Und kurz darauf verabschiedet er sich auch aus dem Leistungssport – zugunsten einer sichereren Laufbahn als Lehrer. Denn inzwischen stand Herbert Moser kurz vor dem Examen an der Uni Tübingen. Und schon bald unterrichtete er Biologie und Sport. Zunächst in Rottweil, bald darauf in seiner Heimatstadt Tuttlingen.
 
Schon während seines Studiums in Tübingen begann die Karriere des Herbert Moser, die seine weiteres Leben bestimmte: Seine politische Laufbahn. Erich Weber wirkte hier als Mentor: Als politisch interessierten Schüler hatte er Herbert Moser am Gymnasium kennen gelernt, 1971 dann überzeugte er ihn davon, für den Gemeinderat zu kandidieren. Der SPD gehörte er bereits seit 1969 an. Moser wurde prompt gewählt – und war im Alter von 24 Jahren der bis dahin jüngste Gemeinderat, den Tuttlingen je hatte. Ein Ehrentitel, den übrigens ein paar Jahre davor Erich Weber selber getragen hatte. 1973 rundete Moser sein kommunalpolitisches Engagement ab und zog in den Kreistag ein. Kurz darauf wurde er auch Kreisvorsitzender der SPD.
 
Mit den kommunalpolitischen Themen, die der Jungstadtrat Moser Anfang der 1970er-Jahre belegte, war er seiner Zeit weit voraus: Er kämpfte gegen die Begradigung des Krähenbachs und gegen die Bebauung der Honberg-Südseite. Der studierte Biologe Moser setzte die Ökologie auf die Tagesordnung – lange, bevor es in Tuttlingen die LBU gab.
 
Zum Hauptberuf machte Moser die Politik im Jahre 1976: Im Alter von 28 Jahren zog er erstmals in den Landtag ein. Bis 2006 – mit Ausnahme einer Unterbrechung von 1992 bis 1996 - gehörte er dem Landesparlament an. Und in der SPD-Fraktion
sprach sich schnell herum, dass Herbert Moser zu den guten Rechnern gehört. Also wurde er finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und später auch Vorsitzender des Finanzausschusses. Außerdem war er 17 Jahre  lang Mitglied des Rundfunkrats des SWF und später des SWR sowie mehrere Jahre im Programmbeirat von ARTE Deutschland. Mehr darüber erfahren wir nachher von Hans-Albert Stechl.
 
Direkt von der Politik führte sein Weg ihn dann 2005 an die Spitze der Landesstiftung Baden-Württemberg, der heutigen Baden-Württemberg-Stiftung. Der damalige Ministerpräsident Günter Oettinger hatte in Moser den Mann erkannt, der die kurz zuvor gegründete Stiftung weiter aufbauen konnte, der sowohl pädagogischen und fachlichen als auch wirtschaftlichen Sachverstand mitbringt, um eine Einrichtung dieser Größe mit Ideen zu versorgen und zu führen. Und der obendrein über das nötige politische Fingerspitzengefühl dafür verfügte. Dass der CDU-Ministerpräsident den SPD-Mann Moser dafür vorschlug, spricht für die parteiübergreifende Wertschätzung, die sich Herbert Moser im Laufe der Jahre aufgebaut hatte.
 
Bis 2011 leitete Moser die Stiftung. Seither macht er das, was er schon Jahre zuvor angekündigt hatte: Gemeinsam mit seiner Frau Sophie genießt er den Ruhestand in Pernes les Fontaines in der sonnigen Provence.
 
Meine Damen und Herren,
 
Herbert Moser ist nicht mehr jeden Tag in Tuttlingen präsent. Seine Arbeit, die er über viele Jahre leistete, ist aber immer noch spürbar. Denn Herbert Moser hat in unserer Stadt Spuren hinterlassen.
 
In Erinnerung bleibt mir persönlich natürlich zunächst der Kommunalpolitiker Herbert Moser. Er war über Jahrzehnte eine der Persönlichkeiten, die aus dem Gremium herausstachen: Als brillanter Redner, kluger Analytiker und fachkundiger Experte in den verschiedensten Bereichen – ob Finanzen, Bildung oder Kultur. Er war einer der Aktivposten des Gremiums, der selber Themen einbrachte, der sich als aktiver Gestalter dieser Stadt verstand.
 
In dieser Funktion war Herbert Moser an vielen Projekten beteiligt, die das Tuttlingen von heute prägen. Und wenn – wie es in seinem eingangs zitierten Stadtbuch-Text heißt – das Tuttlingen von heute nicht mehr die graue Stadt von einst ist, dann ist dies auch sein Verdienst.
 
Nur stellvertretend für vieles möchte ich an einige markante Projekte aus der Zeit Herbert Mosers erinnern:
  • Die Sanierung der Innenstadt
  • Die Sanierung des Rathauses und der Bau der Galerie
  • Die Anlage des Donauparks
  • Der Bau von Stadthalle und TuWass
  • Die Gründung der Hochschule
  • Die Stärkung von Bildung, Erziehung und Betreuung in unseren Schulen und Kindergärten   
Gerade das zuletzt genannte Thema lag dem Pädagogen Herbert Moser besonders am Herzen. Und besonders deutlich wurde dies in seiner Zeit als Geschäftsführer der Baden-Württemberg-Stiftung und der Stiftung Kinderland. Auf seine Initiative hin wurden zahlreiche Bildungsprojekte angestoßen, die gerade auch benachteiligte Kinder fördern sollen – zum Beispiel mit Spracherziehung oder Bewegungsförderung.
 
Viele dieser Projekte wurden auch in Tuttlingen umgesetzt – und zum Teil auch erdacht. Da Herbert Moser als ständiger Pendler zwischen Stuttgart und Tuttlingen immer den direkten Blick auf die Situation in seiner Heimatstadt hatte, erkannte er oft an Tuttlinger  Beispielen, wo ein Projekt ansetzen muss, um Wirkung zu zeigen. Dass die fertigen Projekte dann wunderbar nach Tuttlingen passten, war ein für alle Beteiligten angenehmer Nebeneffekt.
 
Die Baden-Württemberg-Stiftung war aber nicht das einzige Beispiel, wo sich Herbert Moser als Bindeglied zwischen der Stadt Tuttlingen und dem Land verstand. Auch als langjähriger und bestens vernetzter Abgeordneter brachte er immer wieder Erkenntnisse mit, die in Tuttlingen von Vorteil waren. Und auch die Arbeit des Gemeinderats profitierte erheblich davon, dass ein profunder Kenner der Landespolitik in seinen Reihen saß.
 
So engagiert Herbert Moser als Gemeinderat war, so leidenschaftlich er Politik machte: Er war dabei nie verbissen. Er suchte stets den Austausch mit anderen Fraktionen. Denn ihm war klar: Nur gemeinsam kann man etwas erreichen – sowohl für die Stadt als auch für das Land. Er war die ganz Große Koalition in Person.
 
Vor allem aber widerstand Herbert der in diesem Bereich stets drohenden Gefahr, sich der Politik zu opfern. Für ihn war immer klar: Nur wer auch ein ausgeglichenes Privatleben hat, kann die Kräfte sammeln, die man für diese anstrengende Aufgabe benötigt. Heute spricht man hier gerne von Work-Life-Balance. Herbert Moser hatte diese schon entdeckt, bevor es  Dutzende einschlägiger Ratgeber gab. Und deshalb sah er auch keinen politischen Gewinn darin, jedes Wochenende ein halbes Dutzend Feste zu besuchen, nur, um gesehen zu werden. Dass ihm manche deswegen mangelnden Bezug zu Basis vorwarfen, nahm er immer gelassen. Er war souverän genug, um auch mit dieser Kritik umzugehen.
 
Herbert Moser hatte auch kein Problem damit, seine Lebensauffassung in einem Zeitungsinterview selbst als „barock“ zu bezeichnen – als genussorientiert, stilvoll und alles andere als schwäbisch knauserig oder gar asketisch. Er ist ebenso bekennender Wein- wie Kunstliebhaber – dass er viele Jahre direkt über der Galerie und somit der Kunst am nächsten lebte, ist kein Zufall. Schließlich fiel Herbert Moser bereits als junger Nachwuchssportler dadurch auf, dass er bei Auswärtskämpfen als einziger aus dem Kader nicht nur die Sportstätten sondern auch die Museen und Galerien anderer Städte erkundete.
 
Dass man sich mit einer solchen Lebensauffassung zu Frankreich hingezogen fühlt, liegt nur nahe. Ein Schülerreise nach Saumur an der Loire soll der Anfang dieser Liebesbeziehung gewesen sein, eine noch viel größere folgte: Seine Ehefrau Sophie. Seit vielen Jahren sind sie nun schon verheiratet, und nach dem Ruhestand folgte er ihr in ihre französische Heimat, während deren beide Töchter, die sie mit in die Ehe brachte, nun in Deutschland leben.
 
In Pernes les Fontaines genießt Herbert Moser nun gemeinsam mit Sophie den Ruhestand. Die beiden Vereine, denen er vor Ort angehört, sagen viel über seine Leidenschaften: Es sind der Kunst- und der Radfahrverein. Und von seinen beeindruckenden Leistungen im Rennradfahren konnte ich mich schon vor Ort  überzeugen – kein Wunder, wenn man den Tour-de-France-erprobten Mont Ventoux als Trainingsstrecke direkt vor der Haustüre hat.
 
Die enge Beziehung zu Tuttlingen hat Herbert Moser auch im Ruhestand nicht aufgegeben. Und bei seinen regelmäßigen Besuchen im Rathaus freue ich mich immer über die Begegnungen mit einem Mann, der über Jahrzehnte Tuttlingen nach innen und nach außen mit geprägt hat:
  • Als aktiver Kommunalpolitiker, der in 40 Jahren Ratsarbeit als kreativer Ideengeber, Ratgeber und Mitstreiter bei vielen Projekten wirkte
  • Als Landespolitiker mit engem Bezug zu seiner Heimat, der in den verschiedensten Positionen viel für Tuttlingen erreicht hat
  • Als erfolgreicher Sport, der schon früh ein Aushängeschild unserer Stadt war und den Ruf Tuttlingens als Sportstadt weit hinaus trug.
Ich freue mich daher, Herbert Moser heute das Ehrengeschenk der Stadt Tuttlingen überreichen zu dürfen.