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Redensammlung

Verleihung Kannitverstan an Herwig Klingenstein - Donnerstag, 7. Oktober 2021 – 17 Uhr in der Angerhalle Möhringen


Meine sehr verehrten Damen
und Herren,

ich begrüße Sie zu einer Festsitzung des Tuttlinger Gemeinderates, die aus naheliegenden Gründen heute in der Angerhalle in Möhringen stattfindet.

Eröffnet wurde sie vom Klavierduo Anna und Laura Motz – zwei junge Musikerinnen unserer Musikschule, die schon mehrere Wettbewerbe gewonnen haben.

Ich freue mich, dass ich zu dieser außerordentlichen Sitzung des Gemeinderates neben den Stadträtinnen und Stadträten sowie unserem Ersten Bürgermeister Emil Buschle zahlreiche weitere Gäste begrüßen darf.

Einziger Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung ist die Verleihung des Ehrengeschenks „Kannitverstan“ an Herwig Klingenstein – einen Mann, der diesem Gremium ja selber 43 Jahre angehörte, und der zuvor bereits ein Jahr Mitglied des letzten Möhringer Gemeinderates war.

Das Ehrengeschenk ist die höchste Auszeichnung, die die Stadt vergibt und somit unser wichtigster Preis. Ich freue mich, dass heute viele von denen gekommen sind, die wir in den letzten ebenfalls ausgezeichnet haben.

Ich begrüße

-unsere Kulturpreisträger Siegfried Burger und Günter Hermann

-unseren Sozialpreisträger Dr. Frieder Böhme sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Ökumenischen Initiative Nachtlager sowie des Frauenhausvereins

-unseren Sportpreisträger Wolfgang Wuchner

38 Jahre war Herwig Klingenstein auch Mitglied des Möhringer Ortschaftsrats, für zehn Jahre bekleidete er außerdem das Amt des Möhringer Ortvorstehers. Ich freue mich daher, all diejenigen zu begrüßen, die diese Ämter heute bekleiden und somit die Arbeit von Herwig Klingenstein fortsetzen.

Ein herzliches Willkommen an den Möhringer Ortsvorsteher Günther Dreher – und natürlich auch seinen Nendinger Amtskollegen Franz Schilling – sowie an alle Mitglieder des Möhringer Ortschaftsrates.

Ich begrüße alle persönlichen Freunde, Weggefährten, Verwandten und Familienangehörigen von Herwig Klingenstein, allen voran Vera Klingenstein, allgemein als „Frau Klingenstein“ bekannt – und last not least natürlich unseren heutigen Ehrengast selber – Herwig Klingenstein.

Meine Damen und Herren,

heute ist ein besonderer Tag: Herwig Klingenstein steht im Mittelpunkt eines Festes – eines Festes, das für ihn ausgerichtet wird, ein Fest, bei dem er selber zu Gast ist.

Im Falle Herwig Klingenstein muss man das extra betonen – denn es dürfte vermutlich keinen zweiten  Menschen in Möhringen – vermutlich sogar in ganz Baden - geben, der so oft und so intensiv als Gastgeber gewirkt hat wie er.

Mein Kollege Emil Buschle wird nachher Leben, Werk und Wirken von Herwig Klingenstein in der gebührenden Form  würdigen – ich möchte aber ein paar Dinge betonen, die mich persönlich besonders an ihm beeindrucken – seine Gastfreundschaft ist einer dieser Punkte.

Vermutlich gibt es nur wenig Menschen, mit denen Herwig Klingenstein im Laufe der Jahre zu tun gehabt hat, die nicht irgendwann bei ihm zu Hause zu Gast waren. Sein Wohnzimmer in der Konzenbergstraße dürfte einer der bekanntesten Räume in Möhringen sein – vermutlich bekannter und intensiver genutzt als das offizielle Dienstzimmer des Ortsvorstehers in Möhringer Rathaus.

Wer bei ihm zu Gast ist, der wird verwöhnt – und zwar mit Wein aus den unerschöpflichen Privatbeständen von Herwig Klingenstein. Er ist der einzige mir bekannte Privatmann, der gleich drei Weinlager sein Eigen nennt – in der Konzenbergstraße, in der Mittelgasse und im Naturfreundehaus. Und vermutlich könnte man ihn auch mitten in der Nacht aus dem Tiefschlaf reißen – und bekäme trotzdem eine korrekte Antwort auf die Frage, welche Abfüllung aus welcher Lage in welchem Regal liegt.

Ein Großteil seiner Bestände stammt aus der Wachau – seiner zweiten Heimat, seinem Rückzugsort. Und für das Ferienhaus, das er dort besitzt, gilt das Gleiche wie für sein Möhringer Haus: So ziemlich jeder, den er kennt, war dort schon mal zu Gast – inklusive der geschätzt halben Einwohnerschaft von Battglia, Bex und Bischofszell.

Bis heute gibt mir Herwig Klingenstein Rätsel auf. Die größte Frage: Wie schafft ein Mensch dieses Pensum? Wie schafft man es, als gelernter Maurer einen Estrichbetrieb aufzubauen, über viele Jahre erfolgreich zu führen, nebenbei das Naturfreundehaus zu managen, zwischendurch auch noch in die Reisebranche einzusteigen,  nebenbei die Firma Eisen Mattes inklusive Heizölvertrieb zu übernehmen – und sich dann auch noch in den unterschiedlichsten Funktionen für die Allgemeinheit zu engagieren, nicht zuletzt als Zunftrat in der Narrenzunft?

Sicher – einen großen Verdienst hat hier seine Ehefrau Vera Klingenstein - „Frau Klingenstein“, wie er immer sagt. Deshalb   gilt die heutige Ehrung auch ihr. Und bei Herwig Klingenstein selber kamen und kommen einige besondere Eigenschaften zusammen.

Da ist zum einen eine außergewöhnlich gute Konstitution. Noch vor ein paar Jahren erlaubte sie es ihm, nach Ortschaftsratssitzungen bis in die frühen Morgenstunden an Nachsitzungen teilzunehmen – und trotzdem wieder pünktlich morgens zur nächsten Baustelle zu fahren.

Das alleine ist aber nicht alles: Bei Herwig Klingenstein kommen noch zwei andere Faktoren zusammen: Eine enorme Begeisterungsfähigkeit und ein außergewöhnliches Pflichtbewusstsein. Wenn er sich für eine Aufgabe entscheiden hat, dann zieht er sie durch – wie zum Beispiel die Betreuung des Naturfreundehauses oder auch die Möhringer SPD. Bei letzterer macht er übrigens in diesem Jahr das halbe Jahrhundert an der Spitze des Ortsvereins voll. Herwig Klingenstein stand immer voller Überzeugung und Herzblut zu seiner Partei – auch in Zeiten, in denen von einem Scholz-Effekt noch lange nichts zu spüren war.

Mit dieser Beharrlichkeit, dieser Verlässlichkeit und Konsequenz erklärt sich auch sein politischer Werdegang in Möhringen. Er war immer geprägt von einem harten Ringen um die beste Entscheidung. Dies gilt besonders für die Frage, die auch für ihn persönlich zu einer Art Schicksalsfrage werden sollte: Die Diskussion um die Erweiterung von Gänsäcker – oder, wie es heute heißt: DonauTech.

Hier war Herwig Klingenstein für die Verwaltung über viele Jahre ein nicht immer einfacher aber außerordentlich fairer und verlässlicher Gesprächspartner. Ein Partner, der Argumenten zugänglich war. Der bereit war, zuzuhören. Und der vor allem immer das Wohl Möhringens, des Städtles, vor Augen hatte.

Vor diesem Hintergrund war er auch bereit, sein sein eigenes Urteil zu überdenken und dazu auch offen zu stehen. Für die gemeinsame Fortentwicklung von Tuttlingen und Möhringen hat er sich so bleibende Verdienste erworben – auch wenn es ihm leider die Wählerinnen und Wähler letztlich nicht honorierten. Und auch hier blieb er konsequent. Als er jüngst die Gelegenheit gehabt, als Nachrücker wieder in den Ortschaftsrat einzuziehen, lehnte er dies ab.

Lieber Herwig Klingenstein,

Du gehörst zu jenen, die die Eingemeindung Möhringens nicht nur erlebten, sondern auch als Gemeinderat aktiv mitgestalteten.

Du hast im Laufe der Jahrzehnte viele Projekte in Möhringen miterlebt und mit begleitet, von der Erschließung Gänsäckers über den Bau der Angerhalle bis zur Ortskernsanierung.

Du bist einer, der erkannt hat, dass es nichts bringt, Möhringer Interessen und Tuttlinger Interessen als Gegenteile zu betrachten und gegeneinander aufzurechen.

Du gehörst zu denen, die das Gemeinsame von Stadt und Städte erkannt und weiter entwickelt haben.

Du bist das lebende Beispiel, wie man einerseits die Möhringer und badische Mentatlität leben kann, gleichzeitig sich aber auch  als Teil des württembergischen Tuttlingen fühlen kann.

Durch all das hast Du Dir Verdienste für Möhringen und Tuttlingen, für die Gesamtstadt und für uns alle erworben.

Daher freue ich mich, Dich heute mit dem Ehrengeschenk der Stadt, dem Kannitverstan, auszuzeichnen.