Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2015 der SPD&IT-Fraktion von Herrn Hellmut Dinkelaker
Der Gesamthaushalt der Stadt Tuttlingen für 2015 schien ein ordentlicher, solider, im Vergleich mit manchen anderen Städten sogar sehr guter Haushalt zu werden, mit hohen Investitionen, die zum großen Teil aus eigenen Mitteln finanziert werden können, mit starkem Personalhaushalt insbesondere bei Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, mit guten mittelfristigen Ansätzen bei der Sanierung und Werterhaltung städtischen Eigentums im Hoch- und Tiefbau und bei nur geringfügigen Neuschulden. Bei einem Gespräch der Fraktion mit dem Kämmerer gab es höchstens Sorgenfalten wenn es um die hohen Finanzausgleichsabgaben ging, die wir bei so guten Steuereinnahmen leisten müssen.
Dann, so heißt es einer städtischen Pressemitteilung, musste der VFA angesichts überraschender Einbrüche bei der Gewerbesteuer „die Notbremse ziehen“.
Vielleicht ist dieses Bild von der Notbremse etwas überzogen, aber immerhin wurden wir alle daran erinnert, dass unsere Stadt, die teilweise Funktionen eines Oberzentrums erfüllt und sich in vielen Bereichen weit über das ihrer Einwohnerzahl von 33.000 entsprechende Maß finanziell engagiert, auf der Einnahmeseite einen hohen Unsicherheitsfaktor zu gewärtigen hat. Plötzlich brechen etwa 3 Millionen Euro Gewerbesteuer weg und man muss innerhalb von wenigen Tagen reagieren. Vielleicht wäre es auch möglich gewesen, einen Nachtragshaushalt dann irgendwann im nächsten Jahr zu beschließen. Aber der Weg, den der Vorsitzende gewählt hat, insbesondere über globale Kürzungen und Verschiebungen von Investitionen gleich zu beraten und zu beschließen, war wohl der richtige und verträglichste. Der heute aktuelle Haushaltsplan bleibt trotzdem solide und die Stadt kann das meiste von dem leisten, was die Bürgerinnen und Bürger in der Stadt und im Landkreis von ihr zu Recht erwarten.
Trotzdem dürfen wir diesen Weckruf nicht wieder vergessen. Wir sollten in einer neuen Runde der Haushaltstrukturkommission im Frühjahr darüber beraten, wie die städtischen Finanzen in den kommenden Jahren kalkulierbar bleiben und wie wir die notwendigen und wünschenswerten Aufgaben erfüllen können, auch wenn einzelne Gewerbesteuerzahler schwächeln sollten. Der Finanzbürgermeister hat ausdrücklich gesagt, dass es dort dann keine Tabus geben wird und dass man etwa auch über die Möglichkeit einer Anpassung der Gewerbesteuer beraten werde.
Wir stehen jetzt bei etwa 31 Mio € Gewerbesteuereinnahmen, weitere etwa 17 Mio kommen aus der Einkommenssteuer, etwa 4.5 Mio aus der Grundsteuer, wo wir dem Antrag zu einer leichten Anhebung um 280.000 € zugestimmt haben, von 1.7 Mio € aus der Vergnügungssteuer und aus weiteren Steuern und Abgaben.
Der wahrscheinlich einzige Posten auf der Einnahmeseite, für dessen langfristige Stabilisierung und vielleicht Erhöhung wir etwas tun können, ist die Einkommensteuer: wir brauchen genügend Wohnungen, damit mehr Menschen nach Tuttlingen ziehen, die bisher pendeln. Wir brauchen überhaupt mehr Zuzug, von Fachkräften, von Familien, von Menschen, die hier arbeiten und wohnen und etwas unternehmen wollen. Der Wohnungsmarkt scheint in Tuttlingen schlechter als anderswo zu funktionieren. Hier sind neue Strategien gefragt, wie man das lebhafter und erfolgreicher managen kann. Die Programme mit Bauzuschüssen für Familien, die in der Innenstadt und in den Ortsteilen bauen wollen, sind gut und könnten helfen. Ein Baulücken-management muss in Gang kommen, nachdem wir aktuell jetzt Zahlen und Fakten dazu bekamen. Die Förderung von Tauschprogrammen „Alt tauscht mit Jung“ ähnlich dem „Jung kauft alt“ gehört dazu. Die Tuttlinger Wohnbau baut die Tuttlinger Höfe fertig, die Pläne für einen Neubau von günstigen Wohnungen in der Stuttgarter Straße liegen derzeit aus, Sozialwohnungen werden neu gewonnen oder saniert.
Das im Masterplan vorgezeichnete Engagement der Wohnbau im östlichen Teil der Innenstadt an der Donau und Richtung Industriegebiet muss nach unserer Meinung forciert werden. Familien, die nach Tuttlingen kommen oder hier bleiben wollen, brauchen Kinderbetreuungsmöglichkeiten und gute Schulen. Das ist in Tuttlingen auf gutem Wege und auch in diesem Haushalt abgebildet, im hohen Personalstand für Krippen und Kindertagesstätten und Ganztagesbetreuung und für die Schulen, auch die Investitionen in die Hardware hier werden vorangetrieben, was uns sehr wichtig ist.
In Nendingen und Möhringen insbesondere werden Krippenplätze gebaut, in der Kernstadt gibt es zur Zeit wohl genügend Krippenplätze und eine Flexiblisierung der Betreuungszeiten ‚Unter 3 und Über 3’ wird, wo notwendig und machbar, auch entwickelt, möglicherweise aber auch bei stärkerer Beteiligung der interessierten Eltern.
Die Sanierung der Naturwissenschaften des Immanuel-Kant-Gymnasiums kommt in Gang, dringend notwendig, wenn wir im Weltzentrum der Medizintechnik jungen Leuten Wissen und Fertigkeiten vermitteln wollen, die sie dann an der Hochschule und im hoffentlich kommenden Innovations-zentrum weiter ausbauen sollen. Ob zur Finanzierung der Maßnahmen an den Gymnasien die mittelfristigen Finanzen ausreichen oder ob wir Steuermehreinnahmen dazu brauchen oder ob der vom Vorsitzenden entwickelte Bildungspakt mit der Industrie dazu verhelfen kann, werden wir in den nächsten zwei Jahren sehen und entscheiden. Die Weiterentwicklung der Schulen zu Ganztagesschulen ist im Gange, nicht so schnell, wie manche Schulen das vielleicht bräuchten, aber wir sind dran. Die Gemeinschaftsschule Wilhelmschulemit 84 Anmeldungen kommt vorwärts. Neue pädagogische Konzepte und eine bessere individuelle Förderung für Kinder und Jugendliche entsprechend ihren Begabungen kostet Geld, weshalb gerade am Anfang diese Schule massiv unterstützt werden muss. Das ist auch der Landesregierung wichtig, indem sie den doppelten Förderbetrag pro Schüler zahlt zu den herkömmlichen Schularten. Diese Anschubfinanzierung ist notwendig und keineswegs ungerecht gegenüber den anderen Schularten, wie der neue Oppositionsführer im Landtag in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung gesagt hat. Auch er würde die Gemeinschaftsschulen nicht wieder auflösen, sondern kann froh sein, dass diese neuen Schulen gerade im ländlichen Raum bisherigen Schulstandorten eine Zukunft geben und – nach 60 Jahren Dreigliedriges Schulsystem – endlich ein neuer Weg versucht wird, den heutigen und zukünftigen Schülern und ihren Familien gerecht zu werden, ohne das alte System abzuschaffen.
Die städtische Jugendarbeit kommt über zwei neue Stellen in der mobilen Jugendarbeit wieder vom Fleck, unsere beiden jungen Fraktionskollegen Klein und Rothfuss sind hier aktiv geworden und bleiben dran.
Integration ist ein ganz breites Aufgabengebiet in der Stadt, das uns wichtig ist. Hier gibt es neben der bisherigen Arbeit jetzt neue Herausforderungen mit Flüchtlingen, denen wir in der Stadt erstmal Sicherheit und Obdach und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen wollen, die wir aber auch brauchen als neue Bürger, die arbeiten und leben wollen in der Stadt. Der Oberbürgermeister und die Verwaltung sind hier – das sei ausdrücklich und anerkennend erwähnt – auf einem guten Weg, wenn kommunale Immobilien als Unterkünfte erschlossen werden und wenn sie die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Betreuer bei ihrer schwierigen Arbeit unterstützen. Die Integration derer, die hier bleiben, die arbeiten und Teil der Gesellschaft werden wollen, ist eine ganz wichtige Aufgabe der nächsten Jahre.
Und wir müssen realisieren, dass es Mitbürger gibt, die angesichts der paar hundert Flüchtlinge und der Mitbürger mit Migrationsbiographie um ihre Identität fürchten. Auch hier werden sich Stadt und Bürgergesellschaft engagieren müssen, damit wir keine Dresdner oder bayerische Verhältnisse bekommen. Unsere deutsche Identität ist längst im täglichen Leben, im Konsum, in der Kommunikation und in den Reisegewohnheiten eine multikulturelle. Das tut uns gut, es bereichert unser Dasein und stärkt uns als Deutsche in Europa!
Dieser Komplex ‚Kinder- Schule – Bevölkerungsentwicklung– Integration’ wird aus unserer Sicht im vorliegenden Haushalt gut abgebildet und findet unsere Zustimmung und Unterstützung.
Diesem Komplex gegenüber steht die große Zukunftsaufgabe „Sanierung und Werterhalt städtischen Eigentums und Investition in Einrichtungen der Daseinsvorsorge.
Mit diesem Haushalt schaffen wir ansatzweise vielleicht ein Drittel der Aufgaben in dieser Richtung. Das Feuerwehrmagazin wird gebaut,
Gebäude, Straßen, Plätze und Kanäle können saniert werden, immer weniger und nicht so schnell wie es wünschenswert wäre, aber immerhin. Bundesfinanzminister Schäuble versprach dieser Tage eine 10 Milliarden-Spritze für die Republik, wir sind gespannt, ob etwas bei uns ankommt. Mit Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid und mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Landtag Claus Schmiedel konnten wir neulich das Thema Sanierungsstau besprechen und auch den Wunsch, die Tuttlinger Hochschule als Landesaufgabe anzunehmen. Eigentlich sollte in einem doppischen Haushalt die Hochschule als städtisches Gebäude vorkommen, jedenfalls in Form von Abschreibungen. Das würde dann die Kosten realistischer machen. ‚Fresh Money’ versprach der Finanzminister. Schaunmermal. Die Botschaft scheint jedenfalls angekommen zu sein.
Zu den Aufgaben, die die Eigenbetriebe ‚Hallen’ und Stadtwerke wahrnehmen, will ich hier nicht näher eingehen; die ‚Baustellen’ sind bekannt und werden planmäßig bearbeitet und optimiert; so manches gute und sinnvolle Projekt wie Windkraft, schnelles Internet, Galerieanbau, Medizintechnik-Museum, kann jetzt nicht angepackt werden, steht aber auf der Agenda.
Wir konnten bei den Haushaltsberatungen also immerhin etwa 3 Mio € einsparen oder verschieben, manches Mal schmerzlich und in wenigen Fällen auch kontrovers. Aber im Großen und Ganzen sind die Ergebnisse der Beratungen tragbar und werden von uns mitgetragen, wir stimmen zu.
Wir danken der Verwaltung für die gute Arbeit und den Einsatz, oft bis an Belastungsgrenzen!
Es gilt das gesprochene Wort.
Hellmut Dinkelaker, Fraktionsvorsitzender
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