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Fraktionsmitteilung

Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2012 der SPD-Fraktion von Herrn Hellmut Dinkelaker


Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

Der Haushalt für dieses Jahr ist ein Haushalt, der aufatmen lässt, der zuversichtlich macht und der gleichzeitig – insbesondere was die mittelfristige Finanzplanung angeht – uns alle sehr vorsichtig und nüchtern in die nähere Zukunft planen lässt.

Das Aufatmen geht durch viele Bereiche:
endlich können wir im Bildungsbereich das anpacken, was wir viele Jahre wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht finanzieren konnten: den Ausbau der Hermann-Hesse-Realschule, dringend notwendig;
der Kindergarten Maria Königin kann durch einen Investitionskostenzuschuss befördert werden,
Krippenplätze können – auch dank der entscheidend erhöhten Betriebskostenzuschüsse durch die neue Landesregierung – ausgebaut werden,
in Möhringen geht es bei der Sporthalle vorwärts, im Sinne des Sports und der Jugend.
Aufatmen können die Schulen insgesamt, die in ihrem Etat zweimal 10% einsparen mussten in den letzten Jahren; dies wird wieder zurück genommen.

Aber auch die Planung des Feuerwehrgerätehauses wird konkret,
der Ansatz für die Instandhaltung des städtischen Vermögens, also für Gebäude-, Anlagen- und Straßenunterhaltung wird deutlich erhöht,
es gibt ordentliche Finanzmittel für die Innenstadt, einmal in Richtung Süden mit dem Union-Areal und der Stockacher Strasse und dann in Richtung Westen mit dem Birk-Areal.

Im neuen Wohngebiet Thiergarten wird kräftig und folgerichtig erschlossen und – hoffentlich bald – Wohnungsbau beginnen.
Eine Moschee in der westlichen Innenstadt scheint nun realistisch, die Stadt kann mit Know-How und mit Sanierungsmitteln helfen, dass die unhaltbare Situation in der Möhringer Strasse endlich beendet wird.

Auch im Personalhaushalt konnten dringend notwendige Stellen wieder besetzt  und können die erforderlichen berechtigten Höhergruppierungen ausgesprochen werden.

Aufatmen auch was die städtischen Schulden angeht:  die Stadt muss sich nicht neu verschulden und es können sogar Schulden abgebaut werden.

Der Masterplan-Prozess mit Hilfe des Büros Albert Speer&Partner geht in seine entscheidende Phase, es sind für dieses Jahr schon Mittel im Haushalt, damit man gleich mit Maßnahmen beginnen kann, wenn dann im Mai der Plan steht. Unsere Stadt hat hier die Chance auf Erneuerung und Verbesserung durch die Expertise von kundigen Fachleuten von außen.

Dies alles ist möglich vor allem, weil sich die Gewerbesteuereinnahmen  wieder gut erholt haben, weil die Situation bei den Umlagen und bei den Ausgleichszahlungen – bemessen am schlechten Jahr 2010 – für dies’ Jahr günstig sind, weil durch die Zuschüsse vom Land auch eine Entspannung bei den Kosten eintritt.

Aber diese guten Steuereinnahmen sind trügerisch: wir wissen jetzt schon, dass dies im Großen und Ganzen ein Einmaleffekt ist, dass wir in den nächsten Jahren davon wieder zurückzahlen müssen und dann wieder auf eine Nettoinvestitionsrate von 3-4 Mio E zurückfallen.

Wir wissen nicht, ob und wie sich die Zinsen auf dem Kreditmarkt erhöhen, wenn in Europa sich die Eurokrise verschärft, wir können davon ausgehen, dass sich Energie- und Rohstoffpreise weiter erhöhen, dass Löhne und Einkommen kräftig ansteigen werden müssen um die über viele Jahre sehr moderaten Lohnabschlüsse der Tarifpartner, zum Teil unterhalb der Inflationsrate, endlich auszugleichen und damit den Binnenmarkt anzukurbeln.

Schon die neueste Entwicklung im Birk-Areal zeigt, wie wackelig manche Planung ist, die eigentlich schon in trockenen Tüchern war.

Endlich hat die Verwaltung eine Übersicht ausgearbeitet über die in den nächsten Jahren anstehenden Instandhaltungskosten kommunaler Gebäude. Hier stehen unsere Hausaufgaben für die Zukunft: etwa 56 Mio E wird die -vor allem auch energetische- Instandhaltung des Eigentums kosten, IKG und OHG allein schon fast 20 Mio E, die Alte Festhalle und das Heimatmuseum, um nur wenige zu nennen, werden uns viel Geld kosten und man kann nicht viel länger warten.
Und für den Tiefbau steht so eine Studie noch aus…

Hoffnung und Zuversicht trotzdem: die Wirtschaft wird, so sagt IHK-Präsident Teufel voraus, dieses Jahr immerhin noch um 1.5% wachsen, die Arbeitslosigkeit ist bei 3%, der Fachkräftemangel ist ein leichter zu kurierender Mangel als Arbeitsplatzmangel in einer Rezession.
Die Qualität und Krisenfestigkeit der meisten Exporte, die aus Tuttlingen in über 120 Länder der Welt gehen, ist so, dass man stolz sein kann und zuversichtlich, was die Zukunft der Arbeitsplätze in der Stadt angeht.
Daimler will in der Nachbarschaft investieren, man kann annehmen, dass dabei auch für die Stadt positive Effekte wirksam werden.

Was bei diesen positiven Aspekten aber mit aller Deutlichkeit zu vermerken ist, ist die Tatsache, dass die öffentlichen Haushalte nicht in dem Maße an den Gewinnen der Privatwirtschaft teilhaben, wie es gerecht und ausgewogen wäre. Wenn der größte Betrieb für 60 Mio E investiert ist das zwar wunderbar für die Stadt und die Arbeitsplätze, aber Tuttlingen ächzt gleichzeitig – um nur ein kleines Beispiel zu nennen – unter dem schon lange notwendigen Bau eines neuen Feuerwehrzentrums und muss versuchen, die ursprünglich geplanten Kosten um eine oder zwei Millionen zu senken.

Und wenn ein weltweit einmaliges Besucherzentrum der Medizintechnik in der Nordstadt eingeweiht wird, ist man stolz als Tuttlinger Gemeinderat unter den Gästen aus aller Welt, aber man schleicht sich dann vorbei am Tuttlinger Heimatmuseum, das längst saniert oder besser anderswo und lebendig als Medizintechnik-Museum eingerichtet gehört, wofür die Stadt einfach kein Geld hat.
Diese Diskrepanz zwischen Magerkost bei den öffentlichen Mitteln und den starken Gewinnen in der Wirtschaft ist nicht gesund und wird nicht tragen. Und nicht alle Unternehmen bekennen sich, wie die beiden Großen, zu Tuttlingen, wo deren Kinder zur Schule gehen, wo ihre LKW die Straßen befahren und sie Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Dass eine Stadt immer erst auf Ausgabensenkung setzen muss, bevor sie an Steuererhöhung denkt, ist für uns klar. Wir werden mit Interesse hören, was uns die Haushaltskonsolidierungskommission im Frühjahr an ersten Erkenntnissen vorstellt, wo städtische Ausgaben dauerhaft reduziert werden können. Und wir werden angesichts der gigantischen Aufgaben in den nächsten Jahren allein für den Erhalt von städtischem Eigentum auch darüber nachdenken, wie die Einnahmenseite den öffentlichen Aufgaben angepasst werden kann.

Von den notwendigen Maßnahmen zur Energiewende, zur sozialen Integration nicht nur von Migranten, vom demographischen Wandel und dem, was eine Stadt hier verbessern kann, ist noch gar nicht die Rede.

Und nur kurz anschneiden will ich noch einige wichtige Aufgaben: weitere „Häuser der Familie“; die sensible Instandsetzung des ehemaligen alten Friedhofs als Park der Bürger an der Stelle, an der Tuttlingen entstand; die Möglichkeiten, die der Kauf des kaputten Kiosks am Stadtgarten und die der Park bieten.
Die Hochschule braucht in naher Zukunft weitere Investitionen, hier muss die Stadt gemeinsam mit dem Land, dem Landkreis und der Wirtschaft tragbare Lösungen finden. Dass es die Hochschule gibt in unserer Stadt ist – man kann es nicht oft genug betonen – eine bedeutende historische Leistung, zu der übrigens
auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende Herbert Moser und der gar nicht ehemalige Kollege Dieter Müller entscheidend beigetragen haben.

Zusammenfassend sagen wir Sozialdemokraten im Tuttlinger Gemeinderat:
die Lage ist viel besser, als wir meinen, viel ernster als wir ahnen, es kommt meistens anders als man denkt und morgen ist ein neuer Tag!

Wir stimmen dem Haushalt zu und bedanken uns für die gute Arbeit der Verwaltung,  mit Ihnen, sehr geehrter Herr Beck an der Spitze, dem neuen alten Oberbürgermeister, dem wir Glück wünschen und Schaffenskraft und Tatendrang für die nächsten 8 Jahre, mit den zwei Kraftzentren an ihrer Seite, wir danken unserem Kämmerer Herrn Keller und seinem Team, die die Hauptarbeit bei der Erstellung des Haushalts hatten und allen Damen und Herren im Rathaus, Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat und unseren kritischen und aufmerksamen Bürgerinnen und Bürgern für die guten Zusammenarbeit!

Es gilt das gesprochene Wort.

Hellmut Dinkelaker   Fraktionsvorsitzender