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Fraktionsmitteilung

Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2020 der SPD-Fraktion von Herrn Hellmut Dinkelaker


Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

für die SPD-Gemeinderatsfraktion kann ich sagen: wir stimmen dem Haushalt für 2020 zu, mit einem fröhlichen „Ja, aber…“
Bei einem HH-Volumen von über 143 Mio € und Gewerbe-Steuereinnahmen von etwa 39 Mio € können wir über 28 Mio investieren, vor allem in die Sanierung der Gymnasien, in Verkehrsinfrastruktur und für die Wirtschaft. Das ist weit mehr als letztes Jahr und richtig so, weshalb auch die Kreditaufnahme und  daraus folgend die Verschuldung pro Kopf auf über 1000.-€ noch tragbar, weil zukunftsgerichtet ist. Sanierungen beispielsweise, wie in der Kernstadt oder in Möhringen und die Umsetzung von Ortsentwicklungskonzepten in unseren Teilorten, aber auch der Ankauf von Flächen und Häusern sind Investitionen in die Zukunft.
Wir befinden uns ja in einer Art Goldenem Käfig, weil wir durch Transferleistungen und die vielfältigen Vorgaben von Land, Bund und EU nicht so frei ‚fliegen‘ können, wie wir wollten. Von 100 € Steuereinnahmen bleiben uns 25 € für die Stadt. Dafür können Kommunen, die nicht das Glück haben, so tüchtige Unternehmen und Mitarbeiter in ihren Mauern zu haben wie wir, mit Zuschüssen, die auch Tuttlingen erwirtschaftet hat, ihre Aufgaben erfüllen. Das ist auch gut so.
Es gibt Entwicklungen, Megatrends, die uns wie alle anderen Kommunen auch, vor zusätzliche Pflichtaufgaben stellen:
KiTas, Ganztagesbetrieb und alle Angebote, die die Stadt im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen macht, auch Schulsozialarbeit,  vieles eigentlich Landesaufgabe, sind weitgehend steuerfinanziert, wachsen rasant und führen zu Mehrausgaben, vor allem im Personalbereich. Unsere Einwohnerschaft wächst, mehr Kinder werden geboren, womit die Aufgaben der Kommunen wachsen, aber noch nicht gleichzeitig die Einnahmen. Und ein großer Prozentsatz der jungen Familien haben einen Zuwanderungshintergrund und/oder sind eher bildungsfern, was zu zusätzlichen personalintensiven Aufgaben in KiTas, Kindergärten und Schulen führt. ‚Viele Kinder‘ bedeutet, dass wir eine Zukunft haben, die aber jetzt mit großen Anstrengungen gestaltet werden muss.
Der Personalhaushalt der Stadt wächst weiter, um 8%, nicht nur durch die gerade beschriebenen Aufgaben in der Bildung und Erziehung, sondern auch durch wachsende Anforderungen in der Kernverwaltung, etwa bei der Digitalisierung. Einige von uns haben in der Digitalisierungs-Strategie-Kommission mitgearbeitet, wir haben herausgearbeitet, was möglich und nötig ist in einem digitalisierten Rathaus und am Ende hat sich das – wenig überraschend – in beantragten 4 neuen Stellen ausgewirkt. Davon sind jetzt immerhin 2 im Haushalt fest, wir hoffen, dass das erstmal ausreicht. Im Hoch- und Tiefbau brauchen wir weiteres Personal, sonst sind die riesigen Projekte zwischen Gymnasiumssanierung, Bahnhof, Brücken und Mobilität nicht zu stemmen. Die Digitalisierung der Schulen kostet die Stadt trotz Bundes- und Landesmitteln ordentlich Geld, aber wir sind dann, wenn die Schulen nach ihren Wünschen eingerichtet und ausgestattet sind, noch lange nicht da, wo z.B. Schulen in Thüringen (bei PISA immer ganz vorne), um nicht gleich Estland anführen zu müssen, bereits arbeiten, wo alle Schüler tablet-computer haben, wo Whiteboards wieder abgeschafft werden, wo sich die Schüler den Lehrstoff selbst aneignen – mittels tablets – und der Unterricht vorrangig aus Fragen und Übungen  besteht. Ob sich das bewährt, wird man dort sehen, wir sollten jedenfalls den Anschluss nicht verpassen. Und im Übrigen plant die jetzige Bundesregierung ab 2025 den Rechtsanspruch auf den Ganztagesbetrieb an Grundschulen. Darauf sollten wir uns vorbereiten.
Wir finden gut und richtig, dass mit dem Familienpass Plus jetzt mehr Familien ihre Kinder kostenfrei in den Kindergarten schicken können, aber wir bleiben dabei, dass der Kindergarten, die Kinderschule, gebührenfrei sein sollte, wenigstens das letzte Kindergartenjahr als Anfang der Schullaufbahn.
Uns ist wichtig, dass es das Programm für Bezahlbaren Wohnraum gibt, 200.000.-€ immerhin, aber wir wissen aus vielen Gesprächen, dass die Schaffung, also Bau und Sanierung von Bezahlbaren Wohnungen noch mehr gemeinsame Anstrengung braucht, von Stadt, Wohnbau und Privaten. Alle stoßen dabei allerdings auf Kapazitätsgrenzen und bei der Gewinnung von Wohnbauflächen leider auch auf private Egoismen. 
Wir finden gut, dass das Klimaschutzprogramm weiter ausgebaut wird, dass wir den Klimacheck jetzt bei jeder Gemeinderatsvorlage haben, aber wir ahnen alle, dass es eigentlich in diesem eher maßvollen Tempo nicht weitergehen kann, wenn wir unseren Teil für das Erreichen der ‚Unter 2 Grad‘ des Pariser Klimaabkommens beitragen müssen. Was mittlerweile sogar die Landes-CDU beschlossen hat, nämlich dass auf alle neuen öffentlichen Bauten Photovoltaik gebaut werden muss, sollten auch wir realisieren – da gibt es schon gute Absichtserklärungen, wir sind dabei.     Photovoltaik und Windkraft usw. nicht vernachlässigen, aber Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellentechnologie als Energie der nahen Zukunft fördern, das ist das Gebot der Stunde.  
Und wir freuen uns, dass man dies‘ Jahr 1.15 Mio € für den Radwegebau ausgeben wird und für nächstes Jahr noch hunderttausend mehr; damit verbessern wir die Sicherheit gerade für  junge Radler und wir fördern den Umstieg vom PKW, die Mobilität und auch die Gesundheit! Im übrigen gilt: Energiesparen ist die klima-effizienteste Vorgehensweise.
Mit diesem Haushalt beschließen wir Verpflichtungsermächtigungen für den Neubau des Rathausstegs, für DonauTech, wo uns durch die Altlastensanierung, die auf jeden Fall notwendig ist, hohe Kosten entstehen, und für die zu planende Fahrradstrasse zwischen Busbahnhof und Bodenseestrasse. Wir müssen vorbereitet sein, wenn die Gewerbesteuern weiter zurückgehen, sie sind bereits jetzt gegenüber der Schätzung vom Mai 2019 um 12% gesunken, aber es gibt keinen Grund zur Zurückhaltung bei nachhaltigen Investitionen, wenn die Kreditzinsen so günstig sind. Die ‚schwarze Null‘ sollte angesichts von immensen Aufgaben nicht das „11.Gebot“ sein, nicht für die Kommune und nicht für das ganze Land.
Wir bedanken uns bei der Verwaltungsspitze, beim Kämmerer und seinem Team und bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die gute Arbeit zum Wohle unserer Stadt!

Es gilt das gesprochene Wort

16.12.2019, Hellmut Dinkelaker, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion