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Fraktionsmitteilung

Haushaltrede zum Haushaltsplan 2023 der FDP-Fraktion von Herrn Dr. Herbert Spägele


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Beck, sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister und Herr Kämmerer Keller, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Generationen vor uns haben immer wieder Ihr Bestes getan, um funktionierende blühende Kommunen zu verwalten und zu gestalten. So hat

Günter Seipp, deutscher Ingenieur, Siemens-Direktor und -Standort-leiter Regensburg, Präsident des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie einmal die Anstrengungen zusammengefasst:

Die Architektur einer Stadt ist das Spiegelbild der Seele ihrer Bürger.

Betrachtet man heute den Haushaltsentwurf 2023 für die Stadt Tuttlingen und erinnert man sich an die Diskussion aus dem letzten Jahr, wurde unsere Situation nicht schlechter. Das Steueraufkommen brach nicht ein, es wuchs. So gesehen, hätte weder Gewerbesteuer noch Grundsteuer angehoben werden müssen. Auch im neuen Jahr ist die Stadt in der Lage, die anstehenden Auf-gaben zu bewältigen.

Die eher skeptischen Prognosen verkehrten sich ins Gegenteil. Den erwarteten Einbrüchen auf der Einnahmeseite standen plötzlich Einkommenszuwächse gegenüber.

Bedauerlich, auch wenn dieser Geldsegen aus dem Zuwachs an Zahlungen u.a. aus der  Gewerbesteuer sein mag, ist es aus Tuttlinger Sicht ein bitterer Zuwachs, bleibt von diesen Einkünften nur ein Viertel. Dreiviertel wandern als Ausgleichszahlungen in fremde Kassen. Der Fleiß unserer Bürger wird nicht belohnt, sondern finanziell wird er bestraft. Statt dessen werden andere Gemeinden in Form des Finanzausgleichs dafür belohnt.

Deshalb sei an dieser Stelle die ketzerische Frage erlaubt: ist es egoistisch, wenn nach der Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer die Frage

der Senkung dieser Steuern gestellt werden muss?

Natürlich wird sofort der Einwand kommen, dass die Stadt vor großen Herausforderungen steht:

  • Die Sanierung der Gymnasien belastet den kommunalen Haushalt noch stark. Die Entwicklung der Baukosten, die Verfügbarkeit der Handwerker, Inflation und Zinsbelastungen, Lieferkettenprobleme sind nicht prognostizierbare Größen.
    Diese Annahmen sind gleichzeitig richtig und falsch. Das Szenario einer weiter fortschreitenden Inflation ist aus Sicht vieler Ökonomen ein zeitlich befristetes Phänomen, was zwar bei den Kommunen auf der Ausgabeseite zu erhöhten Mehraufwendungen führt, durch Phänomene wie kalter Steuerprogression die Einkünfte-Situation der Kommunen spürbar verbessert.
  • Auch der Bau des Rathaussteges wird den Haushalt belasten. Dank kluger Nutzung von Fördergeldern - hier ein Lob an die Stadtverwaltung -, aber nur in einer Höhe, die aus Sicht der Bürgerschaft wünschenswert ist. Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen muss in einem positiven Verhältnis stehen.
  • Der Forst: Nimmt man exemplarisch noch als dritte Großinvestition für das Jahr 2023 den Bau der Trocknungsanlage für Hackschnitzel in die Analyse auf, so unterscheidet sich diese gravierend von den beiden oben genannten Positionen: Zielsetzung ist die wirtschaftliche Stärkung der Stadt im Rahmen der Daseinsvorsorge und die proaktive Nutzung des Wirtschafgutes Wald.
    Tuttlingen hat die Chance, seinen Waldbesitz neu zu verstehen. Wald muss kein Zuschussgeschäft sein. Wird der angedachte Weg, den Wald unter ökologischen, ökonomischen und energetischen Gesichtspunkten zu sehen, konsequent verfolgt, sind Investitionen wie die Trocknungs-anlage für Hackschnitzel eine gewinnbringende Zukunftsinvestition, oder anders formuliert: Umwelterhaltung mit Intelligenz und Vernunft.

Abschließend vor dem Hintergrund dieses Haushaltes noch einen Ausblick in die Verwaltung und ihre Strukturen:

Die personelle Ausstattung der Stadtverwaltung ist auch weiterhin kritisch zu betrachten. Hier ist zwangsläufig zwischen Notwendigkeit und Unproduktivitäten zu unterscheiden:

  • Unstrittig sind die sozialen Mehraufwendungen für die Betreuung der Flüchtlinge, insbesondere der Kinder. Nachdem u.a. die weitere Entwicklung in der Ukraine unvorhersehbar ist, wird auch in Zukunft die personelle Situation beim Betreuungspersonal schwer planbar und wegen des engen Arbeitsmarktes eine Herausforderung sein.
  • Vor diesem Hintergrund sind ein Überdenken der Personalpolitik und das Implementieren modernen Personalmanagements zwingend. Gerade in Zeiten von Arbeitskräftemangel sind Maßnahmen zur Personalbindung zentral. Arbeitsunzufriedenheit und nicht geplante Personalfluktuation sind Kostentreiber extremsten Ausmaßes. Das Phänomen der „inneren Kündigung“ senkt die Arbeitsproduktivität, erhöht die Reibungsverluste bei den Arbeitsabläufen. Ein ähnliches Phänomen, was auch auftritt, wenn Stellen nach kurzer Zeit wieder neu besetzt werden müssen und die neuen Stelleninhaberinnen und –inhaber sich neu einarbeiten müssen und eingearbeitet werden müssen.

Eng mit dieser Fragestellung ist auch die Frage nach einer Effektivitätssteigerung der Verwaltung zu sehen:

  •  Zur weiteren Professionalisierung der Verwaltung zählt – wie in der Industrie üblich – das permanente Überprüfen und Verbessern von Arbeitsabläufen. Aus diesem Grund sollte aber nicht ausschließlich auf Beratungsunternehmen von außen gebaut werden, sondern das in der Verwaltung selbst existierende Know-How genutzt werden. Schlüssel hierfür ist die Implementierung eines eigenen Controlling, dessen Zielsetzung nicht nur die Überwachung der wirtschaftlichen Effizienz der Abläufe ist, sondern auch inhaltliche Effektivität der Verwaltung. Was heißt das? Sind die Vorgehensweisen in sich schlüssig, können doppelte Tätigkeiten vermieden werden, gibt es Reibungspunkte oder Inkompatibilitäten etc. - passt alles in ein Gesamtkonzept? Sollen Maßnahmen bereits jetzt eingeleitet werden, bevor eine Gesamtplanung existiert? Ist es immer im Interesse der Bürgerschaft sich sämtlichen Vorgaben zu unterwerfen, um möglichst viele Fördermittel abzugreifen?
  •  Damit sind dann die Voraussetzungen für weitere Maßnahmen einer digitalen Verwaltung gegeben. Wichtige Voraussetzung bleibt auch hier, bevor Abläufe digitalisiert werden, sind die Workflows zu überprüfen und ggf. zu modifizieren. Ebenso ist darauf zu achten, dass alle Maßnahmen, die den Bürger adressieren, von diesen auch genutzt werden können. Wir leben noch in Zeiten des Umbruchs. Technikaffin und von der Technik überfordert sind die beiden Leitplanken innerhalb derer die Digitalisierung im Umgang mit der Bürgerschaft stattzufinden hat. Werden breit gestreut digitale Fortbildungen angeboten oder genutzt ?

Was bleibt schlussendlich zu diesem Haushalt 2023 anzumerken:

  • Uns liegt ein ausgeglichener Haushalt vor, der sich an den wirtschaftlichen Realitäten unserer Stadt orientiert. Die vorhandenen Risiken „Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg“ sind nach heutigem Stand und vorsichtiger Einschätzung beherrschbar.
  • Die Sanierung der Gymnasien und der Ausbau regenerativer Energien sind klassische Zukunftsinvestitionen, einmal in Bildung, einmal in den Klimaschutz. Die FDP ist seit Jahren ein Mahner für beste, ja sogar für weltbeste Bildung. Gelingt es uns auch die anderen Investitionen auf ihre politische Rationalität zu überprüfen, d.h. ist eine Investition im Sinne der Bevölkerung und für unsere herrliche Kommune von Nutzen, dann wird die Arbeit der Verwaltung positiv wahrgenommen.
  • Solange wir nicht ausschließen können, dass der wirtschaftliche Druck auf Teile der Bürgerschaft nicht abnimmt, u.U. noch zunimmt, dürfen Entlastungen (Stichwort Grundsteuer, Gewerbesteuer) nicht ausgeschlossen werden, noch dazu da keine Schlüsselzuweisungen des Landes auf Grund des hohen Gewerbesteueraufkommens fließen.
  • Gelingt es, durch eine effiziente, effektiv arbeitende Verwaltung Einsparpotentiale auszuschöpfen, kann auch in Zukunft unsere Kommune ihren Aufgaben und Verpflichtungen gerecht werden.

Vor diesem Hintergrund stimmt die FDP diesem Haushalt zu.

Wir wünschen allen eine frohe Weihnacht und ein neues Jahr in Frieden, in der Hoffnung dass unsere nahe Zukunft, in den Händen von vernünftigen, diplomatieerfahrenen Politikern liegt, welche unseren Friedenskurs zu Erfolg führen mögen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Es gilt das gesprochene Wort.

12.12.2022,  Dr. Herbert Spägele, Stadtrat der FDP-Fraktion