Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2022 der FDP-Fraktion von Herrn Hans-Peter Bensch
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
von dem französischen Staatstheoretiker und Schriftsteller Baron de Montesquieu stammt der Satz (Ich zitiere)
Der Hauptpunkt einer guten Verwaltung ist leicht zu erfassen: Er besteht darin, die Ausgaben den Einnahmen anzupassen. (Zitatende) – Kurz – prägnant – und zutreffend!
Heute geht es um den städtischen Haushalt für das nicht mehr allzu ferne Jahr 2022. Aus der Tagespresse war zu entnehmen, dass ein zentrales Thema dieses Jahres die Erhöhung kommunaler Steuern und Abgaben der Stadt Tuttlingen sei. Dazu muss man wissen, dass das Regierungspräsidium Freiburg als Aufsichtsbehörde bereits seit etlichen Jahren auf die strukturellen Haushaltsprobleme der Stadt hinweist und deshalb eine Anpassung der Einnahmen als Voraussetzung für die Genehmigung unseres Haushaltes einfordert. Oberbürgermeister Beck hat dazu immer wieder darauf verwiesen, dass jährlich mindesten drei Millionen Euro im städtischen Haushalt fehlen. Hinzu kommt, dass Tuttlingen als sogenannte abundante Gemeinde eingestuft wird, deren Finanzkraft oder Steuerkraft höher als ihr Finanzbedarf ist, so dass sie keine Schlüsselzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich mehr erhält.
Wie im Eingangszitat beschrieben, muss man aber grundsätzlich beide Seiten des Haushalts betrachten: nämlich Einnahmen und Ausgaben.
Und die Ausgabenkritik, also die Überprüfung aller geplanten Aufwendungen der Gemeinde auf Notwendigkeit, Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit, kommt unserer Auffassung nach in Tuttlingen zu kurz.
So haben wir als einzige Fraktion im Gemeinderat einen Antrag gestellt, den kommenden Haushalt um 800.000 € Planungs- und Baukosten für die Verkehrsführung am Union-Areal zu streichen und erst später, wenn der Bedarf auch tatsächlich aktuell und erforderlich sein wird, einzuplanen.
Auf der anderen Seite haben wir als FDP-Fraktion einen Antrag gestellt, einen sogenannten „Pakt für Bildung“ mit der heimischen Bürgerschaft und unserer Wirtschaft zu schließen und den Gewerbesteuerhebesatz auf fünf Jahre befristet zu erhöhen. Hintergrund dazu ist u. a. die enorme Summe von rd. 64 Mio. € für die Sanierung beider allgemeinbildenden Gymnasien, deren Abschreibungen in Höhe von jährlich 1,8 Mio. € auf Jahre hinaus von der Stadt als Investor und Schulträger erwirtschaftet werden müssen.
Parallel dazu haben wir auch eine Befristung der Grundsteuererhöhung um 30 Punkte bis zum Jahr 2024 beantragt, da die in ihrer Auswirkung auf Hauseigentümer und Mieter noch völlig unbekannte Grundsteuerreform in 2025 zum Tragen kommen wird. Erst danach können wir erst einmal evaluieren, was sich für wen in welcher Höhe bei der Grundsteuer B ändert und ob eine Grundsteuer C kommen wird. Leider ist die Ratsmehrheit unseren beiden Anträgen nicht gefolgt und hat sie abgelehnt. Einer unbe-fristeten Erhöhung der kommunalen Steuern aber wollen und können wir in diesen krisengeschüttelten Zeiten nicht ohne Weiteres zustimmen.
Denn es gibt in diesen Tagen noch zu viele Selbständige und Gewerbetrei-bende, die von den coronabedingten Lockdowns wirtschaftlich stark be-troffen sind oder vor der Insolvenz stehen.
Das verschärfte europäische Medizinprodukterecht führt wegen zu teurer Zertifizierungskosten und Audits zu Konzentrationsprozessen und Betriebs-aufgaben von Medizintechnikunternehmen.
Selbst die „Verkehrswende“ hin zur batteriebetriebenen Elektromobilität kostet bereits jetzt etliche Arbeitsplätze bei den zahlreichen traditionellen Zulieferbetrieben in der Region.
Es ist allgemein bekannt, dass der Gemeinderat als Souverän jederzeit über Beibehaltung, Erhöhung oder Absenkung kommunaler Steuern autonom entscheiden kann. Insofern würden wir uns mit einer Befristung eben nicht in eine ungewollte Zwangssituation begeben.
Dies sieht im Übrigen die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg und die Handwerkskammer Konstanz in ihrem gemeinsamen Schreiben vom 3. Dezember 2021 zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen exakt genauso.
Von den Steuererhöhungen abgesehen werden wir dem Haushalt 2022 zustimmen, zumal viele Projekte bereits auf den Weg gebracht oder unmittelbar in Vorbereitung sind. Dennoch sehen wir nach wie vor die Notwendigkeit, zentrale Ausgabenbereiche des Haushalts konstruktiv-kritisch zu überprüfen. Allen voran der ausgabenintensive, immense Personalkostenbereich, der auch vom Regierungspräsidium als deutlich zu hoch bewertet wird. Nicht alles, was dort ausgegeben werden soll, ist für Außenstehende nachvollziehbar. Eine vom Gemeinderat beauftragte Organisationsuntersuchung eines professionellen und darauf spezialisierten Consultingunternehmens halten wir nach wie vor für sinnvoll und dringend erforderlich.
Und wir Liberale werden uns ferner auch weiterhin dafür einsetzen, dass das Thema Digitalisierung in der Stadt Tuttlingen nicht nur eine Worthülse bleibt, sondern als eines der zentralen Ziele für bürgerfreundliches Verwaltungshandeln und zur Reduzierung der Personalkosten deutlich weiter entwickelt und ausgebaut wird.
Bildung und Kultur haben für uns einen hohen Stellenwert. Auch die Schaffung bezahlbaren Wohnraumes steht im Focus, ebenso die städtebauliche Entwicklung der Stadt, u. a. am Hauptbahnhof und im Union-Areal.
Um einen letzten Punkt zu erwähnen, sei das Dauerthema ruhender und fließender Verkehr in der Stadt erwähnt. Hier legen wir großen Wert darauf, alle Formen der Mobilität gleichwertig zu behandeln und nicht, wie es andere tun, aus ideologischen Gründen z. B. das Auto zu diskriminieren und den Radverkehr als Non-Plus-Ultra herauszuheben. In diesem Kontext sei auch die Frage erlaubt, ob es stets teurer Gutachten von sogenannten externen Experten bedarf, wie z.B. zum Mobilitätsthema für aktuell 257.000 €, das nicht einmal konkrete Handlungsoptionen aufweist.
Zum Schluss danken wir der Verwaltungsspitze, den städtischen Mitarbeitern und den Mitgliedern des Gemeinderats für die respektvolle und gute Zusammenarbeit im ablaufenden Jahr. Auch den zahlreichen ehrenamtlich Tätigen gilt unser besonderer Dank. Allen zusammen und Ihnen allen, den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und ihren Stadtteilen wünschen wir frohe Weihnachten, ein gutes neues Jahr und bleiben oder werden Sie bitte gesund!
13.12.2021, Hans-Peter Bensch, Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion