Vorlesen

Fraktionsmitteilung

Haushaltsrede 2010 der LBU-Fraktion von Frau Petra Schmidt-Böhme


Mit dem Haushaltsplanentwurf 2010 hat die Verwaltung dem Gemeinderat einen Plan vorgelegt, der von immensen Einnahmeausfällen in den Bereichen Gewerbesteuern und Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer geprägt ist.
Dazu kommt, dass ausgerechnet in diesem, für die Stadt finanziell schwierigen Jahr, enorme Mehrausgaben bei den Finanzumlagen zu verkraften sind, weil diese jeweils 2 Jahre später, also in 2010 aus den besonders starken Steuereinnahmen des Jahres 2008 berechnet werden.
Die Schlüsselzuweisungen des Landes sinken. Aus Zuweisungen der mangelnden Steuerkraft bekommt die Stadt seit letztem Jahr und auch in diesem Jahr keinen Euro.
Die Kreisumlage steigt.
Die Rücklagen aus dem Verkauf der EnBW-Aktien werden durch eine letzte große Entnahme von 7,415 Mio Euro in diesem Jahr bis auf eine Restsumme von 121.000 Euro aufgebraucht.
Betrug die Netto Investitionsrate, also die freie Spitze für Investitionen im Vermögenshaushalt im Super-Einnahmejahr 2008 satte 18,47 Mio Euro, so sinkt sie in diesem Jahr auf ein Super-Negativ Ergebnis von minus 9,48 Mio Euro, wir werden neue Schulden im kameralen Haushalt von rund 12,08 Mio Euro aufnehmen müssen.
So werden wir eine Gesamtverschuldung im kameralen Haushalt zum 31.12.2010 von
16,96 Mio Euro, das entspricht 487 Euro pro Einwohner, erreichen.
Der Konzern Stadt Tuttlingen wird Ende 2010 mit allen seinen Eigenbetrieben insgesamt einen Schuldenstand von 50,67 Mio Euro aufweisen.

Erstmals erleben wir, dass wir eine negative Zuführungsrate zum Vermögenshaushalt haben, das heißt, die Stadt erwirtschaftet nicht die laufenden Kosten des Verwaltungshaushaltes. Wir müssen das alltägliche Verwaltungsgeschäft aus dem Vermögenshaushalt speisen, der ebenfalls nur durch die o.g. Kreditaufnahmen zu bestreiten ist. Das darf nicht so bleiben, wie ja in der mittelfristigen Finanzplanung bis ins Jahr 2012 prognostiziert.

Ohne eine Verbesserung der Einnahmen hätte das Regierungspräsidium den von der Verwaltung dort vorgelegten Haushalt 2010 nicht genehmigt.
Wir kommen nicht umhin, die Einnahmen zu erhöhen, gleichzeitig die Ausgaben zu verringern.
So hat unsere Fraktion sich in intensiven Vorberatungen entschieden, einer moderaten Erhöhung der Gewerbesteuern um 30 Prozentpunkte auf einen Hebesatz von 365 v. H., sowie einer Erhöhung der Grundsteuer B, ebenfalls moderat um 30 Prozentpunkte auf den Hebesatz von 330 v.H., wie von der Verwaltung vorgeschlagen, zuzustimmen.
Die Betriebe, die von der Erhöhung der Gewerbesteuer betroffen sind, konnten von der Steuerreform 2008 profitieren, die der Stadt im Jahr 2009 rund 7 Mio. Euro Gewerbesteuern weniger eingebracht hat.
Wir sind uns bewusst, dass wir in Tuttlingen von einem sehr hohen Einnahmeniveau herkommen und nun durch die Wirtschaftskrise sehr tief - sogar in rote Zahlen - fallen. Es ist immer einfacher, großzügig zu verteilen, als streichen zu müssen.
Wenn aber nichts zu verteilen ist, müssen alle dazu beitragen, einen finanzierbaren Haushalt zu erreichen. Es ist bitter, den Kürzungsvorschlägen von generell 20% im Verwaltungshaushalt zuzustimmen. Vor allen Dingen in den Bereichen Bildung und Soziales haben wir sehr genau hingeschaut.
So tragen wir an vielen Stellen schweren Herzens Kürzungen mit, haben aber doch durch unsere Anträge in den Haushaltsplanvorberatungen im VfA durchsetzen können, dass der Kinderschutzbund für seine engagierte Arbeit mit benachteiligten Familien keine Einbußen der Mittel hinnehmen muss. Auch unser Antrag, die Gutscheine für das TuWass in den Leistungen des Familienpasses zu belassen, wurde von den anderen Fraktionen mit unterstützt und konnten so erhalten werden – Ganz nach dem Motto „Alle Tuttlinger und Tuttlingerinnen sollen sich im TuWass bewegen können“.

Große Aufregung hat es durch die Pressenachricht in der Stadt gegeben, als der Gemeinderat mit knapper Mehrheit beschlossen hat, in 2010 kein Stadtfest zu veranstalten, beantragt wurde dies von der LBU. Die Kosten von vorgesehenen 55 000 Euro hätte das enge Budget dieses Jahr nicht hergegeben. Da muss auch kein Neid gegenüber Möhringen aufkommen, wo der ebenfalls um 20% gekürzte Ansatz von 23.900 Euro, für das Städtlefest, das schon immer im 2-jährigen Rhythmus stattgefunden hat, eingestellt wird. Wir sind zusammen mit den Stadtteilen eine Gesamtstadt und so kann das Städtlefest als ein Fest für die Gesamtstadt aufgewertet werden. In wirtschaftlich knappen Zeiten müssen wir enger zusammen rücken. Vielleicht gibt es ja auch in Zukunft dort Platz für Tuttlinger Vereine, falls der Gemeinderat sich entscheidet, das Tuttlinger Stadtfest abwechselnd mit dem Möhringer Städtlefest stattfinden zu lassen.
Für dieses Jahr ist durch die Aktivität verschiedener Tuttlinger Vereine jedenfalls ein guter Kompromiss gefunden worden, Ehrenamtliche bringen mit moderater Unterstützung des Bauhofes und des Ordnungsamtes ein eigenes, nun „Donaufest“ genanntes, Event auf die Beine.
Mit dem zugesagten Beitrag von 8000 Euro für Bauhof- und Ordnungsamtsleistungen, sowie mit dem bei der Stadt vorhandenem Equipment helfen wir den Vereinen gerne, das Donaufest auf die Beine zu stellen.

Wir glauben, es wird auch in den kommenden, vermutlich weiter eher finanzschwachen Jahren, unbedingt notwendig sein, dass viele Menschen in unserer Stadt sich wieder auf eigene Kräfte besinnen, eigene Ideen verwirklichen und die Stadt nur da hilft, wo die eigene Kraft nicht ganz reicht. Gute Netzwerke können da stark agieren. Wir erleben das zum Beispiel heute schon bei Veranstaltungen wie „Run and Fun“, einem engen Verbund verschiedener Sportvereine, bei der Neuformation von „ProTut“ im Verbund von Wirtschaft und Handel und im „Haus der Familie“ mit den Angeboten der christlichen Kirchen unter einem Dach.

Der Verwaltungshaushalt weist Personalkosten von 20,85 Mio Euro aus. Die Personalkosten sollen auf diesen Betrag in den kommenden Jahren festgeschrieben werden, was bei weiter steigenden Tariferhöhungen bedeutet, dass im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum ca. 20 Stellen abgebaut werden müssen.
Wir halten es für möglich, dass die Stadtverwaltung durch Fluktuation, Besetzung von frei werdenden Stellen durch vorhandenes Personal und genauester Prüfung jeder einzelnen freiwerdenden Stelle auf ihre Notwendigkeit, eine Verringerung der Personalkosten erreichen kann. Auch Doppelfunktionen müssen unter die Lupe genommen werden.

Kommen wir zum Vermögenshaushalt. Wichtige Vorhaben wie die Erweiterung der Hermann-Hesse-Realschule zur Ganztagsschule, die Beteiligung der Stadt an einem Neubau und Erweiterung des katholischen Kindergartens Maria Königin zur Kindertagesstätte, sowie der Neubau des Feuerwehrmagazins können derzeit nicht finanziert werden.
Gerne hätten wir diese wichtigen Projekte in den Jahren 2012 oder 2013 eingeweiht. Für den Neubau von Maria Königin, energetisch ist dieses Haus derzeit eine Katastrophe, hätte unsere Fraktion „Grünes Licht“ gegeben, wenn damit nicht die weitere Belastung des städtischen Personalhaushaltes verbunden wäre, nämlich 6 neu einzustellende Erzieherinnen, die dauerhaft zu 100% aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden müssten.

Ein wichtiges Signal ist für die LBU auch, dass die Mittel eingestellt wurden, um mit dem ersten Schritt zur Innenstadtentwicklung durch den Umbau der Wilhelmstraße noch in diesem Jahr zu beginnen. Wir meinen, auf den ersten muss in der Innenstadtentwicklung rasch der zweite Schritt folgen, hinein in die Bahnhofstraße. Die Sanierungsmittel für die westliche Innenstadt stehen uns seit 2004 zur Verfügung und dürfen keinesfalls verfallen.

Der dickste finanzielle Brocken im Vermögenshaushalt wird für Bau- und Erschließungsmaßnahmen in der neuen Nordstadt
ausgewiesen.
Alleine für den Bau der aus unserer Sicht in der Dimension als Gemeindeverbindungsstraße nicht notwendigen Russbergstrasse sind 1,45 Mio. Euro bis Ende 2012 veranschlagt. Künftige Bewohner der neuen Nordstadt, aber auch Menschen in der alten Nordstadt, sowie die Natur werden zukünftig unter dem Verkehr auf dieser Trasse zu leiden haben.
Dazu kommt ein weiteres, aus unserer Sicht unnötiges Straßenbauprojekt: Die Erweiterung der Stuttgarter Straße, die mit 450 000 Euro veranschlagt ist, wo nach unserer Einschätzung schon heute mit einem finanziellen Nachschlag zu rechnen ist.

So hat die LBU diesen beiden Projekten in der Vergangenheit nicht zugestimmt und dabei bleiben wir auch in Zukunft.
In der Nordstadt werden wir weiterhin jede Maßnahme unterstützen, die diesen, für die Bedürfnisse eines neuen Wohngebietes in der Nordstadt überdimensionierten Straßenbau noch verhindern oder begrenzen kann.
Mit einer angemessenen Erschließungsstraße würde man der Verwaltung und den Bewohnern der Nordstadt alt und neu viel Ärger mit neuen Schleichverkehren ersparen.
Wir haben lange überlegt, beraten und mit uns gerungen, ob wir diesem „straßenbaulastigen“ Haushalt zustimmen können.

Dieser Haushalt ist ein besonders schwieriger, wir tragen die Steuererhöhungen mit, wir tragen die Kürzungen auch im Bereich Umweltfördermaßnahmen und bei Bildungs- und sozialen Projekten mit, die uns am Herzen liegen. Wir sind froh, dass Sie noch einen Weg gefunden haben, die städtischen Stromverbräuche weiterhin mit dem Ökostrom der Stadtwerke zu speisen.

Wir springen über unseren Schatten und stimmen dem Haushalt 2010 trotz unserer vorher genannten Einwände zu.

Wir bitten die Stadtverwaltung und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen darum, unsere Zustimmung als ein Zeichen der Solidarität, des Zusammenhaltes in schwierigen finanziellen Zeiten zu werten und auch Wert zu schätzen.
Wir wünschen uns, dass Sie unsere Prioritäten, zum Beispiel den Ausbau des Radwegenetzes, einen vom Individualverkehr beruhigten und für den Öffentlichen Personennahverkehr funktional und sinnvoll gestalteten Bahnhofsvorplatz, ein wichtiger Stadteingang, eine wirklich vom Individualverkehr beruhigte Innenstadt in Zukunft als Chance für unsere Stadt wahrnehmen und uns bei entsprechenden Anträgen unterstützen werden.