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Fraktionsmitteilung

Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2011 der FDP-Fraktion von Herrn Thomas Engels


Von den VorrednernInnen sind alle relevanten Aspekte der Thematik des Haushaltsjahres 2010 – und zum Teil auch diejenigen der Folgejahre – ja bereits angesprochen worden.

Mir geht es darum, aus Sicht der FDP nur auf einige, uns allerdings besonders wichtig erscheinenden Teilaspekte kurz einzugehen.

Wir müssten die bereits etablierte Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger zum Thema „Haushaltskonsolidierung der Stadt Tuttlingen“ nutzen, um im Haushalt sinnvolle und nachhaltig wirksame Strukturverbesserungen vorzunehmen. Bei der anhaltend hohen Abhängigkeit der Darstellbarkeit des Haushaltes vom Volumen der Gewerbesteuerzahlungen ist eine konsequente Beachtung und Förderung der örtlichen Wirtschaft aus unserer Sicht dringend zu fordern.

Ein Beispiel an dieser Stelle: wäre es vielleicht eine Idee, bei der Konzeption eines lokalen Nah- und Fernwärmenetzes (Stichwort: Nordstadt) die lokalen Heizungsbauer mit einzubeziehen, eventuell auch in Form einer Kooperation der Stadtwerke mit dem örtlichen Handwerk bereits in einer frühen Planungsphase, wie es der Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg in seinen Musterverträgen empfiehlt.

Im Übrigen sieht die FDP-Fraktion in der Erweiterung des „Thiergarten“-Areals in der Nordstadt einen wichtigen städtebaulichen und vor allem auch ökologisch nachhaltigen Impuls der Stadt für junge Familien, die durch dieses Angebot umwelt- und verkehrspolitisch belastendes Ein- und Auspendeln in umliegende Schlafgemeinden vermeiden können. Dies möchten wir Liberale künftig noch ergänzen durch ein kommunales Konzept mit dem Arbeitstitel „Singles und Senioren in die Stadt, Familien ins Grüne“. Hierbei könnten durch entsprechende städtebauliche Maßnahmen innerstädtische Brachen für barrierefreies und senioren- und singlegerechtes Wohnen genutzt werden, insbesondere von älter werdenden Eigenheimbewohnern am Stadtrand, die ihr zu groß gewordenes Heim und den dazugehörenden Garten an junge Familien verkaufen und in die damit zu belebende Innenstadt ziehen könnten.

In Bezug auf die Gestaltung des Haushaltes auf der Einnahmeseite bleibt die FDP dabei, dass die Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch die Gewerbesteuer nicht einfach immer weiter erhöht werden darf, wie es einige aus der politischen Szene mehr oder weniger laut bereits wieder einfordern.
Vielmehr fordern wir die Verwaltung auf, uns die entsprechenden Daten über die Trends und die Entwicklung des Gewerbesteueraufkommens auch künftig – und wie ja bislang schon praktiziert – kontinuierlich vorzustellen mit der Überlegung, auch darüber nachzudenken, ob wir die kommunalen Steuern nicht irgendwann wieder auf das Niveau von 2008 absenken können.

Wenn es um das Thema „Sparen“ geht, sieht man sich zuerst einmal regelhaft mit dem Prinzip des Hl. Florian konfrontiert („bei mir nicht, gerne bei den anderen….); aber: es hilft leider gar nichts. „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ hat noch nie funktioniert….

Eine zentrale Botschaft war aus unserer Sicht der Kommentar des RP zum Haushalt 2009. Man hat dort in aller Deutlichkeit als Schwachstelle im Haushalt die im überregionalen Vergleich deutlich überdurchschnittlichen Ansätze der Personalkosten angesprochen!

Zweifelsfrei ist es nun so, dass hier in Tuttlingen eine überdurchschnittlich attraktive, überregional kaum vergleichbare Infrastruktur im Verhältnis zur Größe der Stadt mit 35000 Einwohnern – Stichworte: TuWass, Tuttlinger Hallen, Jugendmusikschule, Jugendkunstschule, Schülerbetreuung in den Ferien, um nur einige anzusprechen – angeboten und vorgehalten wird!

Spätestens in Zeiten enger werdender Haushaltslagen ist es aus unserer Sicht aber nicht nur legitim, sondern zwingend erforderlich, die Kostenstrukturen auch solcher Einrichtungen zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen!

Wir gehen davon aus, dass es in einem ersten Schritt möglich sein muss, in einer entsprechend angelegten Analyse auf der einen Seite die Kostenstrukturen der klassischen Kernbereiche des städtischen Haushaltes (Verwaltung, Schulen, Kindergärten ff.) darzustellen und im Sinn eines Ringvergleichs mit denjenigen vergleichbar großer Städte (  siehe Anlage) in BW in Beziehung zu setzen.
Die Ergebnisse und Erkenntnisse einer solchen Analyse sollten dann ohne irgendwelche vorweg „gesetzten“ Vorgaben diskutiert, hinterfragt und ggf. auch entsprechend in Bezug auf die lokale Personalstruktur umgesetzt werden!

In eben diesem Sinn müssten aus unserer Sicht auch die Kostenstrukturen der zitierten besonderen Einrichtungen dargestellt und dann ebenso zur Diskussion gestellt werden. Falls es sich herausstellen dann sollte, dass eventuell strukturell oder auch nur punktuell Einsparpotentiale erkennbar werden, müsste man diese unseres Erachtens auch entsprechend konsequent nutzen.

Das Ziel der aktuellen Bemühungen bleibt es zunächst, auch für 2010 einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erstellen. Die Zeichen dafür stehen aktuell günstig; an dieser Stelle möchten wir – wie ja auch alle Vorredner – ganz herzlich Herrn Keller und seinem Team für ihr engagiertes Wirken und seine Anregungen und Vorschläge in der Thematik danken!

Es zieht sich durch alle Kommentare zur Haushaltssituation auch in den vergangenen Jahren, dass wir gut beraten waren, nicht vorzeitig in Jubel auszubrechen und die allfälligen Krisenszenarien für beendet zu erklären!
Ich erinnere mich allerdings sehr gut, dass vor zwei Jahren etwa zu diesem Zeitpunkt der eine oder andere auch hier im Gremium deklariert hat, dass „die Probleme der Banken sich schon nicht so dramatisch entwickeln würden“.....

Das war ein klassischer Trugschluss!
Zur Erinnerung: es ging damals ab September 2008 um die Konsequenzen der Aktivitäten diverser, etwas durch geknallter Banker – Stichwort: HRE, Gebrüder Lehman ff. – angereichert zum Teil durch die auch nicht immer überzeugende Kompetenz vieler Politiker in den zuständigen Aufsichtsgremien – Stichwort: öffentlich-rechtliche Landesbanken etc.

Wir haben in der Folge auch hier in Tuttlingen schmerzlich realisieren müssen, dass man in solchen Gemengelagen als Kommune durchaus mittendrin im Schlamassel landen kann, dies wesentlich heftiger, als man es sich eventuell je erträumt hat....

Wenn man WELT-Hauptstadt der Medizintechnik ist, darf es einen nicht verblüffen, wenn die Folgeeffekte von Verwerfungen in der WELT-Wirtschaft auch im momentan idyllisch verschneiten oberen Donautal irgendwann „aufschlagen“…

Dies sollten aus Sicht der FDP wir alle uns auch für die folgenden Jahre immer wieder vor Augen führen!

Herr Keller hat in den Erörterungen im Vorfeld versucht, für die Stadt Tuttlingen ein Haushaltsszenario für die Folgejahre zu entwerfen. Jedem muss klar sein, mit welchen kaum beeinflussbaren Unsicherheitsfaktoren eine solche Kalkulation belastet sein muss!

Man sollte sich vor allem auch immer wieder klar machen, dass wir derzeit im EURO-Raum mehrere Wackelkandidaten – wahlweise auch: Zeitbomben – beobachten können, deren finanzpolitische Sündenfälle mögliche Folgeeffekte mit hoher Brisanz für die am EURO-Schutzschirm beteiligten Volkswirtschaften hervorrufen könnten!
Stichworte sind hier: Irland, Griechenland, Spanien, Portugal, Italien + wer wohl sonst noch....

Irgendwelche Phantasien des Inhaltes, „dass man die Krise überwunden habe“ sollten aus unserer Sicht also tunlichst weiter vermieden oder höchstens sehr leise thematisiert werden.....

In der Konsequenz führt dies dann aus Sicht der FDP zu unserer Einschätzung und Anregung an alle Beteiligten, eventuell jetzt schon wieder als dringlich deklarierte Investitionsvorhaben vor Ort zunächst doch noch einmal kritisch zu hinterfragen, ggf. in der Umsetzung auch zu modifizieren und mit entsprechender Vorsicht dann eventuell auch anzugehen.

Ähnliches gilt für einen weiteren Sektor mit hohem potentiellen Kostenaufwand: aktuell gilt landauf, landab jedwede Investition in den Sektor „Bildung, Kinderbetreuung ff.“ aus Sicht der Politik reflexartig als unumstritten, um nicht zu sagen: alternativlos ....

Wir würden hier zu einer deutlich gemäßigten resp. der Realität angemessenen „Hurra-Stimmung“ tendieren und entsprechend vorsichtig vorgehen:
auch in unserem lokalen Gremium verfügen wir zu diesem Thema – getreu dem Motto: das Parlament ist immer voller Lehrer - über ein hohes Maß an entsprechender Fachkompetenz.
Es besteht – sicher nicht nur in diesen Kreisen - keinerlei Zweifel, dass es bei kontinuierlich sinkenden Geburtenraten und bereits jetzt schon querbeet rückläufigen Schülerzahlen nicht seriös vermittelbar ist, in den Bereichen Kleinkinderbetreuung etc. ungebremst Kapazitäten zu etablieren, welche in überschaubarer Zeit nicht mehr benötigt werden!

Man muss sich immer wieder klar machen, welche personellen Kapazitäten und damit auch finanzielle Ressourcen damit langfristig gebunden werden und bleiben!
Um Missverständnissen vorzubeugen: wir sind aktuell nicht in der Situation, in diesen Bereichen vor Ort oder in der Region Überkapazitäten zu verwalten oder zu betreiben!

Die veraltete Kameralistik verführt dazu noch zu einer verzerrten Betrachtungsweise: die kommunalen Investitionen in Bildung sind realistisch betrachtet zu einem nicht unbeträchtlichen Teil Gelder für Grundstücke und Gebäude. Damit wird zwar auch ein Stück weit Bildungsqualität erzeugt, aber bei weitem nicht die einzige und inhaltlich bedeutsamste.

Allerdings – und dies kann ich Ihnen vor allem im Zusammenhang mit meinen persönlichen Erfahrungen aus meinem eigenen beruflichen Umfeld mit Garantie zusichern – werden wir alle miteinander in den kommenden Jahren in dramatisch zunehmendem Umfang mit kostenintensiven Versorgungsproblemen am anderen Ende des „demographischen Tannenbaums“ konfrontiert werden; Sie wissen, was ich meine...

Nebenbei sollten wir bei der Konzeption der Haushaltstruktur für die kommenden Jahre nicht außer Acht lassen, welche Kostengrößen zum Beispiel im Sektor Pensionsansprüche auf uns zukommen werden!
Zur Erinnerung: die schon einmal für diesen Bereich gebildeten finanziellen Rücklagen sind für die Umsetzung des Haushaltes 2009 aufgebraucht worden.
Niemand sollte sich tunlichst der Illusion hingeben, dass in Zukunft auf die erneute Schaffung solcher – damit natürlich auch haushaltswirksamen – Rücklagen verzichtet werden kann!

Systematisch würden wir auch anregen, darüber nachzudenken, ob es für eine Stadt mit 35000 Einwohnern sinnvoll und zeitgemäß ist, wenn mehrere Ortsverwaltungen in dem hier vor Ort etablierten Umfang vorgehalten werden.

Eine konsequente Vermarktung von nicht im Sinn der Stadtentwicklung dringend benötigten Immobilien und Grundstücken könnte – und müsste - einen wichtigen Betrag zur Haushaltskonsolidierung leisten.

Hier kommt unserer Auffassung nach eine besondere Bedeutung der Tuttlinger Wirtschaftsförderung inklusive Citymanagement zu, deren wichtige und manchmal wohl auch sehr aufreibende Arbeit wir sehr zu schätzen wissen - zumal sie in ihrer Funktion einen eigenen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit der Stadt leisten kann und auch soll. An dieser Stelle möchten wir Dr. Binder, Herrn Mähler und auch dem neuen Team des Handels- und Gewerbevereins ProTUT danken, verbunden mit der Erwartung, die Tuttlinger Wirtschaftsförderung kurzfristig wieder kompetent besetzen zu können.

Eine strategische Neuordnung der Stadtwerke mit Konzentration auf das Kerngeschäft sowie die Prüfung etwaiger Potentiale in Richtung strategischer Allianzen oder Kooperationen dürfte wohl auf die Agenda in 2011 kommen.

Prinzipiell sollte aus Sicht der FDP auch überprüft werden, ob eine – eventuell auch nur partielle – Veräußerung städtischer Unternehmen wie der WOHNBAU zur Konsolidierung des Haushaltes beitragen könnte und sinnvoll genutzt werden sollte.

Man erkennt unschwer: es bleibt also weiter spannend für 2011, vermutlich nicht nur aus Sicht der FDP.

Ich denke aber, wir werden die Dinge konzentriert und mit Schwung angehen und auch im kommenden Jahr alle miteinander konstruktive Lösungen für die Stadt entwickeln und umsetzen.

Unsere FDP-Fraktion stimmt dem Haushalt zu.