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Fraktionsmitteilung

Haushaltsrede 2010 der CDU-Fraktion von Herrn Dr. Hans Roll


"Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt?
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld…!"
Mephisto, J.W.v.Goethe, Faust 2

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Beck,
sehr geehrte Herren Bürgermeister Buschle und Kamm,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

an den Beginn meiner Rede habe ich zwei Zeilen aus Goethe's Faust gestellt. Mephisto findet am kaiserlichen Hof eine ähnliche Situation vor, wie wir sie heute nur mehrfach besprochen haben: Akuter Geldmangel. Und er findet auch eine Lösung des Problems. Doch darüber später…

Unkonventionell mögen Sie es auch empfinden, wenn ich Worte des Dankes bereits hier bringe: Zunächst Dank unserem OB, der unser Schiff, die Stadt, mit Bedacht und erfolgreich durch die rauhe See steuert und lenkt. Dank unserem Finanzbürgermeister, EBM Emil Buschle, unserem Kämmerer, Herrn Bernd Beyerbach. Es ist ihr letzter Planentwurf nach vielen Berufsjahren, und es ist sicher einer der schwierigsten! Dank auch an Herr Walter Gilly und allen Mitarbeitern, die an diesem Plan gearbeitet haben. Wir hoffen, dass er die Genehmigung unserer Rechtsaufsichtsbehörde, des RP, findet.

Für mich eine sehr erfreuliche Empfindung: Die Fraktionen des GR sind sich in der Krisensituation in vielen Besprechungen und Diskussionen deutlich näher gekommen. Letztlich haben wir alle das gleiche Ziel!

Zur Haushaltssituation könnten zwei Aussagen von CDU-Parteigrößen vorangestellt werden:

"Die Situation ist da!" (K. Adenauer)
"Man mag die Wirklichkeit beschimpfen, sie bleibt dennoch Wirklichkeit!" (M. Rommel)

Der Haushalt 2010 ist der erste in der neuen Legislaturperiode dieses GR. Er verkörpert alles andere als Normalität. Das vergangene Jahr stand im Zeichen der Lähmung wirtschaftlicher Aktivitäten durch die Finanzkrise. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf den aktuellen Haushalt sondern auch auf die Folgejahre.

Probleme, die durch die gute Konjunktur der letzten Jahre überdeckt waren, treten in der Krise in vollem Umfang in Erscheinung. Ich spreche hier von Problemen struktureller Art im Verwaltungshaushalt. Auf Dauer werden wir es uns nicht erlauben dürfen, mit einem defizitären VW-Haushalt zu wirtschaften.
Bei der Aufarbeitung darf es keine Tabu's geben. Von mancher liebgewonnenen aber auch teuren Gewohnheit werden wir uns verabschieden müssen.

Trotz der großen Ausgabenvolumina der Vergangenheit können wir dankbar auf eine solide und seriöse Finanzpolitik der Verwaltung und des GR zurückschauen. Wie bei den meisten großen Kreisstädten in unserem Land standen jetzt dramatische Einbrüche der Einnahmen steigenden Umlagen gegenüber.

Bis zum vorletzten Jahr konnten wir uns noch auf eine sehr gute Einnahmesituation und auch auf ein gesundes Rücklagenpolster - Erlös aus dem Verkauf der EnBW-Aktien und Überschüsse aus dem Verwaltungshaushalt - verlassen. Dieses Rücklagenpolster ist nun mit dem heutigen Haushalt komplett aufgezehrt.

Wie sollen wir die wichtigen und z.T. schon zugesagten Investitionen jetzt bewältigen? Ich nenne an dieser Stelle:
- Neue Feuerwache
- Sanierung der Hermann-Hesse-Realschule und ihre Aufrüstung zum Ganztagesbetrieb
- Kindergarten Maria-Königin - Generalsanierung und Ausbau der Betreuung
und vieles andere.
Diese Investitionen müssen verschoben werden. Ich verweise auf den Antrag der CDU-Fraktion vom 15.12.2009..

Aufgeschoben heißt hier keinesfalls aufgehoben!

In den zurückliegenden Jahren hatten wir in unserer Stadt einen deutlichen Anstieg der Steuerkraft - resultierend aus überproportionalen Zuwächsen bei der Gewerbesteuer, dies auch trotz der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Unternehmenssteuerreform. Auch die Zuweisungen aus der Einkommensteuer zeigten das gleiche Bild.

Als Folge der globalen Krisensituation haben wir die Haushaltsansätze des zurückliegenden Jahres deutlich verfehlt. Durch Aufschiebung von Investitionen und Kürzung der Budgets konnten die Einnahmeausfälle partiell kompensiert werden. Doch das wird nicht reichen!

Trotz der Krise steht unsere Stadt nicht still - teilweise helfen da staatliche Unter-
stützungs- und Konjunkturprogramme. Ich erinnere an dieser Stelle an
- Mehrzweckhalle Nendingen (6 Mio),
- Haus des Schülers (2,8Mio)
- Grundstückankäufe Nordstadt
- Erschließung des Baugebiets "Brenner"
- Investitionen in Ganztagesbetreuung von Kindern bis 6 J.
- und last but not least: die Hochschule (10Mio)

Was erwartet uns nun im Jahr 2010 und in den Folgejahren? Was kann sich die Stadt noch leisten? Grundsätzlich müssen wir Ausgaben zurückfahren, d.h. sparen, und Einnahmen stärken bzw. neue generieren. Beides muß sozialverträglich geschehen. Der Partner - wer immer es auch ist - darf keinesfalls über Gebühr belastet werden. Für unsere Fraktion gilt folgender Leitgedanke: "von vielem Möglichen ist zunächst des Unabweisbare, dann das Notwendige, dann das Nützliche und dann erst das Angenehme - von dem wir uns zuletzt vieles geleistet haben! - zu tun!"

Unbekümmert um Einzelinteressen, den Blick unbeirrt auf die Gesamtheit gerichtet, müssen wir so vorgehen. Damit ist eine neue solide Basis für unser wirtschaftliches, gesellschaftliches und kulturelles Leben möglich. Investitionen in die Zukunft müssen sein! Unabweisbares darf nicht aufgeschoben werden!

Die Vorschläge der Verwaltung zur Verbesserung unserer Einnahmesituation unterstützen wir, z.T. auch weil wir gar keine andere Wahl haben: wir kommen um die Erhöhung der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B nicht herum, wenn unser Plan-Entwurf vom RP genehmigt werden soll. Das RP fordert das von uns! Wir stimmen der moderaten Erhöhung, wie sie von der Verwaltung vorgeschlagen wird, zu. Das gleiche gilt für die Vergnügungs- und Hundesteuer.

Gebührenerhöhungen sind auf einigen Gebieten in der Diskussion. Ablehnen würden wir sie überall, wo Fragen der Erziehung und Bildung betroffen sind.

Was ist weiterhin zu tun? Eine nachhaltige Förderung unserer Wirtschaft, die weitere Stärkung des Bildungsstandortes TUT, Vorhaltung von ausreichendem Wohn- und Gewerbebauland! Mittelfristig ist mit diesen Maßnahmen eine Steigerung des Gewerbesteuer- und Einkommenssteueraufkommen zu erwarten.
Weiterhin intensive Bemühungen zur Kürzung von Ausgaben und Überdenken unserer Aufgaben. Den sehr hohen Standard, den wir in vielen Bereichen inzwischen gewohnt sind, werden wir uns nicht mehr in allen Bereichen leisten können.

Erhebliche Sorgen macht uns der Verwaltungshaushalt und hier speziell die Personalkostenentwicklung. Hier hat die Verwaltung Maßnahmen empfohlen, denen wir zustimmen müssen. Darüber hinaus werden wir uns mit Fragen der Reorganisation und der Restrukturierung der Verwaltung beschäftigen müssen. Ich nenne hier
- Überlegungen um Zusammenlegung von städtischen Aufgabenbereichen,
- interkommunale Kooperationsmodelle,
- Leistungsabbau…

Ausdrücklich wünschen wir uns motivierte Mitarbeiter im Dienste unserer Stadt, auch mit angemessener Entlohnung. Für 2010 gilt eine Beschäftigungsgarantie.

Was für die Stadt gilt, gilt auch für die Eigenbetriebe und Beteiligungsgesellschaften, deren Haushaltspläne uns gleichermaßen zur Beschlussfassung vorliegen. Die Stadtwerke müssen in einem hart umkämpften Markt bestehen. Dabei müssen finanzielle Spielräume erwirtschaftet werden, um defizitäre Einrichtungen, wie das TuWass und die Parkhäuser finanzieren zu können. Vor diesem Hintergrund und im Gedanken an eine Rundum-Versorgungsangebot müssen hier diverse Überlegungen angestellt werden. Die Tuttlinger Hallen glänzen mit einem bunten Programm für Jedermann - "wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen ", auch aus Goethes Faust (1) - aber die Kosten … Dank an die Geschäftsführer, Herrn Dieter Schaaf und Herrn Michael Baur!

Die Förderung der Wirtschaft, der Erhalt und die Neuschaffung von Arbeitsplätzen haben für uns höchste Priorität. Eine lebendige Innenstadt ist dabei ein wichtiger Standortfaktor. Vom Wirtschaftsministerium B-W sind Finanzierungsmittel für Sanierungsmaßnahmen in der Innenstadt zugesagt - eine wesentliche Unterstützung für die Revitalisierung dieses Stadtgebietes. Die Entwicklung der westlichen Innenstadt erhoffen wir uns mittelfristig positiv durch
entsprechende Entscheidungen im Ex-Hertie- und Birk-Areal. Hoch erfreulich hier die Entwicklung in der zentralen Innenstadt durch Eröffnung von H & M in den nächsten Monaten! Potentielle Investoren benötigen Planungssicherheit. Weitere Areale sind: der Platz gegenüber der Galluskirche, der Bahnhof sowie der geplante Platz für ein Ärztehaus.

Die Stadt kann mit ihren beschränkten Mitteln hier nicht alles leisten. Hier ist die städtische Wohnbaugesellschaft gefordert. Über eine Ausweitung des Gesellschaftszwecks zur Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten ist hier u. U. Diskussionsbedarf. Unser Dank an Herrn Geschäftsführer Horst Riess!

Die Einstellung eines Wirtschaftsförderers und eine Citymanagers war sicher richtig: Ihnen obliegt die Koordination der diffizilen Verhandlungs-Prozesse mit Politik, möglichen Investoren, dem Handel - nicht zuletzt mit dem in so erfreulichem Umfang wiedererstarkten ProTUT.

Der Bereich "Bildung" ist für unsere Fraktion eine wichtige Investition in Richtung Zukunft. Allerdings gibt der Bund hier einiges vor, was in der augenblicklichen Situation nicht zu leisten ist. Die Förderung pädagogischer Arbeit besitzt hier für uns eindeutig Vorrang vor der Investition in Gebäude - dies bei langfristig zurückgehenden Schülerzahlen.

Bei der Verkehrsinfrastruktur ist ein erheblicher Substanzverlust eingetreten. Der Winter ist in Tuttlingen noch nicht vorbei. Reparaturen müssen danach durchgeführt werden - Unterhaltung und Sanierung haben Vorrang vor Neubau. Als Neubaumaßnahme steht die Norstadt-Tangente auf unserer Agenda. Sie wird keine Schnell-Straße werden. Die abgespeckte Erweiterung der Nordstadt ist dringend auf den Weg zu bringen. Monatlich 20 000 Euro für den Schuldendienst sind nicht länger tolerabel.

In der Frage der gewerblichen Siedlungspolitik wird uns eine Diskussion nicht erspart bleiben:
- Zukunft von "Gänsäcker",
- Ausweitung des interkommunalen Gewerbegebiets TUT/Neuhausen,
- Kooperation mit Immendingen.
Das eine tun, heißt für uns in diesem Fall nicht: das andere lassen!

Bei den Zuwendungen an Vereine, Verbände und dergleichen sind eine Teil städtische Pflichtaufgaben, ein anderer Teil Freiwilligkeitsleistungen. Die Vereine fördern das soziale Miteinander und sorgen für eine positive Grundstimmung in unserer Stadt. Jeder Verein ist im Sinn der Subsidiarität aber zunächst für sich selbst verantwortlich. Eine Unterstützung durch die Allgemeinheit - hier die Stadt - sollte nur bei Schwierigkeiten erfolgen. Erfreulich das Donaufest, ein Vereinsfest, das jetzt städtische Unterstützung erfahren wird.

In diesem Zusammenhang ein hohes Lied auf das "Ehrenamt", das gerade in Krisensituationen eine besondere Bedeutung gewinnt!

Tuttlingen, unsere schöne Stadt, wird auch weiterhin liebens- und lebenswert bleiben. Die Donau wird auch in Zukunft - hoffentlich - munter hindurchfließen. Die CDU-Fraktion wird ihren Beitrag leisten dazu in der Beschäftigung mit den Zukunftsthemen "Bildung", "Wirtschaft" und "Ökologie" zum Wohl dieser unserer Stadt und aller Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Die CDU-Fraktion stimmt dem Haushaltsentwurf zu.

Und übrigens: Mephistos Problemlösung: Er empfiehlt das Drucken von Papiergeld…!