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OB Michael Beck zu Weihnachten: "Probleme der Welt sind weit weg - und gleichtzeitig sehr nah"


Liebe Mitbürgerinnen,
liebe Mitbürger,

in den letzten Wochen wurde die Diskussion immer wieder aufgeworfen: Warum hat Tuttlingen keinen richtigen, großen Weihnachtsmarkt? Die Leidenschaft, mit der viele über diese Frage diskutierten, hat mich nachdenken lassen: Warum ist ein Weihnachtsmarkt für viele Menschen so wichtig? Geht es vor allem ums Feiern, um ein weiteres Event, um Glühwein und Bratwurst? Oder doch um Traditionen, vielleicht sogar um Glauben? Und was bedeutet Weihnachten uns überhaupt? Ist es die Zeit, die wir bewusst mit der Familie verbringen? Oder freuen wir uns einfach nur über ein paar freie Tage – vor allem, wenn die Feiertage so praktisch liegen wie in diesem Jahr? Oder gibt uns das Fest zur Geburt Jesu auch Anlass, uns zu besinnen, in uns zu gehen, über grundlegende Fragen nachzudenken – ganz gleich, ob man gläubig ist oder nicht? 

Ich hoffe, dass auch letzteres der Fall ist. Und zum Nachdenken gibt es einiges in unserer Welt – auch in Tuttlingen. Denn 2018 war ein Jahr, in dem sich einige besorgniserregende Entwicklungen weiter verschärft haben: Populisten, die auf negative Gefühle und Ressentiments setzen, haben weiter an Zulauf gewonnen. In  öffentlichen Diskussionen verschafften sich vor allem diejenigen Gehör, die auf Spaltung setzen. Die Welt ist nicht friedlicher geworden. Die Einigkeit Europas steht ebenso vor schweren Prüfungen wie die enge Bindung zwischen Europa und den USA. Und die Versuche, globale Probleme wie Klimawandel oder Flüchtlingsströme in den Griff zu kriegen, sind auch nicht wirklich vorangekommen.

All das ist weit weg -  und gleichzeitig sehr nah. Von weltpolitischen Fragen hängt es auch ab, ob unsere Wirtschaft weiter so floriert wie derzeit – in einer Stadt, die wie Tuttlingen sehr stark vom Export lebt, erst recht. Das Thema Flüchtlinge beschäftigt uns nur deswegen nicht mehr so, weil man sie mittlerweile erst gar nicht mehr nach Europa hineinlässt – und wir erfolgreich verdrängen, was an den Außengrenzen passiert. Und dass die Donau in diesem Sommer über Monate nahezu trocken war, lag nicht nur am länger als sonst abgelassenen Wehr.     

Bis jetzt haben wir in der Kommunalpolitik in vielen entscheidenden Fragen einen Konsens, herrscht eine Kultur des Miteinanders. Und ich hoffe, dass dies auch nach den bevorstehenden Kommunalwahlen noch der Fall sein wird. Denn in der guten Atmosphäre, die wir bisher pflegten, konnten wir auch in diesem Jahr viel erreichen. Mit dem IFC weihten wir die Einrichtung ein, die unseren Hochschulcampus weiter als Ort der Forschung etablieren wird. In Gänsäcker gelang es uns nach einer jahrzehntelangen Vorgeschichte, die entscheidenden Weichen für die Erweiterung des Gewerbegebiets zu stellen – im Konsens mit Möhringen, wohlgemerkt. Die Fußgängerzone ist fast fertig, und mit ihr das Herz unserer Innenstadt. Wie vital dies künftig sein wird, hängt freilich auch von Ihnen allen ab: Wenn wir aus lauter Bequemlichkeit nur noch online einkaufen, hat unser Einzelhandel keine Chance.

Eine der wichtigsten Entscheidungen fällten wir kurz vor Weihnachten: Unsere Gymnasien werden für rund 60 Millionen Euro saniert. Es wird das bislang größte Bauprojekt in der Tuttlinger Geschichte. Dass dieser Rekord mit einer Bildungseinrichtung für unsere Kinder und Jugendlichen erzielt wird, ist ein schönes und wichtiges Zeichen. Weitere wichtige Entscheidungen betreffen die Frage, wie, wo und zu welchen Preisen wir künftig wohnen werden.  Die Erweiterung von Thiergarten wird Platz dafür schaffen. Und das in Grundsätzen beschlossene Programm zur Wohnraumförderung wird dafür sorgen, dass die Mietpreise nicht weiter nach oben galoppieren.

Ein spannendes Thema wird auch der Verkehr bleiben. Hier werden wir weiter daran arbeiten, dass auch bei uns im ländlichen Raum die Alternativen zum Autoverkehr populärer werden. In Anbetracht immer vollerer Straßen, steigender Energiepreise und des Klimawandels ist dies keine Frage der Ideologie sondern der Vernunft. Und dass dabei mehr Bürger als gedacht mitziehen, hat uns der Erfolg des Stadtradelns gezeigt. Gerade im Bereich Mobilität werden wir auch einige Projekte aus unserer Gartenschaubewerbung in eigener Regie nun umsetzen. Dass dieses Großprojekt nicht kommen wird, ist schade. Wir werden es aber verkraften.

Sie sehen - das neue Jahr bringt uns viel: Anspruchsvolle Aufgaben, große Chancen, spannende Herausforderungen, wichtige Entscheidungen – und vielleicht auch wieder einen Weihnachtsmarkt.

In diesem Sinne wünsche  ich Ihnen allen ein friedvolles Weihnachtsfest, besinnliche Tage, einen guten Start ins neue Jahr und Gottes reichen Segen.
 
Ihr Michael Beck