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Alte Stadtansichten und historische Portraits - Fotos aus dem Nachlass Raue im Fruchtkasten


Stadtansichten aus Tuttlingen sowie Portraits, die zwischen 1920 und 1970 fotografiert wurden, zeigt das Museum im Fruchtkasten ab kommenden Samstag, 5. Dezember 2015, im Hugo-Geißler-Saal. Es handelt sich dabei überwiegend um Fotos, die aus dem Nachlass von Erwin Raue stammen und nach seinem Tod dem Museum übergeben wurden. Raue führte rund 40 Jahre lang das Fotogeschäft Marquardt, das der Fotograf Hugo Marquardt nach dem Ersten Weltkrieg in Ludwigstal begründet hatte.

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Hugo Carl Marquardt kam am 14. Mai 1889 in Tuttlingen als Sohn des Tagelöhners Jakob Marquardt und dessen Ehefrau Anna, geborene Vogler, zur Welt. Nach Ende des Ersten Weltkriegs kehrte er mit seiner Frau und einem Sohn nach Tuttlingen zurück und ließ sich im Haus Ludwigstal 18 nieder. Gleich meldete Hugo Marquardt auch ein Gewerbe als Fotograf an. Insgesamt waren 1920 acht weitere Fotografen im Gewerberegister erfasst, von denen allerdings außer ihm nur Fritz Kiener und Eugen Kugler professionell arbeiteten. Einige Sammelbilder, die die Opfer des Ersten Weltkriegs der Jahrgänge 1891 und 1893 zeigen, wurden von ihm auch grafisch gestaltet und stolz mit „Hugo Marquardt Photograph Tuttlingen Ludwigstal“ signiert. 1921 zog die Familie in die Olgastraße 21, wo zunächst auch das Gewerbe gemeldet war. Er fotografierte Vereine wie den Zither-Club (1928), Hochzeiten wie die von Oskar und Emilie Martin (um 1923) oder auch stadtbildprägende Ecken wie den Sonnenbrunnen nach seiner Einweihung 1928.

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Ende der 1920er Jahre ließen sich zwei weitere professionelle Fotografen in Tuttlingen nieder und so entschloss sich Hugo Marquardt 1931, neben der Fotografentätigkeit ein Ladengeschäft einzurichten, das in der Wilhelmstraße 33 und 28 betrieben wurde. 1938 erwarb Hugo Marquardt dann das Haus Bahnhofstraße 52, wo er Geschäft und Wohnung unter einem Dach vereinte. Sein Sohn Ilmar ließ sich ebenfalls zum Fotografen ausbilden, kehrte aber aus dem Krieg nicht wieder zurück und wurde 1953 für tot erklärt.

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Seine Witwe heiratete dann Erwin Raue, der nach seiner Zeit in englischer Kriegsgefangenschaft 1948 im Tuttlinger Kriegsgefangenenlager Mühlau entlassen worden war. Als gelernter Fotograf zog er nach seiner Entlassung zu Hugo Marquardt und seiner Frau in die Bahnhofstraße 52 und arbeitete im Betrieb mit. Er übernahm das Geschäft und führte es nach dem Tod von Hugo Marquardt 1966 weiter.

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Die städtebaulichen Veränderungen seiner neuen Heimat dokumentierte er in eindrucksvollen Bildern. Er fotografierte Schulneubauten wie das Immanuel-Kant-Gymnasium oder die Schrotenschule, den neu gestalteten Kreisverkehr am Aesculapplatz, den Bau der Bodenseewasserleitung oder die ersten Hochhäuser der Stadt. Der 1962 abgerissene Poststeg mit seinen großen Eisenbögen hatte es ihm ebenso angetan wie das Lager Mühlau, in dem er selbst seinen Entlassungsschein erhalten hatte.
Eine Serie dokumentiert das Kinderfest im Jahr 1962, bei dem die Kinder die vier Jahreszeiten darstellten. Seine tagesaktuellen Bilder zog er oft auf Karton auf und zeigte sie im Schaufenster des Geschäfts. Manches Foto wurde auch von der regionalen Presse veröffentlicht. Sogar in der 1984 in Berlin gezeigten Ausstellung „Kurios und Gnadenlos“ wurde eines seiner Bilder aufgenommen und im Katalog abgedruckt. „Tuttlinger Wettschießen an Minigeschützen“ fanden die Kuratoren so witzig, dass sie es auswählten.
Erwin Raue übergab sein Geschäft an Marion Hauser, die es noch einige Zeit weiterführte, dann aber aufgab. Das digitale Zeitalter hatte seinen Tribut verlangt. Erwin Raue starb 2011.
 
„FOTOGRAFIEN VON HUGO MARQUARDT UND ERWIN RAUE“
5.12.2015 bis 28.2.2016 Di, Do, Sa, So 14-17 Uhr
Fruchtkasten, Hugo-Geißler-Saal, Donaustraße 50