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Die Groß Bruck feiert Geburtstag - Von Goethe erwähnt, im Krieg fast gesprengt


Eines der markantesten Tuttlinger Bauwerke feiert Geburtstag: Am Donnerstag vor 100 Jahren wurde die Groß Bruck für den Verkehr freigegeben. Aus Anlass des Jubiläums verteilt die Stadt am Donnerstag Rosen auf der Brücke, richtig gefeiert wird dann im Rahmen des Stadtfests.

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Die Groß Bruck um 1840 (Lithographie aus der Anstalt von Gottfried Künstner)…

3. Juli 1914: In den Zeitungen sind die Folgen des  Attentats von Sarajewo und die Julikrise das beherrschende Thema. Doch im Gränzboten von jenem Tag sticht auch eine positive Meldung heraus: Stadtpolizeiamtmann Wurster teilt mittels amtlicher Bekanntmachung offiziell mit, dass auf der neuen Donaubrücke der „Fuhrwerksverkehr von heute abend 7 Uhr an zugelassen“ ist.

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…die 1856 gebaute Holzbrücke um 1900 auf einer Postkarte…

Technisch und architektonisch ist die Brücke auf der Höhe der Zeit: Vier schlichte und wohlproportionierte Bögen aus Stahlbeton überspannen jetzt die Donau, die vier Brückenhäuschen greifen mit ihren runden Fenstern schon etwas die sachliche Architektur der 1920er-Jahre voraus. Die drei Wehrklappen werden erstmals elektrisch betrieben, über drei Durchlässe kann der Pegelstand der Donau nun reguliert werden. Und im Jahr 1914 hatte dies für Tuttlingen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung: Entlang des Flusses arbeiteten noch zahlreiche Gerbereien – und die brauchten die Donau als Wasserspender und Abwasserkanal zugleich.

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…die neue Donaubrücke kurz nach ihrer Fertigstellung…

Der Standort der Brücke hatte freilich Tradition: Seit jeher war an dieser Stelle der – lange Zeit einzige – Donauübergang in der Stadt. Und eines der Vorläuferbauwerke der heutigen Groß Bruck wurde sogar von Johann Wolfgang von Goethe literarisch verewigt, nachdem dieser 1797 auf der Durchreise in Richtung Schweiz auch Tuttlingen passiert hatte: „Die Brücke ist von Holz ohne bedeckt zu sein und mit Verstand auf die Dauer konstruiert“, schreibt der Meister. Schon zwei Jahre später allerdings wurde die Brücke Opfer der Revolutionskriege gegen Frankreich: Die bei Liptingen geschlagenen Franzosen rissen bei ihrem Rückzug Teile der Brücke ein, um den österreichischen Verfolgern den Weg abzuschneiden.

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…sowie die Anzeige zur Eröffnung 1914.

Die schnell errichtete Ersatzbrücke war allerdings nicht mehr so qualitätsvoll wie das von Goethe gelobte Vorgängermodell: „Über die Donau führt eine hölzerne Brücke von ansehnlicher Breite und mir vier Jochen“, heißt es in der Oberamtsbeschreibung von 1839, „sie wäre dauerhafter, wenn sie auch eine zweckmäßige Bedachung erhielte.“ Folglich wurde sie auch schon bald wieder ersetzt – durch eine weitere Holzbrücke aus dem Jahre 1856. Und während frühere Brücken stets wie das einfache Wehr schräg über die Donau führten, stand diese bereits dort, wo auch die heutige Groß Bruck den Fluss überquert: Als gerade Verlängerung der Unteren Hauptstraße.

Als Baudenkmal des frühen 20. Jahrhunderts prägt die Groß Bruck bis heute den nördlichen Eingang zur Innenstadt. Die Sprengung in den letzten Kriegstagen 1945 konnten mutige Bürger verhindern, und im Gegensatz zu ihren Nachbargebäuden blieb sie auch in den Nachkriegsjahrzehnten unangetastet. Denn vor allem am südlichen Rand der Brücke hat sich das Gesicht der Stadt radikal gewandelt: Die alten Gerbereien sind ebenso verschwunden wie das erste Scala-Kino oder die Werkstätten in Wöhrden. Stattdessen ist die Brücke heute Teil eines modernen Ensembles rund um das neue Scala-Kino und das WöhrdenQuartier. Und seit der Generalsanierung 2006 erstrahlt sie bei Nacht im sanften Licht wie eine Skulptur über die Donau.

100 Jahre Groß Bruck – Tuttlingen feiert
Wer am 3. Juli um die Mittagszeit die Groß Bruck überquert, hat gute Chancen auf ein kleinen Blumengruß: Zum Brückengeburtstag verteilt die Stadt gelbe Rosen. Richtig gefeiert wird dann beim Stadtfest am 20./21. September: Im Scala-Kino beginnt eine Ausstellung mit historischen Brückenfotos, und an beiden Festtagen gibt es szenische Stadtführung auf und an der Brücke. Vor allem aber wird die Jubilarin zur Festbühne – mit Paartanz auf der Brücke das ganze Wochenende über.