Stadt Tuttlingen errichtet Zeichen der Erinnerung an das Lager Mühlau
05.06.2013
Bis nach den Sommerferien wird das Kunstprojekt „Erinnerung ist Zukunft“ zur Geschichte des Lagers Mühlau fertig gestellt sein. Als ein Teil des Projekts haben nun zwei Kunstwerke im Bereich des Geländes um die städtischen Gymnasien ihren Platz gefunden.
Oberbürgermeister Michael Beck im Gespräch mit der Künstlerin Madeleine Dietz während der Aufstellung des Tors „Freiheit Leben“.
An die Geschichte des Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlagers Mühlau, das in den 1940er und 1950er Jahren im Bereich der Tuttlinger Gymnasien stand, erinnert die Stadt in diesem spannenden Projekt. Zum einen soll der Werdegang des Lagers dokumentiert werden, zum andern sollen Zeichen im Gelände Bewusstsein für die Geschichte des Ortes schaffen. Diese Zeichen bestehen aus Markierungen im Boden, die die Ausmaße des Lagers veranschaulichen sollen, und aus zwei Kunstwerken, die bereits jetzt aufgestellt werden, damit die Stahlteile bis zur endgültigen Fertigstellung im September die erforderliche Patina erhalten.
Die zwei Kunstwerke wurden von der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Bildhauerin Madeleine Dietz aufgestellt und sollen an in Tuttlingen erlittene Schicksale im Kontext des Zweiten Weltkriegs erinnern.
„Weder offen noch zu“ betitelt ist das Erinnerungs- und Freiheitszeichen in Form eines halboffenen Tors bzw. aufgeschlagenen Buches, das an der Stelle in der Nähe der Bahngleise steht. Dort stiegen einst deutsche Kriegsgefangene über eine Laderampe aus Wagons und betraten das Lager Mühlau. Unter dem Nationalsozialismus war es zunächst ein Lager für ausländische Zwangsarbeiter und nach dem Zweiten Weltkrieg unter französischer Besatzung diente es als Durchgangs- und Entlassungslager für deutsche Soldaten. In Stahl gelaserte Texte schaffen eine emotionale Verbindung zur Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen, die diesen Weg gegangen sind. Madeleine Dietz möchte mit ihrem Werk andeuten, dass Geschichte kein abgeschlossener Prozess ist, sondern dass die aus ihr gewonnenen Erfahrungen essentiell sind für eine friedvolle Zukunft. Nach eigenen Worten möchte sie ein „Signal für die kommenden Generation setzen und Freiheit und Frieden als nicht selbstverständliches Gut thematisieren.“
In Entsprechung zum Eingangszeichen ist für den ehemaligen Lagerausgang ein weiteres Zeichen vorgesehen, in diesem Fall ein Tor aus Stahl, das aus einem Gitter besteht. Die Aufschrift „Freiheit Leben“ regt ebenfalls an, über Grundwerte und die hieraus folgenden Herausforderungen eines jeden in der Gesellschaft nachzudenken.
Die Idee für die Erinnerungszeichen im Zusammenhang mit dem Lager Mühlau entstand während einer Ausstellung der international tätigen Künstlerin in der Galerie der Stadt Tuttlingen im Frühjahr 2011, in der sie viele neue Arbeiten und raumbezogene Installationen gezeigt hatte.
In Madeleine Dietz` Skulpturen, Installationen, Videos und Performances liegt eine bemerkenswerte Intensität. Diese wird unter anderem durch die einzigartige Verbindung der Materialien Erde beziehungsweise Ziegel oder Stein und Stahl erzeugt, die in ihrer gegensätzlichen Wirkung elementar und kraftvoll sind. Auch das Element Sprache weiß die studierte Buchgrafikerin und Illustratorin wirkungsvoll einzusetzen, indem sie durch Worte beim Betrachter Reaktionen des schöpferischen Weiterdenkens auslöst. Madeleine Dietz´ Formgebung ist stets einprägsam reduziert und spricht den Betrachter in geometrischen Klarheit direkt an. Der Themenkreis von Erinnerung und Weiterleben steht immer schon im Zentrum ihrer Beschäftigung.
Madeleine Dietz wurde 1953 in Mannheim geboren. Sie studierte 1970-74 an der Werkkunstschule in Mannheim. Arbeitsstipendien erhielt sie an der Pariser Cité des Arts (1996), an der Villa Romana in Florenz (1997), und in der Stadt Houston/ Texas (1998). Ihre Arbeit wurde bereits ausgezeichnet mit dem Henry Kahnweiler-Preis für Bildhauerei und Plastik (im Jahr 1992) sowie dem Ernst-Barlach Preis (2003). Ihre Ausstellungstätigkeit erstreckt sich über prominente Ausstellungshäuser und Galerien in vielen Ländern Europas sowie in den USA. Madeleine Dietz lebt in Landau/ Pfalz.
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