Vorlesen

TUT Spezial

Potentiale der Gänsäcker-Erweiterung werden offen diskutiert - Über 500 Besucher bei Bürgerversammlung


Volle Angerhalle bei der Bürgerversammlung

Die Bürgerversammlung zu einer möglichen Gänsäcker-Erweiterung stieß auf großes Interesse. Über 500 Besucher kamen am Montag in die Möhringer Angerhalle – und diskutierten sachlich und konstruktiv über das Thema.

„Es gibt noch keinen Gemeinderatsbeschluss zu diesem Thema“ betonte OB Michael Beck. Vielmehr diene die Bürgerversammlung dazu, ein Stimmungsbild einzufangen, auf dessen Grundlage dann eine Entscheidung zum weiteren Planungsverfahren gefällt werden kann. Beck betonte in seinem  einführenden Statement, dass Tuttlingens Industrie weiter wachse -  allein seit 2004 seien rund 2500 neue Ar-beitsplätze in der Stadt entstanden. Dies sei auch das Ergebnis einer Studie der IHK (siehe unten).  Damit  diese Entwicklung nicht gestoppt werde, seien neuen Flächen nötig – und dies sei aufgrund der vorliegenden Untersuchungen in den nächsten Jahren nur in Gänsäcker möglich.

Auch Erster Bürgermeister Emil Buschle unterstrich diese Ansicht. In die Diskussion gebrachte Standorte wie der Eh-renberg seien keine Alternativen: Sie seien zu abgelegen, vor allem müssten aufwändige Zufahrten gebaut und Waldflächen gerodet werden. Dies sei weder wirtschaftlich noch ökologisch. Buschle betonte auch, dass in Gänsäcker  keine abgas- oder lärmintensiven Betriebe geplant seien.

Als auch aus ökologischer Sicht „absolut vertretbar“ bezeichnete Bürgermeister  Willi Kamm eine Erweiterung von Gän-säcker. Kamm betonte auch, dass ein Teil der von Fachbe-reichsleiter Michael Herre vorgestellten Pläne weit in die Zukunft reichende Visionen seien. Jetzt gehe es ausschließlich um eine 16 Hektar große Fläche direkt im Anschluss an das bestehende Gewerbegebiet.

„Wir können den Plänen keine Zustimmung erteilen“, erklärte dagegen Möhringens Ortsvorsteher Herwig Klingenstein. Er verwies auf mögliche Alternativstandorte wie Ehrenberg und Ehental und lehnte es ab, in Möhringen Ackerland zu bebauen. „Möhringen würde sich durch eine Gänsäcker-Erweiterung verändern.“

Verwaltungsspitze und Ortsvorsteher

Das Thema Landschaftsverbrauch nahm in der Diskussion breiten Raum ein. Eine Erweiterung sei ein Einschnitt in die Lebensqualität der Möhringer Bevölkerung, befürchteten mehrere Diskussionsteilnehmer. Auch der Bedarf durch die Industrie wurde teilweise in Frage gestellt. Andere Diskussionsteilnehmer bezweifelten dagegen, ob eine Erweiterung Gänsäckers nachteilige Folgen für Möhringen habe. Sie sahen in der Entwicklung vielmehr die Chance auf weitere, wohnortnahe Arbeitsplätze, um die viele Regionen Tuttlingen beneiden würde. Auch sei eine Erweiterung dort umwelt-schonender als an anderen Standorten, wo man Wald roden müsse. Ein Teilnehmer formulierte, man hätte sich das teuere Gutachten zur Landschafts- und Gewerbeentwicklung sparen können, es sei doch offensichtlich, dass Gänsäcker die beste verbliebene Fläche für die Gewerbeentwicklung sei.

Zur Sprache kamen auch mögliche Gegenangebote für Möhringen: Ein Bürgerhaus wurde ebenso ins Gespräch gebracht wie Verkehrsprobleme: Vor allem der Verkehr, der vom Bächetal durch die Ortsmitte führt, wurde mehrfach angesprochen. Hier werde man schon bald, sagte OB Beck, nach Lösungen suchen. Er zeigte sich am Ende der Veranstaltung zuversichtlich, dass auf Grundlage der angesprochenen Punkte ein Lösungsvorschlag gemeinsam mit Ortschaftsrat und Gemeinderat erarbeitet werden könne.

IHK: Tuttlingen braucht Flächen

Ob Arbeitsplätze oder Umsatzentwicklung – überall kann Tuttlingen laut IHK mit Bestnoten aufwarten. Nur in einem Bereich liegt Tuttlingen deutlich unter dem Durchschnitt: Bei der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen. „Unternehmen in der Stadt Tuttlingen benötigen ausreichend Erweiterungsflächen in der Stadt, um weiterhin expandieren zu können“ lautet denn auch das Fazit von IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez.

Albiez hatte zur Bürgerversammlung einige Zahlen mitgebracht. So sei in der ganzen Region der Anteil der industriel-len Arbeitsplätze deutlich höher als im Bundesdurchschnitt, auch die mittelständisch geprägte Industrie nehme eine zentralere Rolle ein als anderswo. Dies sei im Übrigen auch der Grund, weshalb die Region relativ gut durch die jüngsten Krisen kam.

Was für die ganze Region zutreffe, gelte für Tuttlingen  noch in gesteigerter Form: „Innerhalb der starken Region nimmt Tuttlingen einen Spitzenplatz ein.“ So seien die Umsätze der Industrie zwischen 1995 und 2011 um 260 Prozent (Region: 200 %, Baden-Württemberg: 145 %) gestiegen, die Zahl der Arbeitsplätze habe um 25 Prozent zugelegt (Region: 18 %, Baden-Württemberg: 9 %).

Schlechtere Noten als anderswo gebe es dagegen beim Thema Gewerbeflächen. Sowohl in Tuttlingen als auch in der ganzen Region Schwarzwald-Baar-Heuberg betrachten rund die Hälfte der Unternehmen die Verfügbarkeit von Flächen vor Ort als wichtig für ihr Unternehmen. Regionweit sind 36 Prozent der Unternehmer mit dem Angebot auch zufrieden – in Tuttlingen nur 21 Prozent.