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Shavei Zion und Tuttlingen wollen Kontakte vertiefen – Begegnungsreise voller Eindrücke


Tuttlingen wird seine Kontakte zur israelischen Gemeinde Shavei Zion vertiefen. Mit diesem Ziel und vielen Eindrücken kehrte die Tuttlinger Delegation am Sonntag von einer viertägigen Begegnungsreise aus Israel zurück.

Beeindruckend und bedrückend: Die Tuttlinger Delegation in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

Amos Fröhlich war überwältigt: „So viele Besucher aus meiner Heimatstadt“ sagte der 88-Jährige gerührt, als die Tuttlinger Delegation in Shavei Zion eingetroffen war. Fröhlich selber hatte den Anstoß zum Besuch gegeben – stammt doch seine Familie ursprünglich aus Tuttlingen. Nach seinem Vater Julius, der zu den Gründern Shavei Zions gehörte, ist seit 2015 der Julius-Fröhlich-Platz benannt.

Die Feiern zum 80-jährigen Bestehen des Ortes im, Norden Israels waren der Anlass zu der Reise – und beim Treffen im Gemeinschaftshaus bekräftigten sowohl OB Michael Beck als auch sein Amtskollege Yuval Simchony den Wunsch, die Begegnungen zu vertiefen. Am Beginn sollen Schülerbegegnungen stehen – erste Informationen und Kontaktadressen wurden bereits am Wochenende ausgetauscht, als symbolischer Auftakt der Städtefreundschaft wurden gemeinsam zwei Bäume gesetzt. Dass es wichtig sei, dass gerade junge Menschen aus Deutschland und Israel mehr voreinander lernen, unterstrichen sowohl Beck als auch Simchony: „Man muss früh anfangen“, so OB Beck. Nur so könne man die Idee von Völkerverständigung und Versöhnung weiter tragen. Und Yuval Simchony war sehr erfreut, dass eine Delegation aus der – verglichen mit dem deutlich kleineren Shavei Zion – „Großstadt Tuttlingen“ den Weg zu den Feiern gefunden hatte. Die wurden dann – mit den Tuttlingern als Ehrengästen – direkt unter freiem Himmel am Strand der Gemeinde abgehalten.


Bleibende Erinnerung: In Shavei Zion wurden zwei Bäume gesetzt.

War die Stimmung hier frisch und unkompliziert, waren viele der anderen Begegnungen während dieser Tage von Nachdenklichkeit geprägt. Die Erinnerung an den Holocaust ist in Israel ebenso allgegenwärtig wie die von Krieg und Konflikten geprägte Gegenwart. An der Wand des Raumes, in dem Amos Fröhlich die Tuttlinger Gruppe empfing, stehen die Namen von 115 Juden aus Rexingen – jenem Ort bei Horb, aus dem die meisten Gründer Shavei Zions kamen. Es sind die Namen derer, die den Holocaust nicht überlebten – weil sie sich die Reise nach Palästina nicht leisten konnten, oder weil sie die Gefahr nicht sahen und die Auswanderung als zu mühselig betrachteten. Schließlich war das spätere Israel um 1940 alles andere als einladend, Hitze und Malaria plagten die Einwanderer „Es war keine Wahlheimat“, erzählte Amos Fröhlich.

Bereits der Tag vor dem Besuch in Shavei Zion stand im Zeichen der Erinnerung. In Yad Vashem, der zentralen Holocaust-Gedenkstätte Israels, bekamen die Tuttlinger einen unmittelbaren Eindruck über das Unfassbare – unterstrichen auch durch die sehr persönlichen Schilderungen des israelischen Reiseführers Elias Kronstein, der die Gruppe begleitete. Er zeichnete drastisch den Weg von Diskriminierung über Verfolgung bis hin zur Vernichtung nach und führte die Gruppe auch in eines der beklemmendsten Mahnmale auf dem weitläufigen Gelände: dem Denkmal für die Kinder – ein dunkler Raum, in dem eine nicht enden wollende Liste mit Namen und Alter der Ermordeten verlesen wird.

Ein Treffen mit einem weiteren ehemaligen Tuttlinger gab es im Kibbuz Sha’ar HaAmakim: Benjamin Bienstock, der in Tuttlingen zur Schule ging, lebt seit rund 40 Jahren dort und führte die Besucher in die ungewohnte Welt der Kibbuzim ein.

Über die Gegenwart in Israel tauschte sich die Gruppe mit Pater Gregor Geiger in Jerusalem aus. Der Franziskaner lebt seit vielen Jahren in Israel – und sieht die Chancen auf einen echten Frieden und Austausch zwischen den Religionen eher skeptisch: Bereits ein friedliches Nebeneinanderleben ohne Gewalt müsse man als Erfolg betrachten.

Wie fragil der Frieden in Israel ist, wurde auch im Gespräch mit Amos Fröhlich deutlich: „Es gibt keinen Tag, an dem nicht die Vernichtung Israels gefordert wird“, berichtete er. Die aktuelle Regierungspolitik sah er kritisch – aber machte auch klar, dass Israel militärisch stark sein müsse: „Sonst gäbe es dieses Land nicht mehr.“