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17 weitere Stolpersteine erinnern an NS-Opfer - OB Beck: „Erinnerungskultur weiter wichtig“


17 weitere Stolpersteine verlegte der Künstler Gunter Demnig am Mittwoch in Tuttlingen. Sie erinnern an Tuttlinger Bürgerinnen und Bürger, die während der NS-Diktatur verfolgt, vertrieben oder auch ermordet wurden.


Erinnerung an die Familie Kälbermann: Gunter Demnig verlegt Stolpersteine in der Hermannstraße.

„In unserem Land ist etwas verrutscht“, sagte OB Michael Beck. Die Tatsache, dass im Vorfeld der Bundestagswahl die Erinnerungskultur mit Blick auf das NS-Regime in Frage gestellt werde, sei ebenso beunruhigend wie das zunehmende Nicht-Wissen:  „Erst jüngst wurde eine Studie veröffentlicht, nach der vier von zehn Jugendlichen nicht wissen, was in Auschwitz passiert ist“, stellte Beck fest.

Für Beck sind diese Entwicklungen eine Aufforderung, weiter eine aktive  Erinnerungskultur zu betreiben – „mit den Möglichkeiten, die wir als Stadt hier vor Ort haben.“ Froh war Beck in diesem Zusammenhang, dass der Gemeinderat dies bisher immer einstimmig unterstützte – auch bei der Gestaltung des Gedenkpfades Lager Mühlau, der Benennung des Julius-Fröhlich-Platzes und der ersten Stolpersteinverlegung vor einem Jahr. Wichtig sei dabei, nicht nur in Museen zu erinnern, sondern auch im öffentlichen Raum. Auch sei es entscheidend, die Menschen über Einzelschicksale emotional anzusprechen. Beides sei bei den Stolpersteinen von Gunter Demnig der Fall. Ergänzt werden die Stolpersteine wieder durch eine Dokumentation der Biographien auf der städtischen Website (www.tuttlingen.de/Stolpersteine). Hier dankte OB Beck Museumsleiterin Gunda Woll und einem engagierten Team an Ehrenamtlichen für ihre Arbeit.

 Sechs der am Mittwoch verlegten Stolpersteine in der Nendinger Allee 9 erinnern an die Geschichte der jüdischen Familie Fröhlich. Sie schaffte es zwar noch rechtzeitig, Tuttlingen zu verlassen, verlor aber ihre Heimat und musste in Israel unter schweren Bedingungen den Neubeginn wagen. Amos Fröhlich, der bei der Flucht acht Jahre alt war, kam zusammen mit seiner Frau Gilla sowie Freunden und Verwandten zur Verlegung. „Wir stehen hier vor Ihrem Haus und erinnern an das Schicksal Ihrer Familie“, sagte Beck, bevor Schülerinnen und Schüler des OHG auf die Geschichte der Familie Fröhlich eingingen.

Weitere Steine in der Ludwigstaler Straße 11, der Stuttgarter Straße 8 und im Flachsweg 2 erinnern an Hermann Steck und Gustav Adolf Hilzinger, der wegen ihrer Erkrankungen in der Heilanstalten Grafeneck und Hadamar ermordet wurden, sowie den politisch Verfolgten Oskar Heuberger. Gleich acht Stolperstein halten die Erinnerung an die jüdische Familie Kälbermann wach. Vier Familienmitglieder überlebten den Holocaust nicht. Und bei der Stolperstein-Verlegung in der Hermannstraße 23 fasste ein Satz über das überlebenden Vater das ganze Grauen zusammen: „Seine Familie sah er – anders als erhofft – nie wieder.“