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Bundesverdienstkreuzverleihung an Dieter Müller Freitag, 29. September 2017 – 11 Uhr - Stadthalle


Begrüßung und Würdigung
 
Lieber Dieter Müller,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
Sie erlebten soeben eine Premiere: Vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte eröffnete die Stadtkapelle Mühlheim eine Feierstunde zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in Tuttlingen – herzlich Willkommen in der Stadthalle. Dass wir heute musikalische Verstärkung aus dem Donautal haben, verwundert nicht – schließlich verbindet den zu Ehrenden viel mit der Mühlheimer Stadtkapelle – doch dazu später mehr. 
 
Etwas ungewöhnlich ist auch die Uhrzeit und ich freue mich, dass trotzdem so viele unserer Einladung gefolgt sind. Die Planung war dem Kalender des ursprünglich vorgesehenen Festredners geschuldet - Innenminister Thomas Strobl. Wegen anderweitiger Termine ist er nun verhindert, um so erfreuter begrüße ich nun als Laudator
 
den Minister für Justiz und Europaangelegenheiten und unseren Wahlkreisabgeordneten Guido Wolf 
Als Vertreter der Politik begrüße ich auch
 
unseren Landrat Stefan Bär sowie seinen Vorgänger Hans Volle
meine Kollegen Emil Buschle und Willi Kamm
sowie zahlreiche Gemeinderätinnen und Gemeinderäte. 
Man hat fast den Eindruck, dass das Gremium heute geschlossen angetreten ist um dabei zu sein, wenn eines ihrer Mitglieder eine besonderer Ehrung erhält. Das ist ein gutes Zeichen. Es spricht für das gute und freundschaftliche Klima in unserem Stadtrat. Herzlich willkommen also zu einer fast schon informellen Stadtratssitzung.
 
Als Gemeinderat entscheidet Dieter Müller seit vielen Jahren mit darüber, welchen Menschen unsere Stadt eine besondere Auszeichnung verleiht. Viele dieser Geehrten sind jetzt dabei, wenn heute er gewürdigt mit. Ich begrüße
 
aus den Reihen der Ehrengeschenkträger

meinen Vorgänger im Amt des Oberbürgermeister, Heinz-Jürgen Koloczek mit seiner Ehefrau Hiltrud
Erich Weber



die Kulturpreisträger

Udo Braitsch
Helmut Brand
Siegfried Burger
Günter Hermann
Christof „Stiefel“ Manz



die Sportpreisträger

Adolf Gerach
Helmut Pauli



die Sozialpreisträger

Marianne Huegel
Tanja Müller-Zaum von der Initiative Nachtlager
Hans-Peter Seute vom Kinderschutzbund

Als Vertreter der Kirchen heiße ich willkommen
 
Dekan Matthias Koschar 
Ich begrüße zahlreiche Freunde, Weggefährten und Angehörige von Dieter Müller, allen voran seine Lebensgefährtin Roswitha Fugmann – und natürlich unseren zu Ehrenden. Herzlich Willkommen Dieter Müller.
 
Meine Damen und Herren,
 
wenn Dieter Müller heute mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wird, ist dies die Würdigung eines ganz besonderen  Lebenswerkes: Eines Lebenswerks, das Spuren in der Kommunalpolitik unserer Stadt hinterlässt, im Vereinsleben, in den Kirchen und Verbänden und in einzelnen Betreiben. Vor allem ist es ein Lebenswerk, das  seit vielen Jahrzehnten unter einem zentralen Thema steht – ein Thema, die viele Fragen aufwirft, und das oft auch unbequem ist. Denn es geht um entscheidende Fragen unserer Gesellschaft:
 
Was können wir für diejenigen tun, die weniger Glück im Leben hatten?
Welche Verantwortung tragen jene, die die breiteren Schultern haben?
Und wie können Politik und Gesellschaft genau hier steuern und eingreifen? Wie weit sollen sie? Wie weit müssen sie es sogar?  
Und die Fragen, die das Leben Dieter Müllers prägen, sind hoch aktuell – sie werden gerade wieder leidenschaftlich diskutiert in diesen Tagen und Wochen – jener aufgeregten Zeit vor und nun auch nach der Bundestagswahl. Und deshalb freue ich mich, dass wir Dieter Müller gerade heute für seine Verdienste ehren.
 
Ein besonderes Engagement ist oft in der eigenen Biographie begründet. Bei Dieter Müller trifft dies in besonderem Maße zu – und zwar in doppelter Hinsicht.
 
In jungen Jahren erkrankte Dieter Müller an Kinderlähmung – einer Krankheit, die heutzutage nahezu ausgestorben ist. Ihn aber beeinflusst sie bis heute. Und er machte dabei zwei elementare Erfahrungen:
 
Er spürte, dass man ohne jede eigene Schuld in Lebensumstände geraten kann, in denen man auf die Unterstützung anderer angewiesen ist.
Und er erkannte, dass ein Schicksal auch eine Herausforderung sein kann – eine Herausforderung, trotz ungünstigerer Startbedingungen das bestmögliche zu erreichen – und dem Schicksal somit nicht mehr Raum im eigenen Leben zuzugestehen, als es unvermeidbar ist. 
Diese Grunderfahrungen begründen Dieter Müllers Engagement, das wir heute ehren. Und die Art und Weise, wie er sich seit Jahrzehnten engagiert, ist ausgesprochen vielfältig:
 
als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht
als Vorsitzender der Fördervereins für die Heime der Stiftung Heiligenbronn
als Mitbegründer des Fördervereins für Obdachlose
als Personalrat und auch als Vertrauensmann der Schwerbehinderten bei seinem langjährigen Arbeitgeber, der Kreissparkasse
und als Gründer der dortigen Betriebssportgemeinschaft 
Näher auf seine Biographie wird gleich auch Guido Wolf in seiner Laudatio eingehen.
 
Wie bereits erwähnt, war Dieter Müller  sein Berufsleben über mit der Kreissparkasse Tuttlingen verbunden. Hier fing er 1966 als Bankfachwirt an, und viele Jahre war er Leiter der Geschäftsstelle in der Stockacher Straße. Als solcher war er immer ein Banker mit einem besonders hohen sozialen Verantwortungsbewusstsein. Davon profitierten zunächst einmal seine Kolleginnen und Kollegen, zumal Dieter Müller auch nicht vor Konflikten mit der Vorstandsebene zurückwich. Dass er zusammen mit der Gewerkschaft DAG einmal dafür gesorgt hat, dass bei der Kreissparkasse Tuttlingen gestreikt wurde, kam seinerzeit vermutlich einer Kulturrevolution gleich.
 
Kundinnen und Kunden wiederum berichten, dass die Sparkasse in der Stockacher Straße immer mehr war als eine normale Bankfiliale: Sie war immer auch ein An-laufort für die Menschen des Quartiers. Denn für sie war Dieter Müller immer da. Nicht nur in Bankfragen. Und schon gar nicht als Verkäufer, der nur an der Zahl seiner Abschlüsse interessiert war. Was freilich nicht heißt, dass man in der Stockacher Straße nicht gute Zahlen schrieb – im Gegenteil.
 
Die Sparkasse in der Stockacher Straße – sie war Dieter Müllers Kind. Und es wundert daher nicht, mit welcher Energie er auch aus dem Ruhestand dagegen kämpfte, dass „seine“ frühere Filiale möglicherweise geschlossen wird. So weit kam es bekanntermaßen dann nicht.
 
Gerade bei der Diskussion um die Sparkasse in der Stockacher Straße erlebte ich Dieter Müller auch in der Rolle, in der ich ihn bis heute oft erleben darf: In der des streitbaren Kommunalpolitikers. Und ein solcher ist er ohne Zweifel: Seit 1986 im Gemeinderat und seit 1994 im Kreistag, wo er elf Jahre auch an der Spitze der SPD-Fraktion stand.
 
Sowohl im Gemeinderat als auch im Kreistag sind es die sozialen Themen, die ihn besonders beschäftigen. Denn Dieter Müller ist kein Gemeinderat, der das Ziel seiner politischen Arbeit vor allem darin sieht, dass während seiner Amtszeit möglichst viele Denkmäler errichtet werden. Für ihn misst sich die Erfolgsbilanz der Kommunalpolitik nicht in Investitionssummen und umbautem Raum, in der Zahl der Spatenstiche und Richtfeste. Ihm es wichtiger, dass die Stadt dazu beiträgt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dass sie die Angebote für Senioren oder Jugendliche ausbaut. Dass sie die Arbeit sozialer Initiativen nach Kräften fördert. Und vor allem, dass sie bei jeder Entscheidung auch an die Interessen derer denkt, die selber zu schwach oder zu bescheiden sind, diese selber lautstark zu artikulieren.
 
Denn Dieter Müller kennt diese Interessen. Denn er macht sich die Mühe, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Auch wenn dies nicht die gediegenen Wohnviertel der Mittelschicht sind. In vielen Wahlkämpfen absolvierte er unzählige Hausbesuche. Und er machte dabei die ähnlichen Erfahrungen, die auch ich immer wieder mache, wenn ich Jubilare in der Stadt besuche. Denn regelmäßig erschrickt man dabei, unter welchen Umständen auch in einer reichen Stadt wie Tuttlingen manchen Menschen leben – und zwar mehr, als man zunächst denkt. Dieter Müller wirft regelmäßig den Blick auch hinter deren Haustüren. Und er erinnert uns daran, dass es Aufgabe der Kommunalpolitik ist, auch und gerade für diese Menschen zu arbeiten.
 
Doch es gibt nicht nur den Politiker Dieter Müller, den kritischen Gemeinderat dem ein klares Statement im Zweifelsfall wichtiger ist als Harmonie und Einigkeit im Gremium. Es gibt auch den Kultur- und Genussmenschen, wobei er seine Aktivitäten dabei in einer bemerkenswerten Weise geographisch entlang der Donau verteilt:
 
In Tuttlingen bespielt er die politische Bühne – in Mühlheim war es über viele Jahre die Theaterbühne. Und zwar seit 1971 als aktives Mitglied der Laienspielbühne Mühlheim.
In Tuttlingen haut er im Gemeinderat auf die Pauke – in Mühlheim war er lange im Schlagzeugregister der Stadtkapelle. 
Dass Dieter Müller in beiden Vereinen im  Laufe der Jahre auch den einen oder anderen Vorstandsposten bekleidete, versteht sich bei ihm fast von selbst. Denn Dieter Müller ist immer da, wenn man jemanden braucht – und sich viele andere schnell wegducken.  Eigentlich hätte man ihn heute auch in Mühlheim ehren können. Aber dafür kamen ja jetzt die Mühlheimer zu uns.
 
Dieses Verantwortungsgefühl lebt er übrigens auch privat. Im Verhältnis zu seinen Eltern wurde dies besonders deutlich. Der enge Familienbezug hielt über Jahrzehnte. Und bis zum Schluss war er für sie da. Auch hier wählte er nicht den bequemen Weg.    
 
Dass Dieter Müller bei all seinen Verdiensten auch ein gesundes Maß an Selbstironie behalten hat, macht ihn besonders sympathisch. Er kann über sich und seine eigenen Schwächen lachen. Und so erklärt das sozialdemokratische Urgestein seine unverbrüchliche Liebe zu einer etwas nobleren Automarke mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten: Wer so Auto fahre wie er, der brauche einfach eine gute Knautschzone.
 
Bei seinem kulturellen, sozialen oder kommunalpolitischen Engagement freilich braucht Dieter Müller keine Knautschzone – hier fährt er einen klaren Kurs. Er gehört zu den Menschen, ohne die unser Gemeinwesen ein anderes wäre – und zwar kein besseres. Vor allem aber prägt er seit vielen Jahren das gesellschaftliche Klima in unserer Region mit
 
Dieter Müller ist die Stimme des Sozialen in Stadt und Kreis. Und unsere Gesellschaft braucht  Menschen wie Dieter Müller. Deshalb freue ich mich, dass er nachher aus den Händen von Innenminister Guido Wolf das Bundesverdienstkreuz erhält.