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Sanierungsprojekt "Die soziale Stadt": Mehr Lebensqualität für die Schmelze


Mehr Lebensqualität für die "Schmelze": Dieses Ziel verfolgt die Stadt mit einem Sanierungsprojekt, das Anfang 2006 startet. Erneuert werden dabei nicht nur die Sozialbauten im Viertel an der Bahnlinie sondern auch die gesamten Außenanlagen. Auch die Caritas bekommt für ihre Kontaktstelle neue Räume. Alles in allem geben die Stadt und die Wohnbau 1,2 Millionen Euro aus.

Sanierungsprojekt
Freuen sich auf mehr Lebensqualität in der Schmelze:
Susan Stiegler-Irion (Caritas), Klaus Jansen (Stadt Tuttlingen)
und Eva-Maria Sorg (Caritas).

Die Fassade ist grau, das Treppenhaus heruntergekommen, die Fenster zerbröselt. "Bei einem heftigen Windstoß gehen sie auf", berichtet Eva-Maria Sorg. "Aber eigentlich hätte das Haus ja auch nur ein Provsorium für Flüchtlinge sein sollen." Für Flüchtlinge aus dem Zweiten Weltkrieg, wohlgemerkt. Doch bis heute werden die 18-Wohnungen genutzt. Als Notunterkunft ganz unten. Und für die Caritas-Kontaktstelle, in der Eva-Maria Sorg als eine von drei Sozialarbeiterinnen tätig ist.

Die Tage des Provisoriums in der Schmelze sind allerdings gezählt. Schon im kommenden Jahr erhalten die Bewohner bessere Wohnungen. Und für die Caritas wird ein Neubau in der Nähe der Bahnlinie errichtet. In den Container-Schnellbauten werden sowohl die Büros und Beratungszimmer als auch ein Jugendraum und die Räume für die Hausaufgabenbetreung untergebracht. "Darauf freuen wir uns besonders", sagt Susan Stiegler-Irion, Fachbereichsleiterin bei der Caritas. "Gerade die Arbeit mit Kindern wird durch neue Räume in einem angenehmen Umfeld erheblich erleichert."

Der Neubau für die Caritas ist Teil eines 1,2 Millionen-Euro-Projektes. Unter dem Stichwort "Die soziale Stadt" engagieren sich die Stadt Tuttlingen sowie die Tuttlinger Wohnbau, der die sechs Wohnblocks im Sanierungsgebiet gehören. Während die Wohnbau bereits seit 2004 die Sozialwohnungen modernisiert, lässt die Stadt ab 2006 die Außenanlagen neu gestalten, legt einen Spiel- und Bolzplatz an und baut auch das neue Caritas-Gebäude. Das völlig marode Mietshaus In der Schmelze 1 wird abgerissen. Ab 2007 wird die Straße erneuert, ab 2008 ein neues Wohnhaus gebaut. "In den letzten Jahren haben wir viel Geld für repräsentative Projekte ausgegeben", sagt Stadt-Pressesprecher Jörg Kaltenbach, "um so wichtiger ist es, sich auch hier zu engagieren."

Mit "hier" meint Kaltenbach ein Viertel mit einer relativ schwierigen Sozialstruktur: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, der Ausländeranteil liegt bei über 90 Prozent - wobei Caritas-Fachbereichsleiterin Stiegler-Irion Wert darauf legt, nicht die ganze "Schmelze" über einen Kamm zu scheren: "Auch hier gibt es viele Familien, in denen alles seine ganz normalen Weg geht." Allerdings gibt es auch viele, bei denen das nicht der Fall ist.

Deswegen beschränkt sich das Sanierungsprogramm auch nicht auf bauliche Maßnahmen, sondern bezieht die Bewohner mit ein: So kamen Mitarbeiter des Planungsbüros Senner schon früh ins Viertel, um sich Anregungen zu holen, die dann in die Planung einflossen. Und dann gibt es eine enge Abstimmung mit den Sozialarbeiterinnen der Caritas-Kontaktstelle, die seit 1985 Sozialarbeit in der Schmelze leisten. Durch diese Verknüpfung von Städteplanung und Sozialarbeit kommt die Stadt auch in den Genuss von Fördermitteln aus dem Landesprogramm "Die soziale Stadt": Der erste Bauabschnitt wird mit 60 Prozent bezuschusst.

Doch nicht nur deswegen ist die Stadt froh an der Arbeit der Caritas: Das Angebot wird nämlich sehr stark genutzt: 200 Erwachsene suchten im letzten Jahr die Kontaktstelle auf, dazu kamen 575 Beratungen von Kindern - die Teilnehmer der zahlreichen Freizeit- und Hausaufgabenprogramm nicht eingerechnet. Von Schulproblemen über Hilfe bei Bewerbungen bis zu Schwierigkeiten mit den Eltern reichten die Sorgen der Kinder und Jugendlichen.

"Hier wird sehr wertvolle Arbeit geleistet", bestätigt auch Klaus Jansen vom städtischen Fachbereich Jugend, Familie und Soziales. "Die Zahl der Jugendlichen, die in ein Heim eingewiesen werden müssen, sinkt hier von Jahr zu Jahr." Auf diese Weise rechnet sich die Sozialarbeit auch finanziell: Je 50 000 Euro pro Jahr geben Stadt und Kreis für die Kontaktstelle aus - für dieses Geld lassen sich gerade mal zwei Heimplätze finanzieren. Von den menschlichen Schicksalen ganz abgesehen.