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Altes Krematorium ins Denkmalbuch eingetragen - Regierungspräsident von Ungern-Sternberg dankt Initiative


Seit dem gestrigen Mittwoch ist es amtlich: Das Alte Krematorium ist als besonderes Kulturdenkmal ausgewiesen und steht somit unter besonderem Schutz. Regierungspräsident Dr. Sven von Ungern-Sternberg übergab die entsprechenden Urkunden an Oberbürgermeister Michael Beck sowie an Barbara Dieterich und Henner Lamm von der Initiative Krematorium.

Altes Krematorium
Erfreut über den Eintrag ins Denkmalbuch (von links): Oberbürgermeister
Michael Beck, Henner Lamm, Barbara Dieterich, Regierungspräsident Dr. Sven von
Ungern-Sternberg.


Frostig waren die Temperaturen, einzelne Besucher rieben sich die Hände über den Kerzen auf den Stehtischen, die Stimmung im alten Krematorium war dafür um so wärmer. Schließlich sparte Regierungspräsident Dr. Sven von Ungern-Sternberg auch nicht mit Lob für die Initiative Krematorium: "Hier ist ein ausgeprägter Bürgersinn deutlich zu erkennen", sagte er an die Adresse von Barbara Dieterich und Henner Lamm, "ich würde mich besonders freuen, wenn solche Beispiele Schule machen". Schließlich wäre es ohne die Initiative und die von ihr zusammengetragenen Spenden in Höhe von rund 150 000 Euro kaum möglich gewesen, das Krematorium zu erhalten.

Durch die Ausweisung als besonderes Kulturdenkmal steht das Alte Krematorium nun unter besonderem Schutz und wird ins Denkmalbuch eingetragen. Konkret bedeutet dies, dass sämtliche nennenswerten Änderungen am Gebäude und auch seiner Umgebung genehmigungspflichtig sind. Das Gebäude muss also langfristig in seinem jetzigen Charakter erhalten bleiben.

"Jetzt ist es endgültig amtlich, dass das Gebäude nicht mehr abgerissen wird", sagte Oberbürgermeister Michael Beck in seiner Begrüßung. Gleichzeitig gab er auch gleich eine Anregung für die künftige Nutzung: In einem Trakt des Gebäudes könnte sich der OB eine Gedenkstätte an das Lager Mühlau vorstellen.

Vor den rund 60 Gästen der Feier dankte Barbara Dieterich allen, die während der letzten drei Jahre das Projekt mit Spenden oder aktiver Mitarbeit unterstützt haben. Dass gerade am Tag der Denkmal-Feier die Buntglasfenster nicht zu sehen waren, bedauerte sie sehr, zumal sie bereits fertig restauriert sind: "Diese Woche hätten sie eingebaut werden sollen," berichtete sie, "aber Hoch Klaus hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bei diesen Temperaturen war es einfach nicht möglich."

Hintergrund :

Landesdenkmalamt: "Krematorium von hohem baukünstlerischem, wissenschaftlichem, kulturhistorischem und heimatgeschichtlichem Rang"

Das Krematorium Tuttlingen wurde in den Jahren 1925 bis 1927 auf dem nach Südwesten erweiterten Friedhofsgelände an der Stockacher Straße errichtet. Der Entwurf geht auf den Architekten Paul Biber zurück. Für die künstlerische Ausstattung war damals die Glasmalereifirma Wilhelm Pfau, Stuttgart, verantwortlich. Bauherren waren die Stadt Tuttlingen und der 1911 gegründete Feuerbestattungsverein Tuttlingen.

Der Architekt hat sich in seiner Konzeption an profanen Herrschaftshäusern des 18. Jahrhunderts orientiert. Wie eine kleine Schlossanlage fügt es sich durch seine geschwungenen Konturen und seine langgestreckten Flügel harmonisch in die umgebende Parklandschaft ein. Dieser heitere Charakter der Architektur wird jedoch durch die maßvolle, eher strenge, vergleichsweise schmucklose Fassadenbehandlung in ernste Würde umgedeutet. Aus gesellschaftspolitischen und religionspolitischen Gründen resultierte damals die Forderung nach einer interkonfessionellen Formgebung, also einer Architektur, die keinem Sakralbau einer bestimmten Glaubensrichtung ähnelte. Dem Architekten ist es gelungen, die geforderte konfessionelle Neutralität des Gebäudes zu wahren. Es gleicht weder einer Kirche noch einem Tempel noch einer sonstigen Glaubenseinrichtung. Es weicht damit von der tradierten Formensprache dieses Bautyps entschieden ab und präsentiert sich als individuelle Schöpfung mit eigenständigem Charakter.

Das Krematorium war der dritte Neubau eines Krematoriums in Württemberg. Es hat seit seiner Vollendung im Jahr 1927 kaum Veränderungen in seiner Substanz und in seinem Erscheinungsbild erfahren. Kein anderer Vertreter dieses Bautyps birgt eine derart komplette Überlieferung bauzeitlicher Ausstattung. Sämtliche Fenster, Türen, Böden, Lampen, Gitter und Treppengeländer, kurz die gesamte wandfeste Ausstattung ist original erhalten. Die überlieferte technische Ausstattung befindet sich in funktionsfähigem Zustand. Die Versenkungsanlage gilt landesweit als Rarität. Der in seiner Komplettheit seltene Bestand weist ein hohes Maß an Authentizität auf.

"Aufgrund seines hohen baukünstlerischen, wissenschaftlichen, kulturhistorischen und heimatgeschichtlichen Ranges und der beeindruckenden originalen Überlieferung von Baukörper und Ausstattung stellt das Krematorium Tuttlingen ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung dar, an dessen Erhaltung ein gesteigertes öffentliches Interesse besteht", heißt es im Eintragungsbescheid.