Tuttlingens heimlicher Hausberg: Ausstellung im Fruchtkasten über den Hohentwiel
10.10.2016
„Tuttlingen und der Hohentwiel“ ist der Titel der neuetn Ausstellung im Fruchtkasten. Eröffnet wird sie am Freitag, 14. Oktober, um 19 Uhr im Rathausfoyer durch Ersten Bürgermeister Emil Buschle. In die Ausstellung führen die Museumsleiterin Gunda Woll, der Stadtarchivar Alexander Röhm und der Kreisarchivar Dr. Hans-Joachim Schuster ein.
Vielfältig sind die historischen Beziehungen der Stadt Tuttlingen zu dem markanten Hegauberg. Von 1830 bis Ende 1968 gehörte die württembergische Exklave mit der imposanten Landesfestung verwaltungstechnisch zu Tuttlingen. Dies bedeutete, dass die Bewohnerinnen und Bewohner das Tuttlinger Bürgerrecht erlangen konnten, sie Stimmrecht bei den hiesigen Wahlen hatten und in das Tuttlinger Stadtparlament gewählt werden konnten. Andererseits bedeutete es, dass der Tuttlinger Schornsteinfeger auf den Hohentwiel fuhr, um dort die Kamine zu kehren. Ebenso war das Tuttlinger Standesamt für die Hohentwielbewohner zuständig. Denn der Hohentwiel war württembergisch, das umliegende Gebiet aber badisch. Deshalb waren die Exklaven Hohentwiel und der nahe Bruderhof dem Oberamt und der Stadt Tuttlingen zugeteilt worden. Für die Wahrung der Amtsaufgaben wurde ein so genannter Anwalt eingesetzt. Meist war dies der Festungsaufseher, der auch den Gästen die Ruine zeigte. Er war zuständig für die Wahrung der Ordnung und das Bewachen der Landesgrenze.
Die besondere Lage außerhalb der württembergischen Landesgrenzen führte dazu, dass der Berg für politische Aktionen ausgesucht wurde. So ging 1833 das Gerücht um, dass auf dem Hohentwiel ein zweites Hambacher Fest stattfinden sollte, was sich allerdings als Ente entpuppte. 1895 sprach der Arbeiterführer August Bebel vor 4.000 Zuschauer auf den mächtigen Berg. Die mitgebrachten Fahnen durften auf badischen Terrain nicht ausgerollt werden, lediglich auf der württembergischen Exklave, die weit vom württembergischen Kernland entfernt war, konnte das Arbeiterfest ungehindert stattfinden.
Nach der Gründung des Südweststaates war die Grenze zwischen Baden und Württemberg verschwunden und die Stadt Singen wünschte, dass der Hausberg auch hoheitlich zu ihr fallen sollte, Tuttlingen wollte den imposanten Berg aber nicht abtreten. Jährlich tagte der Gemeinderat einmal dort und genoss Wein und Aussicht. Diskussionen, die immer mehr in einen Pressekrieg ausarteten, beschäftigten die beiden Städte fast 20 Jahre lang. Zunächst musste Singen zurückstecken und unterlag 1955 mit einem Initiativegesetzvorschlag, 1968 war die Zeit dann aber reif für neue Lösungen. Zunächst wurde der Bruderhof 1966 für 500 000 Mark an die Stadt Singen veräußert. Dann folgte zum 1. Januar 1969 der Übergang des Hohentwiel nach Singen per Gesetz.
Das Herz der patriotischen Württemberger blutete. Schließlich war der Hohentwiel eine Landesfestung, von der aus württembergische Herzog Ulrich sein Land zurückerobert hatte. Es war die Festung, die nie eingenommen wurde. Im Dreißigjährigen Krieg hatte sie der wackere Kommandant Konrad Widerholt standhaft verteidigt und war damit der Inbegriff von Treue und Patriotismus geworden. Für die Tuttlinger ist freilich ein Wermutstropfen mit der Wirken Widerholts verbunden: Er zerstörte die Festung Honberg, um den Gegnern keinen Rückzugsort zu bieten. Die Festung Hohentwiel wurde 1800 im 2. Koalitionskrieg von den Franzosen zerstört, nachdem sie der damalige Kommandant ohne Kampf übergeben hatte. So entstand der Mythos der Burg, die nicht besiegt, sondern durch Verrat fiel. Im 19. Jahrhundert erschien der Roman Ekkehard, der sich zu einem Bestseller entwickelte und bis ins 20. Jahrhundert gelesen wurde. Die unglückliche Liebe der Herzogin Hadwig von Schwaben zum Mönch Ekkehard rührte die Nation und verschaffte dem Hohentwiel zusätzliche Popularität.
Die Ausstellung illustriert mit Bilder, Fotos und Zeitungsausschnitten die vielfältigen Beziehungen von Tuttlingen zum Hohentwiel und führt damit auch durch die Geschichte der Festung, deren Ruine heute als die größte Festungsruine Deutschlands gilt.
Die Schau ist bis 22. Januar 2017 im Hugo-Geißler-Saal des Fruchtkastens zu sehen und kann samstags, sonntags, dienstags und donnerstags von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden.
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