Vorlesen

Demonstration "Tuttlingen ist bunt" - Sonntag, 12. Juni 2016, Place de Draguignan


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Bürgerinnen, lieber Bürger,
 
das hat es in Tuttlingen schon lange nicht mehr gegeben. Zuletzt vor 29 Jahren gab es hier  eine große Demonstration gegen rechts. Heute ist eine Breite und Vielzahl in der Stadt unterwegs die es so in der Form noch nie gab. Ich begrüße zuerst alle, die noch nie auf einer Demonstration waren. Ein herzliches Willkommen!
 
Ich grüße die gesamte Bürgerschaft, alle Fraktion des Gemeinderats, darüber freue ich mich sehr, dass die gewählten Vertreter der Bürgerschaft heute hier Farbe bekennen.
Ich begrüße Sie nicht zur Gegendemonstration  - sondern zur Kundgebung für Weltoffenheit und Solidarität. Ein herzliches Dankeschön gilt auch den Sicherheitskräften, die aus dem gesamten Bundesgebiet da sind. Sie ermöglichen, dass wir das Demonstrationsrecht hier in Deutschland wahrnehmen können und die Demonstration beschützen und unser Grundrecht überhaupt ermöglichen. Ein herzliches Dankeschön!
 
Es gab Zeiten, in denen TUT einen zweifelhaften Ruf hatte. Die NPD erzielte hohe Wahlergebnisse und war im Gemeinderat vertreten. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei – und werden hoffentlich auch nicht wieder kommen. Dies wird auch heute deutlich: Deutlich mehr Menschen demonstrieren für Weltoffenheit als für Angst, für Toleranz als für Ausgrenzung, für Nächstenliebe als für Hass.
 
Schon vor ein paar Jahren gab es in Tuttlingen eine breite Bewegung – damals gegen NPD-Landeszentrale in der Stadt. Es war ein beeindruckendes Bekenntnis aller, die zur Demokratie und zu unserer Verfassung stehen. Daran knüpfen heute wir heute an – vielen Dank, dass Sie dabei sind.
 
Dieses Bündnis, und darüber bin ich sehr froh, ist ein breites Bündnis, das parteien- und weltanschauungsübergreifend bei diesem wichtigen Anliegen geschlossen hinter dieser Demonstration steht. Es bekennt sich zu den Werten des Grundgesetzes, zu Toleranz und Demokratie, zu Menschenrechten und für Nächstenliebe.
 
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser Satz aus Artikel 1 des Grundgesetzes ist für die Stadt Tuttlingen und die Mitglieder des Gemeinderates Verpflichtung. Er steht über unserer Arbeit und über den Fragen des politischen Alltags. Und weil dieser Grundsatz ebenfalls unantastbar ist, kann es auf Rassismus und Menschenfeindlichkeit nur eine klare Antwort geben. Und die heißt Nein.
 
Im Grundgesetz steht „Menschen“ - nicht „Deutsche“. Es gilt für alle - ganz gleich, welcher Herkunft, welcher Hautfarbe, welcher Religion oder welcher politischen Überzeugung sie sind. Daher wehren wir uns dagegen, wenn nun versucht wird, in unserer Stadt Hass zu schüren, Ängste zu säen und Gräben zwischen Menschen aufzureißen.
 
Die Politische Lage hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre dramatisch geändert. So viele Flüchtlinge wie nie zuvor kamen zu uns über eine Millionen sind es in Deutschland, 500 in Tuttlingen. Dies ist eine große Herausforderung für uns alle – für die Politik und die Verwaltung, für unsere ganze Bürgergesellschaft, wohl wahr.
 
Diese Herausforderung schafft auch Ängste – und manche schlagen daraus Kapital. Europaweit sind rechtspopulistische und fremdenfeindliche Parteien auf dem Vormarsch. Doch zunehmend wird deutlich, dass sich unter dem Deckmantel der „besorgten Bürger“ oft unverhohlener Rassismus verbirgt.
 
Unter dem Vorwand der Sorge wird Hass geschürt. Manche fordern gar den Schießbefehl auf Flüchtlinge. Die anderen hetzen gegen Fußball-Nationalspieler, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben und wollen sie nicht zum Nachbarn haben.
 
Dass Bürger Ängste haben, ist menschlich und verständlich – jede Veränderung sorgt schließlich auch für Verunsicherung. Auf Ängste darf man aber nicht mit Hass reagieren. Wir müssen konstruktiv an Lösungen arbeiten.
 
Aufgabe der Politik ist es dabei, alles dafür tun, dass wir die große Aufgabe der Integration meistern – vom Sprachkurs über die Wohnungsversorgung bis Hilfe bei der Arbeitssuche. Aufgabe für die Gesellschaft ist es, dabei aktiv mitarbeiten – und Flüchtlinge in unser Wertesystem integrieren. Dabei müssen wir auch deutlich machen, welche Werte bei uns unverhandelbar sind, von der Gleichheit von Mann und Frau bis zum Gewaltmonopol des Staates
 
Diese Aufgabe erfordert Mut, Zeit und Kraft – nicht Angst.

Wir brauchen Menschen, die sich für Fremde engagieren und ihnen bei ihrem schweren Weg helfen – nicht solche, die Zwietracht und Hass säen.
 
Wir müssen Fremde für unsere Gesellschaft gewinnen – und nicht ausgrenzen.
 
Je besser uns Integration gelingt, desto weniger haben Fremdenfeinde Argumente. In Tuttlingen sind wir hier auf einem guten Weg. Die Integration der Flüchtlinge funktioniert bis jetzt ohne nennenswerte Konflikte. Zahlreiche Helfer arbeiten mit – dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.
 
Bei Einwohnern aus über 100 Nationen ist das Zusammenleben mit Menschen aus anderen KuIturen aber auch nichts Neues. Wir sind in der Stadt gut aufgestellt. Wir haben vor Jahren einen Integrationsbeirat ins Leben gerufen, wir haben erst jüngst vor Pfingsten eine Allianz für Weltoffenheit und Toleranz gegründet, alle gesellschaftlichen wirken in der Stadt zusammen, um genau dieses Ziel zu erreichen. Und da lassen wir uns nicht von ein paar wenigen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis sagen, wo’s langgeht.
 
Ich hoffe daher, dass sich nachher auf dem Marktplatz nur ein paar wenige verlieren werden – und dann merken, dass sie hier keinen zweiten Spaziergang organisieren müssen.
 
Lassen Sie uns also gemeinsam, mit Ihrem persönlichen Engagement, mit Empathie und auch Optimismus diesen rechten Tendenzen entgegen treten. Denn auf die schwierigen Fragen unserer Zeit gibt es keine einfachen Antworten. Schon gar keine, die auf Hass, Ausgrenzung und Vorurteilen beruhen.
 
Deshalb geben wir heute ein klares Bekenntnis ab, Sie alle geben es durch Ihre Anwesenheit ab:

Tuttlingen bleibt international.
Tuttlingen bleibt weltoffen.
Tuttlingen bleibt tolerant. 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Sie können auch in Zukunft darauf vertrauen, dass wir, die in dieser Stadt politische Verantwortung tragen, jede Gelegenheit nutzen werden, um diesen widerlichen Tendenzen entgegen zu treten.  
 
Wir werden auch weiter dafür eintreten, wofür wir gewählt sind: Für das Wohl unserer Bürgerschaft, für die Internationalität unserer Stadt, für die über 100 Nationen, die wir in unserer Stadt beheimaten – und so soll es auch in Zukunft bleiben. Vielen Dank.