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Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2016 der LBU-Fraktion von Frau Petra Schmidt-Böhme


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Beck,
Sehr geehrte Herren Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren in der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrte, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
 
Gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick auf das nun zu Ende gehende Jahr 2015: Dieses Jahr war in ganz besonderer Weise geprägt von den Flüchtlingsströmen, die aus Syrien, Westafrika und vom Balkan nach Europa gekommen sind und auch in unserer Stadt und im Landkreis Tuttlingen Zuflucht suchten und weiterhin suchen.
Die Flüchtlingszahlen sind noch nie in den vergangenen Jahren so hoch gewesen. Zwar liegt die Verantwortung der Verteilung der Flüchtlinge bei der Landesregierung und die Unterbringung vor Ort hauptsächlich bei der Landkreisverwaltung, aber
wir alle sind dankbar, dass Sie, Herr Oberbürgermeister federführend gemeinsam mit dem Team in der Verwaltung um Frau Demmer die Unterbringung und Begleitung von Flüchtlingen unaufgeregt und in menschlich angemessener Weise unterstützt haben, dabei hat Sie auch der gesamte Gemeinderat wohlwollend begleitet.
Auch die Zusammenarbeit mit der Initiative Asyl wird in Absprache und vorbildlicher Weise von der Stadtverwaltung, von eben dem genannten Team um Frau Demmer unterstützt, so gelingt die Zusammenarbeit mit vielen ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern auf verschiedenen Ebenen sehr gut.
 
Wir hoffen, dass der Flüchtlingszustrom, mit dem auch viele junge Menschen zu uns in die Stadt gekommen sind, ein Segen für unsere Stadt werden wird, wenn die Menschen ihre teilweise traumatischen Erlebnisse verarbeitet haben, mit ihrer Anerkennung als Asylberechtigte in verschiedene Stadtviertel integriert werden, unsere Sprache sprechen können und hier Arbeit und somit eine neue Heimat bei uns gefunden haben werden.
 
Der Haushalt 2016 ist geprägt von einigen großen und wichtigen Investitionen, die den gesamten Finanzplanungszeitraum der Stadt finanziell enorm belasten werden, das heißt, wir binden uns für die nächsten Jahre erneut mit großen Fortsetzungsmaßnahmen  durch Verpflichtungsermächtigungen mit 13,58 Mio. Euro – einer Steigerung gegenüber Vorjahr von 5,6 Mio €!
 
Das größte und wichtigste Projekt:
Die Sanierung der Gymnasien. Wir waren gemeinsam vor Ort und haben gesehen, wie marode die Bausubstanz, des Immanuel Kant Gymnasiums ist, wie unzulänglich in beiden Gymnasien die Fachräume sind. Deshalb hat sich
der gesamte Gemeinderat dafür ausgesprochen, jetzt endlich in die 
Sanierung der in die Jahre gekommenen Gebäude des IKG und in die Ergänzung von Fachräumen am OHG und IKG zu beginnen.
Mit veranschlagten Kosten bis zum Jahr 2019 von ca. 16 Mio Euro, Gesamtkosten von 27,72 Mio Euro über das Jahr 2020 hinaus,
ein wichtiges, aber auch sehr ehrgeiziges Projekt.
Mögliche Fördertöpfe vom Land müssen unbedingt von der Verwaltung sorgfältig geprüft und entsprechend beantragt und abgegriffen werden. Die Regierungspräsidentin hat ja bei ihrem Besuch hier, ihr Wohlwollen deutlich signalisiert. auch im Zusammenhang mit dem Hochschulcampus, wo wir als Stadt in Vorleistung gegangen sind. Wir wünschen uns hier nach der Bewährungsphase mittelfristig eine Mitfinanzierung des Landes.
 
Die Gymnasien sind nicht die einzigen Schulen, die nach Erweiterung und Sanierung rufen. Mit dem Neubau des „Cube“, der Sporthalle und Mensa integriert, wollen wir die seit langem unbefriedigende Situation für die Karlschule ändern.
 
Des weiteren investieren wir gemeinsam mit dem Land und dem Landkreis in das Bildungsprojekt Innovations- und Technologietransferzentrum, das ein wichtiger Eckpfeiler für unsere kleineren Industriebetriebe bei Forschung und Lehre, aber auch für unsere Hochschule werden soll.
 
Die Hermann-Hesse Realschule hätte gerne ihren Altbau aus den Jahren 1966/67 energetisch saniert mit Fassadendämmung und neuen Fenstern. Wir können aber nicht alles auf einmal erledigen, die Hauptmaßnahmen sind in der H-H. Realschule in den letzten Jahren bewältigt worden, deshalb muss die Schule vorerst mit der Verschiebung dieser – im Verhältnis kleineren Maßnahme - leben. Der vorgeschlagene Kompromiss – Heizung höher drehen - ist nicht unbedingt ökologisch wertvoll, da der CO2-Ausstoß hier wohl leicht zunehmen wird, Kinder und Lehrer sollen aber nicht frieren im Unterricht.
 
In diesem Jahr wird auch der Anfang gemacht mit der Sanierung des Technischen Rathauses in der Waaghausstraße 2, wo der Brandschutz längst nicht mehr gewährleistet ist, barrierefreien Zugänge fehlen und man Räume im Obergeschoss hat, die man gut brauchen könnte, die aber wegen nicht einzuhaltenden Brandschutzauflagen nicht benutzt werden dürfen.
Wie wir aus der Vorlage 207/2011 wissen, wird uns die Instandhaltung von kommunalen Gebäuden in den kommenden Jahren weiter beschäftigen.
 
Schon in meinen Haushaltsreden 2014 und 2015 habe ich die Lücken im Fahrradwegenetz angemahnt. Wir hoffen doch sehr, dass nach dem Bau und der Einweihung des wirklich gelungenen Julius Fröhlich Platzes in diesem Jahr nun eine Lücke für die fahrradfahrenden Menschen in dieser Stadt geschlossen wird. Ein sicherer Fahrradweg soll aus der Nordstadt über die Radwegerampe von der Lessingstraße in die Hohner Straße gebaut werden.
 
Und – das ist maßgeblich wichtig für die Sicherheit der Radfahrer – es müssen zeitgleich verkehrstechnisch sichere Übergänge über die Ludwigstalerstraße installiert werden, um dann weiter entlang des Julius Fröhlich Platzes bis in die Schulen und in das östliche Wohngebiet zu gelangen.
Wir würden der Bauverwaltung gerne am Jahresende 2016 zu diesem Lückenschluss gratulieren und dann im nächsten Haushaltsplan Vorschläge von Ihnen zu weiteren Abschnitten zum Bau von Fahrradwegen, hin zu einem guten und sicheren Radwegenetz erhalten, denen wir dann gerne zustimmen werden.
Lehnen Sie Ihr Vorgehen an das Modell der Sanierung unserer Spielplätze an, jedes Jahr kommt einer dran. So zukünftig auch jedes Jahr ein Stück vom Radwegenetz, das gibt in wenigen Jahren endlich ein Ganzes!
Tipp: Seit 1994 gibt es verschiedene gute Planungen für solch ein gesamtstädtisches Netz, wahrscheinlich in den Schubladen der Bauverwaltung.
 
Mit dem Zuzug der Flüchtlinge ist erneut der Bau von bezahlbarem Wohnraum auf die Agenda gekommen. Zu lange hat unsere Tochter, die Tuttlinger Wohnbau, zwar Geld in die Sanierung ihres Wohnungsbestandes gesteckt, aber wenig neue bezahlbare Wohnungen gebaut. Jetzt kommen Projekte wie der Wohnungsbau an der Stuttgarter Straße, die Planung für Einfachhäuser im Koppenland auf städtischem Grundstück, sowie ein Neubau in der Jetterstraße, endlich in Gang. Das freut uns und wir hoffen, es geht an der Stelle auch noch weiter, bevorzugt auf innerstädtischen Baulücken oder Brachen.
Für das Union Areal muss ein Konzept entwickelt werden, bevor weitere Zuschüsse fließen können, für uns bietet sich hier innerstädtisches Wohnen an. Vielleicht im Zusammenhang mit Einkaufsmöglichkeiten, ein größerer innerstädtischer Lebensmittelladen käme wohl bei der Bevölkerung gut an.
 
Was machen wir mit dem Gelände, unterhalb des Kreisklinikums nach der Verlagerung des Reitstalls? Auch hier böte sich an, Wohnraum zu schaffen, nahe der Hochschule und quasi mitten in der Stadt.
Der Bau der neuen Feuerwache schreitet sichtbar voran, so wird absehbar das alte Feuerwehrareal auch für Wohnbebauung frei.
Schandflecken wie das Hotel Waldeck und das alte Fabrikgebäude von Marquard schreien nach Abriss und Neukonzeption.
Wir meinen, all das sind Flächen, auf denen die Innenentwicklung von Tuttlingen stattfinden kann. Wir waren und sind dagegen, über die Rußbergstraße hinaus die Nordstadt zu erweitern. Hier verfügen wir heute über wichtige Naherholungsflächen und fruchtbares Ackerland, beides sollte nicht ohne Not zerstört werden.
 
Auch in Gänsäcker in Möhringen bleiben wir bei unserem „Nein“ zur Entwicklung weiterer Gewerbeflächen, die ja jetzt mit dem modernen Wort „Bio-Medizintechnik-Park“ geadelt werden, was die Versiegelung der Landschaft aber nicht besser macht. In Neuhausen im Gewerbepark „Take Off“ sind noch
ca. 20 ha Fläche frei, Erweiterungsmöglichkeiten gibt es dort auch.
Warten wir die weitere Entwicklung der Medizintechnik ab, wenn die neuen
EU – Regeln zur Zertifizierung von Medizintechnikbetrieben in Kraft treten. Möglicherweise gibt es dann entscheidende Veränderungen beim Bedarf kleinerer Industrieparzellen, wenn kleinere Betriebe den Anforderungen möglicherweise nicht standhalten können.
 
Einer Verkaufsflächenerweiterung der großen Einkaufsmärkte außerhalb des Stadtzentrums erteilen wir weiterhin eine Absage. Wir stehen zum Zentrenkonzept, das wir für eine der wichtigsten Errungenschaften durch das Gutachten der GMA halten.
 
Zum Schluss möchte ich nun noch den zweiten großen Investitionsblock für den Finanzplanungszeitraum ansprechen, die Sanierung der Fußgängerzone und des Marktplatzes. Sie wissen, dass die große Mehrheit unserer Fraktion für die von der Verwaltung vorgeschlagene Sanierung ab 2016 ist und für eine Deckelung der Gesamtkosten von 6,5 Mio Euro  gestimmt hat.
Die Gegenstimme von unserem Kollegen Hans-Martin Schwarz möchte ich hier aber nicht unterschlagen:
Er hat in den Haushaltsvorberatungen differenziert die zunehmende Verschuldung der Stadt angemahnt, deutlich darauf hingewiesen, dass die Rücklagen der Stadt schon zum Jahresende 2016 auf die Mindestrücklage von 1,6 Mio. schrumpfen werden.
Angesichts des riesigen Finanzbedarfes für die Gymnasien über das Jahr 2020 hinaus, spricht er sich für eine Verschiebung der Innenstadtsanierung, das heißt einen späteren Sanierungsbeginn aus.
Ihm wäre eine deutlich günstigere Variante der Sanierung der Fußgängerzone und des Marktplatzes lieber.
Als haushaltspolitischer Sprecher unserer Fraktion nehmen wir seine mahnenden Worte ernst.
Alle miteinander müssen wir dafür sorgen, dass der Finanz-Topf für die Investitionen in der Fußgängerzone nicht zu heiß wird und überkocht.
Wir sind alle in der Verantwortung, dass es
„den Deckel nicht lupft“.
Deshalb lassen Sie uns wohl gute Qualität beim Material für den Ausbau verwenden, die Fußgängerzone und unseren Marktplatz als Anziehungspunkt für unsere Stadt gestalten, aber auf überflüssiges Beiwerk in den Detailplanungen verzichten, das in der Unterhaltung auch wieder steigende Folgekosten verursacht.
 
Unser Dank gilt zum Jahresende Ihnen, sehr geehrter Herr Beck, sowie den beiden Beigeordneten Herrn Buschle und Herrn Kamm und allen Fachbereichsleitungen mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre Arbeit. Das Ehrenamt im Gemeinderat gefällt uns, weil wir auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen in der Verwaltung vertrauen können, von den
immer freundlichen Damen in den Sekretariaten und in der Geschäftsstelle  Gemeinderat unsere Fragen stets unkompliziert beantwortet werden.
In diesem Gemeinderat wird fair gestritten, ohne persönliche Anwürfe und Kränkungen.
Bei aller politischer Unterschiedlichkeit können wir für unsere Stadt nur wirklich Gutes erreichen, wenn wir auch in Zukunft wichtige Projekte zusammen auf den Weg bringen oder auch gemeinsam dazu stehen, wenn wir auf Wünschenswertes aus Gründen der Vernunft verzichten müssen.
 
Wir bedanken uns bei allen Mitbürgerinnen und –bürgern für Ihre Anregungen und auch für Kritik, die wir uns aber manchmal in einem etwas moderateren Ton wünschen würden.
 
Das Ehrenamt ist unersetzlich, für ganz viele Bereiche in unserer Stadt brauchen wir tagtäglich die Herzen, den Verstand und die tatkräftige Unterstützung unserer Bürgerinnen und Bürger. Allen in vielfältiger Weise ehrenamtlich tätigen Menschen möchten wir heute ganz herzlich „Danke“
sagen.
 
Eine Bitte möchten wir aber auch noch aussprechen:
Wir möchten in einer Stadt leben, in der wir uns mit unseren Familien, Freunden, Gästen und Besuchern wohl fühlen. Deshalb appellieren wir an Sie alle, helfen Sie mit, unsere Stadt sauber zu halten. Haben Sie den Mut hinzuschauen und andere auf deren Unachtsamkeiten aufmerksam zu machen.
 
Wir wünschen Ihnen allen ein Frohes Weihnachtsfest mit Ihren Familien oder im Freundeskreis. Kommen Sie gut ins Jahr 2016,
bleiben Sie gesund und aktiv.
Für uns alle wünschen wir, dass auch in den kommenden Jahren der Frieden in Mitteleuropa bewahrt bleiben möge und wieder friedlichere Zeiten auf der ganzen Welt aufkeimen können.
Als Fairtrade Stadt leistet Tuttlingen seinen kleinen Beitrag dazu, der sicher noch ausbaufähig ist.
 
Die LBU stimmt mehrheitlich dem Haushalt 2016 zu.


Es gilt das gesprochene Wort.

14.12.2015, Petra Schmidt-Böhme, Fraktionsvorsitzende der LBU-Fraktion