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Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2015 der LBU-Fraktion von Frau Petra Schmidt-Böhme


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Beck,
Sehr geehrte Herren Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren in der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sehr geehrte, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
 
Szene 1:
Sitzung des Gemeinderates am 17.11.2014:  Einbringung des städtischen Haushaltes, alles ist in bester Ordnung:
Ein Zuwachs bei den Gewerbesteuern von 1,7 Mio. € gegenüber dem Plan von 2014 werden prognostiziert, wir erwarten 34,6 Mio € Gewerbesteuer.
 
Szene 2:
Das Telefon klingelt beim Oberbürgermeister. Am Apparat ist wohl eine böse Fee. Sie lässt das prall gefüllte Stadtsäckel in wenigen Sekunden um 3,2 Mio € schrumpfen und verwandelt den prognostizierten Zuwachs in Fehlbeträge.
 
Szene 3:
Haushaltsplanvorbereitungen im VFA:
Das Gremium muss mit reduzierten Ausgaben gegensteuern, damit der Haushalt nicht aus dem Ruder läuft und genehmigungsfähig bleibt.
Der Oberbürgermeister schlägt vor, pauschal 10% vom gesamten HH einzusparen.
So schlimm kommt es dann doch nicht, die Verteilung von Streichungen wird modifiziert, 1% im Personalhaushalt, 5% bei Schulen und Kindergärten, 8% in Kultur und Sport, 10% bei den Sachaufwendungen der Verwaltung
und einige Investitionen werden in die nächsten Jahre verschoben.
 
Szene 4:
Ende gut, alles gut?
Die böse Fee hat ihren Zauber verloren, gemeinsam hat man den bösen Fluch in ein gutes Ergebnis verwandelt, man ist jetzt mit
minus 504 000 € noch besser im Ergebnishaushalt, als vor dem Telefongespräch.
 
Wir haben 2015 einen Sparhaushalt, die Verwaltung muss in allen Bereichen harte Vorgaben erfüllen. Aber verglichen mit vielen Städten in anderen Bundesländern haben wir immer noch eine gute Ausgangsbasis.
 
Der Haushalt 2015 war auch vor den jetzt notwendigen Einschränkungen hauptsächlich von Fortsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen geprägt.
Die neue Feuerwache ist gut vorbereitet, sie hat lange in der Warteschlange ausgeharrt und 2015 wird gebaut, denn der alte Standort ist schon seit Jahren abgewirtschaftet.
Das städtische Vermögen ist wertvoll und muss gepflegt werden, bestehende Instandhaltungsrückstände müssen jetzt und in den kommenden Jahren aufgearbeitet werden, damit nicht noch größere Folgekosten entstehen.
Die Fußgängerzone wird jetzt hoffentlich zügig umgestaltet, damit Tuttlingen auch in Zukunft für die Bürgerschaft und für Besucher, für Touristen vom Donauradweg und überhaupt für alle Einkaufswilligen attraktiv bleibt, gerne auch noch attraktiver wird, denn der Wettbewerb unter den Städten ist hart. Die „Einkaufsmeile“ der Westlichen Innenstadt hat ja nun endlich die verdiente Aufwertung erfahren und muss zwingend schnellstmöglich zu Ende geführt werden.
Was noch auf dieser Meile fehlt: Ein öffentliches WC, das jederzeit für alle zur Verfügung steht. Mit der Antwort der Stadtverwaltung auf unsere Anfrage, ob ein öffentliches WC innerhalb der Bebauung der Tuttlinger Höfe zu verwirklichen ist, sind wir nicht einverstanden. Wir meinen, die Möglichkeiten dafür sind nicht hinreichend geprüft worden.
 
Und was wird mit dem Unionareal? Ein besonders wichtiges Sanierungsgebiet, mitten in der Stadt, einst geplant als Standort für eine „Shoppingmall“, anscheinend auch mit einem bösen Fluch belegt, jedenfalls sind alle bisherigen Pläne mit den Investoren nicht aufgegangen. Die Stadt hat hier viel Geld für den Ankauf von Immobilien ausgegeben, weitere Finanzmittel werden in 2015 dafür veranschlagt, jetzt muss ein gutes, sinnvolles Konzept erarbeitet werden, damit hier die Sanierungsmittel bis Ende 2016 – das ist das Verfallsdatum – abgerufen und diese schäbige Ecke Tuttlingens zukünftig mit neuem Leben gefüllt werden kann.
 
Die energetische Sanierung der Gymnasien ist inzwischen unumgänglich. Wir brauchen für die vielen Schüler dort nicht nur eine neue Mensa, sondern die Bausubstanz der Gymnasien ist dem Alter entsprechend in schlechtem Zustand. Die Räumlichkeiten, vor allem die Fachräume, sind längst nicht mehr auf dem Stand der heutigen Anforderungen. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, Synergien zu nutzen, die sich durch die räumliche Nähe der Gymnasien anbieten.
 
Beim Sport ist die Infrastruktur in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen auf einen guten Stand gebracht worden. Die Sanierung der beiden Sporthallen in der Jahnstraße, sowie des Donaustadions werden uns jedoch weitere Investitionen in die Erhaltung abverlangen.
Gute Sportangebote sind allen Menschen in der Stadt zugänglich und dienen in besonderer Weise der Integration.
So sind wir sehr froh, dass der Rotstift bei den Vereinen nicht angesetzt wurde.
 
Am vergangenen Freitag gab es eine provokante Überschrift im Gränzbote: Kinder kommen Stadt teuer zu stehen!
 
Solch ein Satz wirkt der Entwicklung zu einer familienfreundlichen Stadt absolut kontraproduktiv entgegen.
 
Jawohl, Kinder kosten Geld,
nicht nur die Stadt, sondern auch alle, die sich entscheiden, in dieser oft nicht sehr kinderfreundlichen Welt noch Kinder aufzuziehen. Die Anstrengungen vieler Familien ihren Kindern gerecht zu werden sind enorm und sie brauchen zunehmend Unterstützung. Vereinbaren von Beruf und Familie ist häufig zum Überlebenskampf geworden, besonders für Alleinerziehende, in der Regel sind das Frauen. Wir brauchen gute, flexible Betreuungseinrichtungen für alle Altersgruppen.
Die Umfrage bei den Eltern in Tuttlinger Kindergärten hat den Bedarf deutlich gemacht und die Stadt wird dankenswerter Weise darauf noch im kommenden Jahr mit neuen Angeboten reagieren.
Unter der Grün-Roten Landesregierung wird den Kommunen deutlich mehr Geld für die Kleinkinderbetreuung zugewiesen, als  in der Jahrzehnte langen Regierungszeit der CDU oder der Koalition von CDU und FDP.
Über diese spürbare Erhöhung von Grün-Rot sind wir froh, etwas mehr darf es bekanntlich immer sein. So machen wir uns stark für diese Landesregierung, auch über das Jahr 2016 hinaus das Land zu führen.
 
Für den motorisierten Individualverkehr wurde gerade in jüngster Zeit mit dem Kreuzstraßentunnel und den Begleitmaßnahmen an der B14 / B311 viel in den Straßenbau investiert.
Um den MIV wirklich nachhaltig zu reduzieren, braucht es ein deutlich besseres Nahverkehrskonzept. Als Stadt zahlen wir einen hohen Beitrag für den Stadtverkehr, deshalb lassen Sie uns deutliche Zeichen in der Neuentwicklung des Nahverkehrsplanes beim Landkreis setzen.
Nur mit einem komfortablen Angebot können wir noch mehr Menschen für den Umstieg vom MIV auf den ÖV motivieren.
Auch muss endlich der Fahrradverkehr sicherer und benutzerfreundlich aufgewertet werden. Das Fragezeichen mit dem der Posten „Fahrradrampe Abfahrt Lessingstraße“ im Haushaltsplan versehen ist kann wegfallen. Bauen Sie diese Rampe für die Sicherheit des Schülerverkehrs zu den Schulen, sichern Sie den weiteren Übergang über die Ludwigstaler Straße mit einer Ampel und entscheiden Sie bitte endlich auch die Weiterentwicklung der Fahrradwege in der Stadt. Das seit 1994 vorhandene Konzept wurde fachkundig immer wieder überarbeitet, geschehen ist leider bislang wenig, genaueres siehe Haushaltsrede der LBU 2014.
 
Erfreulicher ist da die Mitteilung der Stadtwerke Tuttlingen ab 2015 nur noch Ökostrom für alle Tarifkunden bei gleichbleibendem Strompreis anzubieten, was einen wichtigen Schritt bei der sich als schwierig erweisenden Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes bedeutet.
 
Vor große Herausforderungen wird uns der weitere Zustrom von Flüchtlingen aus Krisengebieten in aller Welt stellen. Ein Kaffeenachmittag im Evangelischen Gemeindehaus für Asylbewerber, organisiert von der Initiative Asyl mit über hundert Flüchtlingen hat gezeigt, wie bedürftig die Menschen nach Zuwendung und Eingliederung sind.
Einen herzlichen Dank und unsere Anerkennung möchten wir Ihnen aussprechen, Herr Beck, für Ihren intensiven Einsatz, schnell Wohnraum für Flüchtlingsfamilien in Tuttlingen in der Stockacherstraße zu schaffen und mit dem Landkreis Wohnraum im Take Off Gewerbepark ohne große bürokratische Hürden anzubieten.
Nie waren der Integrationsbeirat und das Fest der Internationalen Begegnung so wichtig und wertvoll wie heute!
 
Die Jugendarbeit, die mindestens so wichtig ist, wie die Kinderbetreuung, habe ich noch gar nicht angesprochen. Wir bitten die Verwaltung, uns im neuen Jahr einen Überblick über die Aktivitäten im JuKuZ und vom Streetworking zu geben.
 
Beim Blick auf die Alterspyramide und die Bedürfnisse von älter werdenden Menschen haben wir gute Unterstützung vom Seniorenbeirat und den Angeboten im Haus der Senioren. Dafür bedanken wir uns.
Wir sind gespannt auf weitere Schritte hin zur Verbesserung der Barrierefreiheit.
 
Unser Wunsch an die Tuttlinger Wohnbau ist, neben der Weiterentwicklung von bezahlbarem Wohnraum auch neue Wohnkonzepte zu entwickeln, Konzepte, die menschlichen Bedürfnissen nach Kontakt, Kommunikation und räumlicher Nähe unterschiedlicher Generationen nachkommen. Uns gefällt der Gedanke an ein Quartier für „Allen gerechtes Wohnen“, die TWB kann sich dafür bei der „Wohnbus Initiative“ gute Anregungen holen.
Die Weiterentwicklung der Hochschule in Verbindung mit solchen Wohnkonzepten ließen sich auf dem benachbarten Grundstück in Zusammenarbeit mit privaten Grundstücksbesitzerinnen gut entwickeln.
Bauwilligen in der Innenstadt kommt ja das Baukindergeld zugute, dass von der LBU beantragt, inzwischen gut angenommen wird und in der ganzen Region über verschiedene Medien große Beachtung gefunden hat.
 
Nicht alles, was uns als LBU im kommenden Haushaltsjahr beschäftigt kann hier angesprochen werden. Den Grundstücksankauf in Gänsäcker möchten wir gemeinsam mit der Mehrheit des Möhringer Ortschaftsrates nicht weiter verfolgen. Die 200 000 € Planungskosten, die in diesem Sparhaushalt noch zur Verfügung stehen, können auf keinen Fall verwendet werden bevor wir nicht über den Grundstückspreis Klarheit haben.
Über die Weiterentwicklung vom Bahnhof,
Gleichstellung in der Verwaltungsspitze und bei den Fachbereichsleitungen,
Entwicklungsfläche für den Reitstall und vieles mehr gilt es weiter nachzudenken und im Gespräch zu bleiben.
 
Wir möchten uns für die gute Zusammenarbeit im zu Ende gehenden Jahr bei allen Fachbereichsleitungen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich bedanken.
Wir danken für die stets offenen Ohren der fleißigen Frauen in den Sekretariaten der Bürgermeister,
den immer freundlichen und zugewandten Frauen in der Geschäftsstelle des Gemeinderates
und allen, die unsere Bürgerschaft freundlich und kompetent im Tuttlinger Rathaus bedienen, ganz herzlich „Danke“ auch den Hausmeistern und den Frauen, die für die Sauberkeit sorgen.
Dem Bauhof gebührt unser ganz besonderer Dank, Herr Rudolf sorgt mit seinem Stab für schnee- und eisfreie Straßen im Winter, blühende Gärten im Donaupark, Reparaturen an allen Ecken und Enden der Stadt, geputzte Brunnen und beschäftigt Menschen mit Handicap in vorbildlicher Weise.
 
Herzlich danken wir allen Steuerzahlern, allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die in vielfältiger Weise ehrenamtlich in dieser Stadt tätig sind, schwächeren Menschen Halt geben, sich für den Naturschutz einsetzen und über ProTuT den Einzelhandel stärken.
 
Wir wünschen Ihnen allen ein Frohes Weihnachtsfest in Ihren Familien und Freundeskreisen und ein gesundes und spannendes, aber auf jeden Fall auch friedliches Jahr 2015.
 
Mit der Maßgabe, die Haushaltskonsolidierungskommision rasch tagen zu lassen und uns gut überlegte Sparvorschläge zur Umsetzung vor zu tragen stimmt die LBU dem Haushalt 2015 zu.


Es gilt das gesprochene Wort.

Petra Schmidt-Böhme, Fraktionsvorsitzende