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Tod an der Front, Liebesgaben aus der Heimat - Ausstellung erinnert an den Ersten Weltkrieg


Unter großer Resonanz des Publikums wurde am Sonntag die Ausstellung „Tuttlingen im Ersten Weltkrieg“ eröffnet. Bis zum 8. Februar 2015 ist sie im Fruchtkasten zu sehen. Am Sonntagabend fand unter großer Publikumsresonanz die Eröffnung im Rathaus statt.

Stadtrat Hellmut Dinkelaker begrüßte als ehrenamtlicher Stellvertreter des Oberbürgermeisters die interessierten Besucherinnen und Besucher. „Haben die Menschen aus dem Ersten Weltkrieg nichts gelernt, dass es zu einem Zweiten kommen konnte?“, fragte er in die Runde. Er ging ferner der Frage nach, wie stark Erlebnisse aus dem Krieg, der vor hundert Jahren ausbrach, noch im familiären Gedächtnis vorhanden sind und somit noch Lehren für die Zukunft geben. Manche erinnern sich an die Erzählungen der Großväter oder an übermittelte Berichte der Urgroßväter. Den einen tangierte der Krieg weniger, da keine Opfer zu beklagen waren und in der heimischen Landwirtschaft genügend Nahrungsmittel erzeugt wurden, bei andern aber blieb die Erinnerung an einen furchtbaren Krieg, der viele Millionen Menschenleben forderte, an Schlachten in Ypern und an der Somme, die mit Gift und einem furchtbaren Gemetzel in Verbindung gebracht werden, aber auch an Hunger und Elend an der „Heimatfront“. 

Museumsleiterin Gunda Woll und Rainer Keilbach führten thematisch in die Ausstellung ein, die den Fokus auf Tuttlingen richtet. Von einer Verpflegungsstelle für durchfahrende Soldaten am Bahnhof, einer Landsturmtruppe, Wachposten auf dem Honberg wurde berichtet. Feldpostbriefe mit oft erschreckenden Schilderungen von der Front transportierten den Krieg in die Tuttlinger Wohnstuben. Erschütternd war besonders ein Brief des Oberprimaners Willi Storz, der den Stellungskampf an der Westfront schilderte. Er beschrieb Leichen und Tierkadaver, die getötet zwischen den Schützengräben liegen bleiben mussten und nicht geborgen werden konnten, da die Gegenseite bei Verlassens des Grabens sofort schoss. Den Geruch konnten die Soldaten nur durch ständiges Rauchen ertragen.

Solche und ähnliche Schilderungen führten unter der Bevölkerung zu großen Sammelaktionen für die rund 3.200 eingezogenen Tuttlinger Soldaten. „Liebesgaben“ nannte man die Päckchen, die mit Zigarren, Zigaretten, Schokolade und ähnlichem bestückt ihren Weg an die Front antraten. Am 13. Februar 1915 veranstaltete die Stadt einen so genannten „Tuttlinger Opfertag“ für Liebesgaben, an dem über 17.000 Mark zusammenkamen.

Etwa 580 der 3.200 einberufenen Tuttlinger Soldaten verloren ihr Leben auf dem Schlachtfeld, in einem Lazarett oder an Erkrankungen, die sie sich während des Krieges zuzogen. 580 überwiegend junge Männer, die ihr Leben noch vor sich hatten, wie der Geometer Robert Klaiber, der Medizinstudent Emil Schnekenburger oder Obermatrose Wilhelm Mezger, deren Portraits in der Ausstellung zu sehen sind.

Die Ausstellungseröffnung wurde musikalisch von einem Flötenensemble der Musikschule umrahmt, das Ulrike Schmid unterrichtet. Es spielten Clara Nagel, Sara Piske, Lena Junt, Lea Hötzel, Hannah Glinka, Aaron Bauer, Julia Heni.

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Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg: Die am Sonntag eröffnete Ausstellung im Fruchtkasten.