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Gedenkpfad Lager Mühlau eingeweiht – OB Beck: „Für Hunderttausende endete hier der Krieg“


Ein Gedenkpfad erinnert seit Donnerstag an das Lager Mühlau. Zur ersten Begehung am Jahrestag der Befreiung 1945 kamen zahlreiche Gäste, darunter auch frühere Insassen sowie ein Nachfahre des einstigen französischen Lagerkommandanten. Die Festrede hielt Landtagspräsident Guido Wolf.

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Gedenkpfad eingeweiht (von links): OB Michael Beck, Landtagspräsident Guido Wolf, Karlheinz Krumm, Otto Beiswenger, Jacek Nadolny, Charles Kretz, Landrat Stefan Bär.

„Für hunderttausende von Menschen endete der Krieg in Tuttlingen“, erklärte OB Michael Beck – in dem Moment nämlich, in dem sie mit ihren Entlassungspapieren das Lager Mühlau verließen und ein neues Leben beginnen konnten. Rund 400 000 ehemalige Soldaten der Wehrmacht erlebten dies so, denn das Kriegsgefangenenlager in Tuttlingen war eines der größten seiner Art in Süddeutschland. Beck erinnerte aber auch an den ursprünglichen Zweck des Lagers: Errichtet wurde es 1942 als Zwangsarbeiterlager – als Unterkunft von Menschen aus Osteuropa, die nach Deutschland verschleppt und ausgebeutet wurden.

Mit dem am Donnerstag eingeweihten Gedenkpfad erinnert die Stadt Tuttlingen nun an die vielschichtige Vergangenheit des Areals. Aus neun Stationen besteht der Pfad, zwei wurden von der Künstlerin Madeleine Dietz gestaltet, Tafeln erläutern vor Ort die Geschichte des Lagers.

Der Termin für die Einweihung war bewusst gewählt: „Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung von Krieg und Nationalsozialismus“, erklärte Beck. Dies unterstrich auch der Festredner, Landtagspräsident Guido Wolf. Daher sei es wichtig, die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis wach zu halten – und zwar nicht nur in Form von Zahlen und Statistiken: „Zahlen haben keine Würde – die Opfer waren Menschen.“

Wolf ging stark auf die Rolle des Lagers als Ort der Zwangsarbeit ein. „Es war Teil eines flächendeckenden Systems der Ausbeutung, von der viele profitierten.“ Wolf lobte daher, dass der neue Gedenkpfad die verschiedenen Epochen des Lagers anschaulich gegenüberstelle: „Kriegsgefangenschaft, Flucht und Vertreibung waren keine Folgen des Kriegsendes, sondern der Ereignisse ab 1933.“

Rund 100 Gäste nahmen an der ersten Begehung des Pfades teil, unterwegs erläuterten Museumsleiterin Gunda Woll, Künstlerin Madeleine Dietz, Archivarin Margret Rieß sowie eine Schülergruppe die verschiedenen Stationen. Wie das Thema künftig in den Unterricht integriert wird, erklärten die beiden Lehrer Andreas Jany und Thomas Zepf.

Unter den Gästen waren auch die ehemaligen Lager-Insassen Otto Beiswenger und Karlheinz Krumm sowie Charles Kretz, Neffe des französischen Lagerkommandanten René Kretz. Spontan schloss sich auch Jacek Nadolny der Führung an: Er war gerade in Tuttlingen, um an der Hermann-Hesse-Realschule von seiner Lebensgeschichte zu erzählen: Als Siebenjähriger hatte er das KZ Auschwitz überlebt.

Eine besondere Begegnung gab es auch zum Abschluss der Veranstaltung. Der Tuttlinger Hubert Weinmann überreichte Charles Kretz ein außergewöhnliches Geschenk: Ein Gemälde des Künstlers Carolus Vocke. Es zeigt die Ehefrau des Kommandanten mit deren Tochter Marie Francoise – ein Bild, das Vocke während seiner Zeit als Gefangener im Lager Mühlau gemalt hatte.