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Seit 20 Jahren ist die Innenstadt autofrei - Fußgängerzonen-Geburtstag am Samstag


20 Jahre wird Tuttlingens Fußgängerzone in diesem Jahr alt. Gefeiert wird das Jubiläum am Samstag, 18. August, ab 12 Uhr auf dem Marktplatz.

20 Jahre autofreie Innenstadt
Autogerecht: So sahen Marktplatz und Rathaustraße in den 60er bis 80 Jahre aus.

Der Titel der Zeitungsbeilage war Programm: "Tuttlingen wird schöner" hieß es im Herbst 1986, als die Bauarbeiten im Stadtzentrum Stück für Stück voran schritten. Und auch das Fazit der Autoren war eindeutig. "Das Gesicht der Stadt hat sich geändert. Diese Meinung hört man in letzter Zeit oft in Gesprächen mit Bürgern dieser Stadt."

Entscheidend zu diesem Wandel beigetragen hatte ein Projekt, über das seit Ende der 70er-Jahre diskutiert wurde: Die Tuttlinger Fußgängerzone zwischen Rundem Eck und Wilhelmstraße. Sie war das sichtbarste Zeichen, dass sich in Tuttlingens Stadtbild etwas geändert hatte. Und sie war gleichzeitig ein Bekenntnis zur historischen Struktur der Stadt: Das geometrische Raster, das Landbaumeister Carl-Leonhard von Uber nach dem Stadtbrand von 1803 für Tuttlingen entworfen hatte, wurde durch die Gestaltung der Zone noch stärker betont - zum Beispiel durch die streng geschnittenen und in exakt gleichen Abständen gesetzten Bäume. Und diese Entscheidung war seinerzeit nicht selbstverständlich: Noch wenige Jahre zuvor war im Gemeinderat diskutiert worden, wie man durch Abrisse und Umbauten die als kalt empfundene Geometrie dem Stadtplan austreiben könnte.

Bevor die Fußgängerzone aber in ihrer ganzen Länge entstand, gab es ab 1983 einen Probelauf in der Gartenstraße, dem heute noch als "Zönle" bekannten Abschnitt. Dort entstanden die ersten 1900 Quadratmeter der Stadt, die ausschließlich den Fußgängern vorbehalten waren. Ab 1985 machten sich die Stadtplaner dann an die Neugestaltung von Bahnhof-, König-, Rathaus und Oberer Hauptstraße sowie des Marktplatzes - begleitet von zahlreichen Debatten und Leserbriefdiskussionen. Schließlich ging es nicht nur um Gestaltungsmaßnahmen: Parallel zum Umbau wurde auch der Autoverkehr neu geordnet. Das führte vor allem dazu, dass die B 311, die damals noch über einen Kreisverkehr auf dem Marktplatz führte, in die Zeughaus- und Möhringer Straße verlegt wurde.

"Innenstadt ist zur Großbaustelle geworden", schrieb der "Gränzbote im Mai 1986, doch noch knapp ein Jahr sollte es dauern, bis das Ergebnis der Arbeiten eingeweiht wurde. Als Tuttlingen im Mai 1987 dann das große Fest feierte, galt dies übrigens nicht nur der Fußgängerzone, sondern noch zwei weiteren Projekten, die das heutige Bild der Stadt entscheidend prägen: Dem Pyramidenbrunnen von Martin Riessler, vor allem aber dem Anbau an das historische Rathaus. Dieser Neubau nach den Plänen von Günter Hermann schloss auch die Diskussion über das Rathaus endgültig ab, die noch Ende der 70er Jahre heftig getobt hatte: Denn damals gab es nicht wenige Stimmen, die den Abriss des 1803 gebauten Verwaltungsgebäude forderten.

Davon redet heute niemand mehr - ebenso wenig von den negativen Folgen, die einige Bürger mit der Fußgängerzone in Verbindung brachten. Und auch die 1985 ausgesprochene Befürchtung eines Geschäftsmanns traf nicht ein: "Sie werden erreichen", so prophezeite er bei einer Bürgerversammlung, "dass man von Tuttlingen sagt, es sei halb so groß wie der Friedhof von Chicago, aber doppelt so tot."

INFO:
Gefeiert wird am Samstag ab 12 Uhr auf dem Marktplatz. Nach der Begrüßung durch EBM Emil Buschle und ProTUT-Vorsitzendem Peter Stresing gibt es bis 18 Uhr ein Unterhaltungsprogramm mit Tanz, Musik und Kasperletheater. Außerdem ist in vielen Schaufenstern der Innenstadt eine Foto-Ausstellung zum Jubiläum zu sehen.