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Stellungnahme zum „MASTERPLAN 2025“


Die SPD-Fraktion freut sich über den Masterplan, wir finden ihn gut und notwendig und glauben, dass er für unsere Stadt eine großartige Chance darstellt für eine gute Zukunft.
Wahrscheinlich seit dem klassizistischen Plan des Landesbaumeisters Uber gibt es keinen vergleichbaren Versuch eines integrierten Planwerks für Tuttingen.
Es ist also durchaus ein historisches Ereignis, dieser Auftakt für einen langfristigen Prozess von Planungen, Abstimmungen und Investitionen zum Wohle der Stadt und ihrer Menschen. Deshalb möchte ich auch ein paar Sätze dazu sagen.

„Es fehlt die integrale Betrachtung der Stadt als Gesamtorganismus, um künftig verlässlich und vorausschauend planen und realisieren zu können,“ heißt es im Vorwort von Prof. Speer.
Eine „Gesamtschau aus einem Guss“, sei es geworden, schreibt der OB in seinem Vorwort.
Diese Gesamtschau versucht der Plan, wo es bisher viele einzelne Planungen gab.   Es gab immer wieder Ansätze zu einer Zusammenführung der verschiedenen Zukunftsideen, nicht zuletzt in Wahlprogrammen von Parteien, aber der Blick von Außen, sozusagen die ‚Fremdevaluation’ durch das Büro Speer und Partner, die sonst in Köln und Qatar, in China und Traben-Trarbach Pläne machen, ist eben etwas anderes und auch deshalb aussagekräftig, weil er professionell, fast wissenschaftlich hergeleitet wird. Auch deshalb -meinen wir- hat sich die Investition jetzt schon gelohnt, die die Kommune und die Wirtschaft gemeinsam getätigt haben.
„Eine Kombination des AS&P-Blicks von Außen und des Tuttlinger Backgroundwissens“ sei versucht worden, so heißt es, ein fundiertes Regiebuch für die Zukunft Tuttlingens sei entstanden.

Übrigens, wer Sensationen, große neue Projekte oder Korrekturen erwartet hat und jetzt vielleicht sagt, dass vieles im Klein-Klein geblieben sei, was uns aus Frankfurt ins Regiebuch geschrieben wurde, der möge bedenken, dass gerade das Fehlen solcher großer Korrekturen doch bedeutet, dass in Tuttlingen in den vergangenen Jahrzehnten vieles richtig gemacht wurde, dass die Industriepolitik, dass die verkehrsberuhigte Innenstadt, der ausgebaute Grünzug entlang der Donau, die Wohnungspolitik der Wohnbau, dass die Bildungslandschaft in der Stadt auf einem guten Weg sind und dies uns vom global operierenden Büro AS&P indirekt bestätigt wird.

Tuttlinger Bürgerinnen und Bürger, Vertreter der Wirtschaft, politische Mandatsträger und die Verwaltung waren und sind beteiligt und haben Mut bewiesen, sich auf dieses Abenteuer Masterplan einzulassen.

Planung ist auch Abenteuer.  Im Vorfeld der Entscheidung und auch jetzt noch begegnet man vielen Skeptikern, die ein mildes Lächeln auf den Lippen haben und sagen: ‚es kommt ja doch alles ganz anders, als man denkt und plant’.
Wer plant, entscheidet sich bewusst für eine Sisyphos-Aufgabe, für den Kampf gegen die Entropie, die Trägheit, gegen das freie Spiel der Kräfte, gegen die allzu-menschliche Erfahrung, dass die Zukunft sowieso ungewiss ist, dass niemand weiss, was morgen oder gar übermorgen ist.
Wer plant, ist sich bewusst, dass Fehler gemacht werden können, dass es Risiken gibt.    Die anderen, das sind die, die virtuos sind im Reagieren auf Entwicklungen.

Planung, Planwirtschaft, sind Begriffe, die auch in Misskredit geraten sind durch staatssozialistische Planung, wo man über ideologische Setzungen vergessen hat, die Wirklichkeit genau zu analysieren und die Menschen mit zu nehmen.    
Für manche ist Planung das Gegenteil von Freiheit.
Auch deshalb stossen wir in Tuttlingen immer noch auf Zweifel, wenn wir vom Masterplan sprechen.

Aber der Masterplan von 2012 ist anders. Er ist „als Prozess“ aufgebaut, heißt es im Vorwort von Prof. Speer; er ist fortschreibungsfähig und kann und muss auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren“, also auf das, was Skeptiker sicher voraussehen, nämlich dass eh alles anders kommt.

Was wird als Ziel für Tuttlingen in den nächsten 13 Jahren formuliert?
Ist es ein „maßvolles Wachstum“, wie OB Beck in seinem Vorwort schreibt, oder wird, wie Prof. Speer schreibt „im Masterplan keine Wachstumsstrategie vorgeschlagen, sondern er zielt auf eine Stabilisierung der Einwohnerzahl, auf die Erhöhung der Wohn- und Lebensqualität und auf die Sicherung der wirtschaftlichen Strukturen“.

Wachstum angesichts der Globalisierung, in Konkurrenz zu den BRIC-Staaten, ist ein ehrgeiziges Ziel!
Seit Erhard Eppler kennen wir den Begriff des ‚Qualitativen Wachstums’ und mit der grünen Bewegung der letzten Jahrzehnte wurde der Begriff der Nachhaltigkeit zur Leitlinie von Politik.
Wenn in einigen Jahren in Schulklassen nur noch 22 statt 32 Kinder unterrichtet werden, ist das zwar ein Rückgang, aber eine nachhaltige, positive Entwicklung, die für alle Beteiligten günstiger ist.

„Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ ist, so steht es ganz am Anfang des Planes, einer der Hauptgrundsätze aktueller Stadtentwicklung, der auch in Tuttlingen berücksichtigt werden soll. „Dabei geht es um die Mobilisierung vorhandener innerstädtischer Flächenreserven, um kluge Umstrukturierungen und um den Erhalt eines ausgewogenen Nutzungsmixes in den Quartieren. Dies schafft nicht nur Lebensqualität sondern bedingt auch eine nachhaltige Mobilität durch kurze Wege“.

Dass dieser Plan – aus unserer Sicht – auch Schwächen hat, wurde durch unseren Antrag, eine Gänsäcker-Erweiterung aus dem Plan heraus zu nehmen, deutlich. Auch der Eichbühl-Tunnel oder eine Haltestelle der sog. Stadtbahn in der Verlängerung des Rathaussteges gehören zu den Vorschlägen, die wir eher kritisch sehen, weil wirklichkeitsfern. Dass der Soziale Wohnungsbau und eine auf soziale Räume ausgerichtete Planung nicht oder kaum thematisiert werden, Bürgerbeteiligung und soziale Integration, Kultur und Religion kaum eine Rolle spielen, bemängeln wir, sehen aber gleichzeitig, dass dies nicht der Kernauftrag an das Büro AS&P war.

Zum Gelingen von Planung gehört auch, dass die Beteiligten gut und professionell kommunizieren und zusammenarbeiten. Auch hier hat uns Prof. Speer sehr feinsinnig ins Stammbuch geschrieben: „Die Umsetzung der Vorschläge … ist anspruchsvoll und lässt sich nur durch eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten lösen“!

In diesem Sinne hoffen wir auf eine gute Zukunft Tuttlingens mit und durch den Masterplan und es wäre uns und mir eine Freude  in den nächsten Jahren dazu beitragen zu dürfen .


Es gilt das gesprochene Wort.

Hellmut Dinkelaker