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Verleihung des Sozialpreises an den Kinderschutzbund Ortsverein Tuttlingen e.V. - 18. Oktober 2011


Rede von Oberbürgermeister Michael Beck

Sehr geehrte Damen und Herren,

seien Sie mir herzlich willkommen zur Verleihung des diesjährigen Sozialpreises.

Beim Sozialpreis handelt es sich – wie beim Kulturpreis und beim Sportpreis um einen städtischen Ehrenpreis. Ich freue mich daher, so viele Repräsentanten der Stadt begrüßen zu dürfen – meine Kollegen Emil Buschle und Willi Kamm sowie zahlreiche Vertreter des Gemeinderates.

Ich begrüße die Menschen, die sich ebenfalls um unserer Stadt verdient gemacht haben und deswegen ebenfalls Träger städtischer Ehren-Preise sind: Von unseren Ehrengeschenträgern anwesend ist

- mein Vorgänger im Amt des Oberbürgermeisters Heinz-Jürgen Koloczek

Gekommen sind auch alle bisherigen Sozialpreisträger:
  • Ingeborg Storz als Vertreterin der Initiative Nachtlager für Wohnungslose
  • Marianne Huegel
  • und die Vertreter von Tuttilla Abenteuerland e.V. mit ihrem Vorsitzenden Daniel Schmitt


Besonders willkommen heiße ich aber die Gäste, um die es heute geht:o
  • Den Deutschen Kinderschutzbund Ortsverein Tuttlingen e.V.
  • mit seinen 3 Vorsitzenden Irmgard Rieger, Hildegard Schmidt-Fischer und Bärbel Tapal
  • und allen Ehrenamtlichen, die den Kinderschutzbund so tatkräftig unterstützen.

Bei den Planungen zur Preisverleihung machen wir uns immer auch Gedanken, welchen Ort wir dafür auswählen. Für heute sollte es das Haus der Familie sein.
Das Mehrgenerationenhaus ist ein Leuchtturmprojekt der Stadt in Kooperation mit den Kirchen. Und hier findet man ähnliche Dinge, wie man sie auch beim Kinderschutzbund findet:
- Kinder und Kinderbetreuung in den Räumen, in denen wir gerade sind
- Beratungs-, Informations- und Hilfeangebote, ein Café und vielerlei ehrenamtliches Engagement in den Räumen nebenan, im Caritas-Diakonie-Centrum.

Meine Damen und Herren, was wäre unsere Gesellschaft ohne das Ehrenamt, ohne bürgerschaftliches Engagement. Ohne Menschen, die sich freiwillig und uneigennützig für das Allgemeinwohl einsetzen.
Für diese Menschen ist der städtische Sozialpreis gedacht und zu diesen Menschen gehören die Aktiven des Kinderschutzbunds Tuttlingen.

Bundesweit gibt es heute 430 Ortsverbände des Deutschen Kinderschutzbundes. Dass es auch in Tuttlingen einen Ortsverein gibt, ist Gerlinde Ballier zu verdanken.

Bereits zwei Jahre nach Gründung des Deutschen Kinderschutzbunds 1953 war sie in Kontakt mit dem Landesverband Stuttgart. Und 1959 gründete sie den Ortsverein Tuttlingen dann offiziell. Unter großem persönlichem Einsatz setzte sie sich gegen Kindesgefährdung ein.

Und das zu einer Zeit, in der im Bewusstsein der Leute ganz andere Dinge vorherrschend waren. Deutschland befand sich im ersten Jahrzehnt nach dem zweiten Weltkrieg und hatte die harten Nachkriegsjahre gerade so überstanden.

Die zahlreich zurückgebliebenen Kriegswitwen kämpften mit Not und Armut und waren oft auf sich allein gestellt. Die sozialen Netzwerke mussten sich erst wieder erholen.

Ihre ganze Hoffnung, ihre ganze Kraft setzten die Menschen nun in eine aufstrebende, in eine funktionierende Wirtschaft und eine stabile Regierung. 

Wo sollte hier noch Zeit bleiben, sich bewusst und intensiv um Kinder und ihre Bedürfnisse zu kümmern? Und so standen Kinder zu dieser Zeit ziemlich am Ende der Prioritätenliste. Sie waren da, aber man war froh, wenn sie möglichst wenig Arbeit machten.

Die Gründerin des Tuttlinger Ortsvereins Gerlinde Ballier konnte über die Jahre zwar weitere 80 Mitglieder für den Ortsverein hinzugewinnen. Bis 1977 leitete sie aber als Einzelkämpferin die Geschäftsstelle in Eigenregie. Dann erst erklärten sich weitere Mitarbeiter bereit, ihr in der Geschäftsstelle zu helfen.

Heute nun gibt es den Tuttlinger Ortsverein bereits seit 52 Jahren und das Engagement der Ehrenamtlichen für Kinder ist ungebrochen. Angebote, die in den 70er Jahren entstanden, sind bis heute ein fester Bestandteil der Arbeit des Kinderschutzbundes. Zahlreiche neuer Ideen kamen und kommen laufend hinzu. Die Ziele sind dabei aber all die Jahre gleich geblieben.

Meine Damen und Herren, die Lobby für Kinder – das möchte der Deutsche Kinderschutzbund sein. Und engagiert sich dafür vor allem in drei Bereichen.

Der Kinderschutzbund tritt zum Einen ein für die Rechte der Kinder. Er möchte mithelfen, die bestehenden Kinderrechte durchzusetzen. Er fordert, Kinder nicht nur als kleine Erwachsene zu behandeln, sondern ihnen zusätzliche Förder- und Schutzrechte zu gewähren. Und diese sollen auch im Grundgesetz verankert werden.
Dazu gehört zum Beispiel das Recht auf kindgerechte Entwicklung, das Recht auf gute Versorgung, das Recht auf Schutz vor seelischer und körperlicher Gewalt, das Recht auf Mitbestimmung. Rechte also, die sich für uns heute deutlich selbstverständlicher anhören, als es noch vor 50 Jahren der Fall war. Und doch gibt es noch einiges zu tun.

Der zweite Bereich, in dem sich der Kinderschutzbund engagiert, ist die Kinderarmut. Im Wissen, welche Folgen das Aufwachsen in Armut für die Kinder haben kann, setzt er sich ein für möglichst gute Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten von Kindern und für eine Verbesserung der Sozialleistungen für Familien.

Als dritten Bereich setzt sich der Kinderschutzbund gegen Gewalt an Kindern ein. Die Programmatik heißt dabei „Hilfe statt Gewalt“.
Ziel ist es, durch Information und Hilfe Gefährdungssituationen von Kindern abzuwenden und am besten sogar vorzubeugen.

Drei große Ziele mit großen Aufgaben hat sich der Kinderschutzbund damit auferlegt.
Allein bei der Formulierung von Zielen und dem Verfassen von Thesenpapieren ist es beim Kinderschutzbund aber nie geblieben.

Die Arbeit des Kinderschutzbunds und gerade auch des Ortsvereins Tuttlingen zeichnet sich aus durch eine pragmatische Herangehensweise:
Wie können wir mit konkreten Angeboten zur Verbesserung der Situation beitragen?
Was können wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln schaffen?

Und was der Tuttlinger Kinderschutzbund heute vorzuweisen hat, ist beträchtlich:

Die Idee des Kleiderladens stammt ganz aus den Anfängen des Schaffens der Tuttlinger. Während durch ihn bereits tausende von Kindern mit Kleidung versorgt wurden, bietet dieses Angebot vor allem auch eine gute Möglichkeit, in Kontakt mit hilfebedürftigen Familien zu kommen.

Sehr beliebt, bereits seit den 70er Jahren sind auch die Spielnachmittage mit gemeinsamem Mittagessen beim Kinderschutzbund. Hier erfahren die Kinder Gemeinschaft und fühlen sich geachtet und geschätzt.

Der Minitreff, bei dem Kinder unter drei Jahren zweimal in der Woche morgens betreut werden, ist zwischenzeitlich in die städtische Bedarfsplanung für Kinderbetreuung aufgenommen.

Darüber hinaus finden regelmäßig Kurse, Vorträge und Beratungsangebote für Familien statt.

Dass wir all diese Angebote – vielleicht mehr denn je – brauchen, muss, denke ich, nicht extra erwähnt werden. Die Familienkonstellationen werden immer unterschiedlicher. Der Druck auf die Menschen und damit auf die Familien nimmt ständig zu. Die Schere zwischen wohlhabend und bedürftig klafft immer weiter auseinander.

Und in dieser schwierigen Gemengelage setzt sich der Kinderschutzbund für den Schutz und das Wohlergehen der Kinder ein. Dafür engagieren sich die Ehrenamtlichen und dafür scheuen sie keine Mühen.

Dass für solch vielfältige Tätigkeiten jede Menge helfender Hände notwendig sind, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, meine Damen und Herren. Und dass all die Leistungen allein mit hauptamtlichen Kräften nicht zu bezahlen wären, kann sich bestimmt ebenfalls jeder denken.

Zum Glück kann der Kinderschutzbund bei seiner Arbeit auf die vielen ehrenamtlichen Kräfte zurückgreifen.

Und der Dank für die Helfer des Kinderschutzbunds?
Nun, vielleicht ist es das dankbare Lächeln eines Kindes oder einer Familie, die Hilfe erfahren durften.

Vielleicht ist es das Gefühl, Teil eines funktionierenden Teams zu sein, das seinen Beitrag zu einer besseren Welt leistet.

Vielleicht ist es das zufriedenstellende Gefühl, sich in dieser Welt der unzähligen Möglichkeiten sich etwas sinnvollem zu widmen – etwas, bei dem man spürt, dass es nicht falsch sein kann.

Der Dank und die Anerkennung der Arbeit des Kinderschutzbundes Tuttlingen von städtischer Seite ist heute zumindest der Preis, den ich Ihnen nun überreichen darf.

Ich freue mich, wenn ich nun, stellvertretend für alle Engagierten des Kinderschutzbunds, die drei Vorsitzenden Irmgard Rieger, Hildegard Schmidt-Fischer und Bärbel Tapal, zu mir bitten darf, um den Preis entgegen zu nehmen.

Unser Sozialpreis ist heute eine Grafik von Ralf Behrendt.

Die Urkunde hat folgenden Wortlaut.

Ich darf nun alle Mitglieder des Kinderschutzbunds darum bitten, nach vorne zu kommen und sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen.