Von der Rechenmaschine zur Feuerspritze - Fruchtkasten zeigt Erfindungen aus Tuttlingen
09.03.2011
Frühe Erfindungen aus Tuttlingen, die vor 1960 entstanden, zeigt die Ausstellung, die Oberbürgermeister Michael Beck am Freitag, 18. März, im Foyer des Rathauses eröffnen wird. Die Schau wird im Fruchtkasten gezeigt und ist bis 10. Juli 2011 dienstags, donnerstags, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr zu sehen. Zeichnungen, Fotos und die Erfindungen selbst, soweit sie noch existierten, werden gezeigt.
Die Museumsleiterin Gunda Woll machte sich auf die Suche nach Erfindungen, Entdeckungen oder Entwicklungen, die vor 1960 in Tuttlingen entstanden. In Archiven, beim Patentamt und an einigen anderen Stellen wurde sie fündig. Die älteste nachweisbare Erfindung stammt von dem Möhringer Anton Braun (1686-1728). Er entwickelte am Hofe von Kaiser Karl VI. in Wien eine Sprossenradrechenmaschine, die alle vier Grundrechenarten zuverlässig beherrschte und auch nach längerem Betrieb noch funktionierte. Wenige Jahre nach Anton Braun experimentierte der Tuttlinger Johann Caspar Braun mit Sauerklee und erzeugte Sauerkleesalz. Der Erfinder der Homöopathie Samuel Hahnemann lobte in seinem 1799 erschienen Apothekerlexikon ausdrücklich die Wirkung dieses Salzes. Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Sauerkleeherstellung dann zu einem bedeutenden Geschäft, so dass in der Stadtmühle ein eigener Stämpfel zum Zerkleinern des Klees eingerichtet wurde.
„Das fahrbare Gerät zum Auftragen unterbrochener Farbstreifen auf Straßen und Plätzen“ wurde von der Fa. Chriron-Werke am 29. April 1957 als Patent angemeldet.
1828 wurde in Württemberg das erste Patentgesetz erlassen. Anfänglich war die Erfinderfreude noch gebremst, aber schon 1844 erhielt der Kupferschmied Johann Georg Storz eine Patenturkunde für eine Feuerwehrspritze. Er beschreibt seine Pumpe derart, dass sie sowohl bei Hub als auch bei Druck Wasser ansaugen würde. Ob der große Stadtbrand von 1803 die Erfinderfreude in diese Richtung gelenkt hatte? Zehn Jahre später meldete nämlich der Tuttlinger Schullehrer seinen Feuerbock zum Patent an. Es war eine lenkbare Verlängerungsstange, die an die Feuerspritze angebaut wurde und die das Wasser direkt an den Brandherd bringen sollte. Brenner setzte große Hoffnungen in sein Patent. Die Nachfrage kam aber nur sehr mühsam in Gange und so gab Brenner sein Patent zwei Jahre vor Ablauf wieder zurück, da er die jährliche Patentabgabe nicht mehr entrichten wollte.
Als erste Frau meldete Rose Schumacher am 26.11.1959 ein Patent an. Es war ein Rechenkasten, der als „Lehr- und Lernmittel zum Erleichtern des Rechnens“ bezeichnet wurde. Vermutlich stand hinter der Erfindung ihr Ehemann, der Pädagoge Karl Schumacher.
1877 wurde das Deutsche Patentamt in Berlin als deutschlandweite Einrichtung gegründet. Die erste dort nachweisbare Tuttlinger Erfindung ist ein 1891 ausgestelltes Patent für die Firma Jetter und Scheerer auf einen zerlegbaren Verschluss an medizinischen Instrumenten, der sterilisierbar war. Dies war eine Schlüsselerfindung kurz nach der Entdeckung der Bedeutung der Keimfreiheit, die dem florierenden Unternehmen weiteren Auftrieb verschaffte. Viele weitere Patente auf medizinischem Sektor folgten und heute zählt die Region Schwarzwald Baar Heuberg nach München und Mittelfranken zu der aktivsten Erfinderregionen Deutschlands in dem Bereich Gesundheitswesen.
Erfindungen im Bereich der Schuh- und Lederwarenindustrie hatten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert ebenfalls Bedeutung für die Stadt. Hier waren es oft Weiterentwicklungen von Verfahren oder die Suche nach Lösungen für spezielle Schuharten, die sich auch in der Praxis bewährten wie zum Beispiel für Skistiefel. Herausragend ist die Entdeckung des Werkmeisters der Solidschuhwerke, Johannes Haller, der ein erstes Klebeverfahren für Schuhwerk entwickelte.
Neben der Rechenmaschine von Anton Braun hat bisher nur eine weitere Erfindung Eingang in den Erfinderolymp Deutsches Museum gefunden: die externe Lichtquelle des Karl Storz, die oft auch Kaltlichtquelle genannt wird. Das Schlüsselpatent, das am 27. Mai 1960 angemeldet wurde, verlegte die Lichterzeugung außerhalb des Körpers, lenkte es mittels Lichtleichter ins Innere und erreichte damit eine leichtere Handhabung des Endoskops, eine stärkere Lichtausbeute und damit neue revolutionäre Einsatzmöglichkeiten. Die weiteren Entwicklungen führten zu minimalinvasiven Operationstechniken.
INFO:
Die Ausstellung “Erfindungen aus Tuttlingen bis 1960“ ist im Fruchtkasten, Hugo-Geißler-Saal, Donaustraße 19 bis zum 10. Juli zu sehen. Geöffnet ist dienstags, donnerstags, samstags und sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr.
Fahrbarer Operationsraum: die Fa. Chiron-Werke meldete diese Erfindung 1955 als Gebrauchsmuster beim Patentamt an.
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