Vorlesen

Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2011 der LBU-Fraktion von Herrn Hans-Martin Schwarz


Den Haushaltsplan für das Jahr 2011 sehen wir von der Fraktion Bürgerbeteiligung und Umweltschutz sehr zweigeteilt. Hinsichtlich Bürgerbeteiligung merken wir gleich positiv an, dass die Vorberatungen zum Haushalt erstmals öffentlich stattgefunden haben, wenn auch nicht mit dem Zuspruch, der möglich gewesen wäre. Künftig muss dies in der Bevölkerung bekannter gemacht werden.

Beim Verwaltungshaushalt handelt es sich dieses Mal um ein nicht einfach zu erstellendes Planwerk, eben einen typischen Sparhaushalt.
Letztlich wird die Netto-Neuverschuldung noch um vertretbare 1,15 Mio. € steigen. Durch die verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnte sie sogar noch gegen Null tendieren.
Insgesamt muss gesehen werden, dass 18 Mio. Schulden im Kernhaushalt sowie keinerlei freie Rücklagen die Gegebenheiten des Hauhalts 2011 bestimmen.
Dass Schul- und Kindergartenbudgets nach der 10%igen Kürzung vom Vorjahr nicht weiteren Einsparungen unterworfen werden können, war für uns klar, ebenso aber auch, dass die vorgenommene Kürzung für das nächste Jahr noch gelten muss.
Sorgen macht, dass bei Unterhaltungsmaßnahmen für Gebäude, Straßen, Rad- und Gehwege wiederum rund 0,5 Mio. gekürzt wurden, ein Problem, das uns einholt und sicher ab dem Haushaltsjahr 2012 zu erhöhtem Aufwand führen wird. Auch unsere heimischen Handwerksfirmen warten darauf, dass die öffentliche Hand wieder mehr Aufträge vergibt.

Aber wie gesagt, es dreht sich nun mal um einen Sparhaushalt. Und wer mehr Geld ausgeben will und trotzdem nicht weitere Schulden machen möchte, hätte an der kommunalen Steuerschraube drehen müssen. Wir wollten das nicht.

Einige Komponenten im Verwaltungshaushalt verdienen, erwähnt zu werden:
Beim Personalhaushalt, der immer noch 20,87 Mio. beträgt, muss trotz etlicher eingesparter Stellen konstatiert werden, dass die Ausgaben leicht gestiegen sind. Eine Sache, die uns klar war, da die Fluktuation im Personalkörper zwar Stellen sparen kann, es aber immer zwingend Stellenbesetzungen geben muss im Sinne der Aufgabenerfüllung für die Bürgerschaft und einer funktionierenden öffentlichen Verwaltung.
Wir freuen uns hierbei, dass wir den Citymanager halten und dauerhaft anstellen können. Unsere Tuttlinger Innenstadt braucht städtisches Engagement. Nur so kann der Einzelhandel mit ProTUT und weiteren Ehrenamtlichen ein attraktives Programm ganzjährig gestalten. Wenn der Citymanager etwas bewegen soll, müssen wir ihm allerdings auch die nötigen Sachmittel an die Hand geben, damit entwickelte Ideen und daraus resultierende Aktivitäten auch Früchte tragen und geschultert werden können. Im Jahr 2010 waren diese Mittel zu knapp bemessen.
Wir weisen darauf hin, dass wir unser vor zwei Jahren beschlossenes Zentrenkonzept, das außerhalb der Innenstadt den Handel mit zentrenrelevanten Produkten verbietet, nicht aufgeweicht werden darf, sondern konsequent umgesetzt und immer wieder neu überprüft werden muss. Wir dürfen den Bemühungen um eine funktionierende, belebte Innenstadt nicht in den Rücken fallen.

Beim Eigenbetrieb Tuttlinger Hallen muss erwähnt werden, dass das Defizit um fast
300.000 € auf nun 3,47 Mio. gesenkt werden konnte. Immer noch eine stattliche Summe, aber immerhin: Ein Sparwille ist zu erkennen.

Wir freuen uns auch, dass trotz längerer Erhöhungsdiskussionen die Elternbeiträge für die Kleinkinderbetreuung zunächst konstant bleiben und später wohl nur stufenweise angehoben werden. Dass weitere 40 Betreuungsplätze im Jahr 2010 in der Nordstadt und Möhringen-Vorstadt dazu gekommen sind, ist für die betroffenen berufstätigen Eltern wichtig. Dass mit städtischen Mitteln bis zum Jahr 2013 – nach den Vorgaben des Bundes - wirklich einmal 350 Betreuungsplätze in Tuttlingen finanziert werden, ist schlicht unmöglich. Wir erwarten, dass sich Bund und Land auch bei den laufenden Kosten finanziell beteiligen, wenn politische Beschlüsse über die Köpfe der Kommunen hinweg getroffen werden.

Befürworten können wir die temporäre Finanzierung von weiteren 20 Kleinkinder-Betreuungsplätzen durch die Wohnbau GmbH im Kindergarten Kernstadt. Da die Wohnbau zu 66% in städtischer Hand liegt und so rasch eine Verbesserung für Familien, die diese Plätze dringend benötigen, geschaffen werden kann, halten wir dies für vertretbar. Wenn die Wohnbau ein Kino bauen kann, warum nicht auch einen Kindergarten? Die Details allerdings müssen hierbei noch geprüft werden zumal die Wohnbau gewinnorientiert wirtschaften muss und der Stadt sicherlich keine Geschenke anbieten kann. Wenn durch diese Entlastung auch noch die Betreuungsplätze beim Kindergarten Maria-Königin früher, als geplant realisiert werden können, umso besser.

Stark am Herzen liegt der LBU-Fraktion die Schulsozialarbeit, aber auch die mobile und offene Jugendarbeit. Dass nun 1,5 Stellen wieder besetzt werden, ist dringend nötig, sind doch die Schulen zunehmend der Reparaturbetrieb für Versäumnisse in der Bildungspolitik, Gesellschaft, aber auch in Familien.
Wir erinnern hierbei auch an den Substanzerhalt der Sporthalle der Karlschule, was das Heizsystem und die Fluchtwege angeht. Wir halten dies für keine Luxusdiskussion, sondern für dringende Unterhaltungs- und Sicherheitsmaßnahmen.

Was wir hervorheben möchten: Alle für Familien, Senioren, Kinder und Jugendliche wichtigen Einrichtungen wie Musikschule, Jugendkunstschule, Stadtbibliothek, Schülerbetreuung, das Mehrgenerationenhaus sowie das Haus der Senioren laufen auf einem recht guten Niveau weiter.

Interessant ist, was aus unserem Antrag, das Stadtfest im Jahr 2010 auszusetzen, geworden ist. Waren wir zunächst massiver Kritik ausgesetzt, hat nun ein Verein das Donaufest mit nur 10.000 € städtischem Zuschuss realisiert. Durch die von uns beantragte Sparmaßnahme wurde aus einer städtischen Veranstaltung ein Event der Vereine, was der Stadt jährlich 45.000,- € einspart. Es zeigt, dass die Stadt nicht alles schultern muss; für ein solches Umdenken sind knappe Haushalte manchmal ganz nützlich. Wir danken den ehrenamtlichen Veranstaltern des Donaufests für ihr konstruktives Mitwirken.

Unsere Kritik am Haushaltsplan entzündet sich also nicht am Verwaltungshaushalt, sondern bei den Investitionen. Wir halten es im Sinne der finanziellen Gesamtverantwortung für unsere Stadt und auch in Bezug auf die Genehmigungsfähigkeit des Haushaltplans für richtig, sowohl für die Ganztagesbetreuung der Hermann-Hesse-Realschule als auch für das neue Feuerwehrgerätehaus keine unerfüllbaren Versprechen abzugeben. Diese Vorhaben müssen - sobald es den finanziellen Gestaltungsspielraum dafür gibt - realisiert werden müssen.

Zu den geplanten Investitionen haben wir aber folgende Anmerkungen und Kritik:
Während für den Straßenbau, rund 3,8 Mio. € ausgegeben werden, sind für Radwege gerade mal 20.000 € und für Gehwege 12.000 € vorgesehen. Allein der unserer Meinung nach unnötige innerörtliche Teil der Rußbergstr. in der Nordstadt wird uns in 2011 mit 1,6 Mio. € belasten bei Gesamtkosten von 3,37 Mio. €. Auch die Verbreiterung der Stuttgarter Straße halten wir für das völlig falsche Signal. Anstatt – auch angesichts der zu Ende gehenden Erdölvorräte und der Klimaerwärmung – Voraussetzungen für eine verbesserte Mobilität für Menschen, die Rad fahren, zu Fuß gehen oder den Öffentlichen Nahverkehr nutzen, zu schaffen, steht der motorisierte Individualverkehr im Fokus der Investitionen. Offensichtlich wird dieser Widerspruch, wenn zwar eine Arbeitsgruppe für ein Radwegekonzept gebildet wird, Investitionen aber nicht vorgesehen sind. Wir erinnern daran, dass unsere Stadtplaner bereits im Jahr 1995 ein schlüssiges Radwegekonzept vorgelegt haben. Zu einer funktionierenden Infrastruktur für radelnde Menschen aus Tuttlingen wie auch Radtouristen gehören auch die immer noch unzureichend bemessenen Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.

Tuttlingen hat täglich rund 10.000 Einpendler, die zu uns zum Arbeiten kommen und 3000 Auspendler. Wenn auch nur ein Teil dieser Menschen nicht mit dem Auto, sondern mit dem ÖPNV nach Tuttlingen und aus Tuttlingen heraus kommen soll, müssen wir unser Nahverkehrskonzept weiter entwickeln. Wir glauben, dass das umsteigefreie Erreichen der Innenstadt durch ein modernes Stadtbahnkonzept auf der Donautalschiene uns hierbei weiterbringen kann. Auch der innerstädtische Busverkehr in die Stadteile muss in Absprache mit dem Landkreis weiter optimiert werden, denn: Tuttlingen wird auch älter. Immer mehr Menschen geben ihren Führerschein alters- und krankheitshalber ab oder können sich einen PKW schlicht nicht leisten.
Wir sagen dies nicht nur aus ideellen, sondern auch aus ganz banal ökonomischen Gründen: Für jedes Auto müssen asphaltierte Straßenkilometer sowie Parkmöglichkeiten bereitgestellt und unterhalten werden. Emissionen führen zu Folgeschäden. Das verursacht immense gesellschaftliche Kosten.

Auch Fußgängern muss es in Tuttlingen leichter gemacht werden durch entsprechende fußgängerfreundliche Ampelschaltungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen z. B. in der Weimarstraße und Bahnhofstraße sowie durch weitere verkehrsberuhigte Zonen in der Innenstadt. Auch der Umbau der Wilhelmstraße ist ins Stocken geraten, bei der Karlstraße waren wir noch immer auf eine schlüssige Planung.

Der Einstieg in ein neues Mobilitätszeitalter wird von der Stadtverwaltung nach unserer Auffassung weder begriffen noch angestrebt. Ob bei dem von Herrn Kamm versprochenen „Integrierten Verkehrsentwicklungskonzept“ etwas herauskommt, wissen wir nicht. Die derzeitigen Straßenbau-Investitionen jedenfalls weisen in die falsche Richtung.

Ein weiterer Investitionsbereich, mit dem wir als LBU-Fraktion nicht zufrieden sein können, sind die Investitionen für die vier Tuttlinger Sanierungsgebiete. Lediglich 650.000 € sind – trotz erheblicher Landeszuschüsse - für die westliche und südliche Innenstadt sowie die Obere Vorstadt und die Schmelze im Vermögenshaushalt eingestellt. Im letzten Jahr waren es noch 1,2 Mio. €. Bei Investitionen von insgesamt 12,6 Mio. € stimmen hier die Relationen nicht mehr.
Wir meinen, dies ist zu wenig für eine Stadt, die die Innenentwicklung im Blick haben sollte. Für das Wohnen und Leben in der Tuttlinger Innenstadt ist mit diesen Beträgen keine Aufbruchstimmung zu erzielen, die wir dringend brauchen. Es geht nicht darum, die Stadt schlecht zu reden, wir sollten jedoch objektive Defizite in der Innenstadt zum Kern unserer Stadtentwicklungspolitik machen. Viele ältere Menschen, die jetzt vielleicht noch in innenstadtfernen Teilen Tuttlingens wohnen, werden bei entsprechendem Angebot und Attraktivität die Infrastruktur der Innenstadt bevorzugen. Die Häuserzeile an der Donau in Wöhrden steht für gelungene Innenstadtsanierung und qualitativ hochwertiges Wohnen. Wagen wir doch solche Schritte und Sprünge auch in anderen Quartieren unserer Stadt, die jetzt noch grau und trist, eben sanierungsbedürftig sind, wie große Teile der westlichen Innenstadt.

Wir halten es für die verkehrte Zielsetzung, die Außenentwicklung durch das neue Wohngebiet in der Nordstadt zu priorisieren. Konnten wir uns mit dem ersten Bauabschnitt ohne die neue Rußbergstaße noch arrangieren, sehen wir durch den Flächennutzungsplan, der entgegen unserem Antrag nicht auf den 1. Bauabschnitt begrenzt wurde, die Gefahr, dass auch die Flächen jenseits der Rußbergstraße rasch bebaut werden sollen, wir vermuten eher mit Gewerbe-, als mit Wohnbebauung. Bei einer schrumpfenden Bevölkerung – die Kernstadt hat im vergangen Jahr um 336 Einwohner, also über 1% abgenommen – ist die neue Nordstadt in dieser Dimension nicht die richtige Antwort auf die stadtentwicklungspolitischen Herausforderungen Tuttlingens. Auch im Verwaltungshaushalt werden uns die neu zu schaffenden Verkehrs- und Pflegeflächen, die alle unterhalten werden müssen, einholen.

Die Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen, die bei diesem immensen Eingriff in ein Wasserschutzgebiet, Naherholungsgebiet und die dortige Landwirtschaft nötig werden, wird nicht konsequent abgearbeitet. So sollen Streuobstwiesen auf Flächen angelegt werden, die später selbst laut Flächennutzungsplan zum Baugebiet werden sollen und für die zu schaffenden Lerchenfenster sind keine Verträge mit den Landwirten abgeschlossen worden.

Meine Damen und Herren der Verwaltung und des Gemeinderats, es fällt uns nicht leicht, aber weil wir für die Innenstadtentwicklung und für eine ökologisch ausgerichtete Mobilität stehen, dazu in diesem Haushaltsplan aber viel zu wenig finden, lehnen wir das vorgelegte Planwerk für 2011 ab. Wir hoffen künftig auf andere Haushaltpläne mit anderen Akzentsetzungen, die dann - wie in den vergangen Jahren - unsere Zustimmung finden.