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Hilfsaktion in Zusammenarbeit mit der „Schwäbischen Zeitung“ – Ein Feuerwehrauto für den Irak


Ein Feuerwehrauto aus Nendingen tut jetzt im Irak seinen Dienst. Feuerwehrkommandant Klaus Vorwalder war bei der Übergabe dabei – und lernte Verhältnisse kennen, die für uns unvorstellbar sind.

Wenn's um Brandschutz geht, macht Klaus Vorwalder so schnell keiner was vor. Der Feuerwehrkommandant weiß alles über Rettungswege und Gefahrgüter, kennt die Tücken von Brandlasten und ist Experte für die Versorgung mit Löschwasser. Und dann das: Offene Stromkabel, die von Zelt zu Zelt verlaufen. Planen, die zum Schutz gegen die Witterung mit Petroleum getränkt sind. Und überall offenes Feuer, auf denen Essen gekocht wird. Noch beim Erzählen Wochen später ringt Vorwalder sichtlich um Fassung. „Man kann es sich nicht vorstellen – aber die Leute haben keine andere Möglichkeit.“ Denn wer in den Lagern im Norden des Irak lebt, tut dies nicht freiwillig. Es sind Geflüchtete, vor allem Jesiden, die den Taliban entkommen sind, und die nun ohne jede staatliche Unterstützung auf eine ungewisse Zukunft warten.

Auf dem Bild sieht man das Lager im Norden des Irak.

Errichtet wurden die Lager als Provisorien für ein paar Wochen oder Monate, mittlerweile stehen sie schon Jahre, ein Ende ist nicht abzusehen. Und im Sommer 2021 passierte im Camp Sharia auch das, was nicht nur Brandschutzexperten wie Klaus Vorwalder schon lange befürchteten: Ein Großfeuer vernichtete innerhalb kürzester Zeit die letzte Habe von 365 Familien. Wie durch ein Wunder kam niemand ums Leben. „Das Feuer war tagsüber. Nicht auszudenken, was nachts passiert wäre“, so der Kommandant.

Auf dem Bild sieht man das qualemnde Lager.

Eng und gefährlich: In den Lagern können sich Brände schnell ausbreiten – wie im Sommer 2021.

Die Bilder vom Brand in Camp Sharia gaben aber auch Anstoß zu einem Hilfstransport, der Klaus Vorwalder jetzt in den Nordirak führte: Im Rahmen ihrer Spendenaktion „Helfen bringt Freude“ setzt sich die „Schwäbische Zeitung“ schon seit Jahren das Ziel, die Lage in den Flüchtlingscamps zu verbessern. Nach der Katastrophe von Camp Sharia rückte hier nun auch der Brandschutz in den Fokus.

Koordiniert wird das Hilfsprogramm von Ludger Möllers. Der langjährige Reaktionsleiter des „Gränzboten“ kennt sich in Tuttlingen bestens aus - und fragte direkt bei Klaus Vorwalder nach, ob nicht zufällig demnächst ein Löschfahrzeug ausgemustert würde. „Ich fand das gleich eine charmante Idee“, so Vorwalder, zumal gerade in Nendingen eine Neuanschaffung anstand und ein 30 Jahre altes Fahrzeug ersetzt wurde (siehe Kasten). „Als Feuerwehrler freut man sich immer, wenn ältere Fahrzeuge weiter im ursprünglichen Sinne eingesetzt und nicht zum Campingmobil umgebaut werden.“

Auf so eine Idee käme im Irak vermutlich niemand. „In einem Land wie dem Irak ist so ein Fahrzeug eine Rarität“, so Vorwalder. Im Oktober wurde es per Tieflader in den Nahen Osten transportiert, die begleitende Delegation reiste mit dem Flugzeug hinterher – und landete in einer Welt, in der nicht nur das Löschwesen wenig mit dem gemein hat, was man aus Deutschland gewohnt ist.

Stationiert ist das ehemalige Nendinger Fahrzeug jetzt in Dohuk, der Provinzstadt der Autonomen Region Kurdistan. In der Umgebung von Dohuk befinden sich rund 30 Flüchtlingscamps mit je rund 7000 Einwohnern, die Stadt selber hat rund 500 000 Einwohner – und exakt 20 Feuerwehrmänner mit zwei Fahrzeugen. Klaus Vorwalder rechnet vor: „Bei uns gäbe es in einer Stadt dieser Größe eine Berufsfeuerwehr mit mehreren Wachen – Brandbekämpfung, wie wir sie kennen, gibt es dort nicht.

Auf dem Bild sieht man die Feuerwehrkollegen bei der Einweisung.

Erste Einweisung: Klaus Vorwalder und seine irakischen Kollegen.

Auch die Situation in den Lagern ist für Mitteleuropäer kaum vorstellbar. „In einem 15 Quadratmeter großen Zelt wohnt eine zehnköpfige Familie – und auf diesem Raum wird gekocht, gegessen, geschlafen, das ganze Leben spielt sich da ab.“ Was Vorwalder aber am meisten beeindruckte: „Die Leute gehen auf engstem Raum  unwahrscheinlich respektvoll miteinander um – wenn man bedenkt, über was wir uns immer streiten. So ein Besuch erdet einen.“

Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Klaus Vorwalder in den Irak flog. Im Frühjahr wird er wieder nach Dohuk reisen, dann steht noch eine vertiefte Einweisung in das Fahrzeug an. Den Draht zu den dortigen Kameraden hat er übrigens sofort gefunden – allen Sprachbarrieren zu Trotz. „Feuerwehrleute sind auf der ganzen Welt gleich – die Begeisterung dem Nächsten zu helfen verbindet.“

30 Jahre in Nendingen im Einsatz

30 Jahre hatte des Löschfahrzeug LF 8-6 auf dem Buckel, und dass es ausgemustert wurde, lag nicht nur an seinem Alter: Da die Abteilung Nendingen mittlerweile auch große Teile der Nordstadt mitbetreut, passte das Fahrzeug nicht mehr zum Anforderungsprofil, das Nachfolgemodell, ein Hilfeleistungsfahrzeug vom Typ HLF 10 fällt entsprechend größer aus.

Da das Fahrzeug auf Mercedes-Benz-Basis gut gepflegt war, hätte es auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt noch verkauft werden können. Der Gemeinderat beschloss allerdings, die Hälfte des Schätzwertes von 10 000 Euro zu spenden, der restliche Betrag wurde über die Hilfsaktion der Schwäbischen Zeitung aufgebracht.

In Tuttlingen übergab OB Michael Beck das Fahrzeug in Tuttlingen feierlich an Ali Tatar, den Gouverneur der Autonomen Region Kurdistan, danach wurde es in den Irak transportiert.

Auf dem Bild sieht man die Feuerwehr mit der Delegation und dem Löschfahrzeug im Hintergrund.

Am neuen Einsatzort: Das Fahrzeug aus Nendingen gehört jetzt der Feuerwehr in Dohuk.