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E-Bürgerservice bietet fast 200 Verfahren – Digitalisierung: Tuttlingen auf Platz vier


Fast 200 Anliegen können in Tuttlingen jetzt komplett oder weitgehend online erledigt werden. Mit dieser Quote kommt Tuttlingen in Sachen Digitalisierung landesweit auf Platz vier. Die Pandemie beschleunigte dabei den Prozess.

Eine An- oder Ummeldung? Ein Antrag auf Gaststättenerlaubnis oder Wohnberechtigungsschein? Eine Änderung bei der Hundesteuer? Noch vor wenigen Jahren musste man für all das persönlich auf dem Rathaus erscheinen: Mal war eine Unterschrift nötig, mal musste ein Originaldokument vorgelegt werden. „Die öffentlichen Verwaltungen waren hier lange etwas hinterher“, so Carla Warnick von der Abteilung Organisation und Digitalisierung, „aber das hatte auch gute Gründe. Die Rechtssicherheit bei einer Behörde ist eben doch etwas Anderes als bei einem Onlineshop.“

Für OB Michael Beck war es daher wichtig, die Möglichkeiten so gut wie möglich auszuschöpfen: „Was digital möglich ist, wollen wir auch anbieten“, erklärte er vor einem Jahr. Mittlerweile gehört Tuttlingen bei der Digitalisierung zu den führenden Kommunen in Baden-Württemberg: 50 Verfahren sind komplett digital möglich, weitere 140 zumindest in weiten Teilen – das reicht für einen stolzen vierten Platz im landesweiten Ranking. Dass Kolleginnen vom Tuttlinger Rathaus in einer landesweiten Taskforce zur Entwicklung neuer digitaler Angebote mitarbeiten, hat sicher auch dazu beigetragen. Und auch parallel zum E-Bürgerservice auf tuttlingen.de setzt Tuttlingen immer mehr auf digitale Lösung wie das Bürgerleitsystem oder Kugelpanoramen zur Stadtvermessung.

„Viele Bürgerinnen und Bürger nutzen die Online-Angebot an Wochenenden oder abends – also dann, wenn man Zeit hat, das Rathaus aber geschlossen ist“, berichtet Julia Braun. Extrem erleichtert hat das Verfahren dabei die Tatsache, dass der neue digitale Ausweis auch als elektronische Unterschrift eingesetzt werden kann (siehe Kasten). „Die Tatsache, dass es über Jahre keinen rechtssicheren Ersatz für die Unterschrift auf Papier gab, hat das Ganze erheblich verzögert“, so Julia Braun, „jetzt sind wir hier deutlich weiter.“ Auch bei der Zahlung hat sich etwas getan – unter anderem können nun Geburtsurkunden oder Knöllchen online bezahlt werden.

Rechtssichere Identifizierung: Handy, Ausweis und App ersetzen die Unterschrift auf Papier.

Rechtssichere Identifizierung: Handy, Ausweis und App ersetzen die Unterschrift auf Papier.

Ein weiterer Aspekt: Die Pandemie. Sie machte nochmals deutlich, wie wichtig es ist, auch bei Behörden mehr digitale Lösungen anzubieten. „Gerade in Zeiten, in denen auch die Rathäuser geschlossen waren, war man über alles froh, was man schon digital machen konnte“, so Bianca Reitze aus dem Digitalisierungsteam. Und im Gegensatz zu Regelungen wie Besuchskontrollen oder Zugangsbeschränkungen werden die digitalen Angebote die Pandemie überdauern: „Für eine Meldebescheinigung musste man früher aufs Rathaus kommen“, so Carla Warnick, „jetzt geht es in drei Minuten.“ Das gleiche gilt für die Online-Termine-Vereinbarung, die die Stadt gemeinsam mit der Agentur Hitcom zu Pandemie-Zeiten selbst entwickelt hat und die auch in Nach-Corona-Zeiten Wartezeiten erspart. „Das war ein Paradebeispiel, wie die Pandemie die Entwicklung beschleunigt hat“, so Julia Braun.

Das Online-Zugangsgesetz (OZG) kennt 575 Leistungen, die auf Bundes-, Länder und kommunaler Ebene zu digitalisieren sind. Davon sind rund 240 digitale Verfahren für die Stadt Tuttlingen relevant. Noch nicht alle sind digital verfügbar, Tuttlingen will sie aber so schnell wie möglich einführen. Dass nicht alle Angebote gleichermaßen nachgefragt werden, liegt dabei in der Natur der Dinge. Ein Beispiel fällt Julia Braun spontan ein: „Unser Online-Formular zum Melden eines Bombenfundes hat noch keiner benutzt.“

Ausweis, App und Servicekonto – was man braucht:

Wer die digitalen Angebote komplett nutzen möchte, braucht drei Dinge:

  • Unter tuttlingen.de kann man sich ein Service-Konto anlegen. Dort werden – wie bei einem Kundenkonto – wichtige Daten hinterlegt und können bei allen Prozessen verwendet werden.
  • Der Personalausweis muss mit dem Speicherchip ausgestattet sein. Seit August 2021 ist dies verbindlich, davor war es freiwillig, ohne Chip aber kann der Ausweis nicht als digitale Unterschrift verwendet werden.
  • Um den Ausweis einzulesen, braucht man außerdem ein Smartphone und die App „AusweisApp-2“. Mit dieser können die Daten aus dem Ausweischip sicher übertragen und zur Identifizierung verwendet werden.

Kugelpanoramen: Vermessung vom Bildschirm aus

Der Zollstock hat bei den Tuttlinger Stadtplanern ausgedient – zumindest in den meisten Fällen. Seit Sommer letzten Jahres ist fast der gesamte öffentliche Raum mit Kugelpanoramen fotografisch erfasst. Hinterlegt sind dabei exakte Geodaten, so dass man in den Aufnahmen auch genaue Messungen vornehmen kann. Wenn für Planungsarbeiten also zum Beispiel der genaue Abstand zwischen zwei Bäumen benötigt wird, kann dieser am Bildschirm abgelesen werden. Das spart Zeit und Kosten. Davon profitieren zahlreiche Abteilungen innerhalb der Stadtverwaltung. Allerdings greift auch hier der Datenschutz: Öffentlich zugänglich sind die Aufnahmen daher nicht. Wer Zugriff bekommt, wird im Einzelfall entschieden.

Vermessung vom Schreibtisch aus: Alle Geodaten lassen sich digital abrufen.

Vermessung vom Schreibtisch aus: Alle Geodaten lassen sich digital abrufen.

Bürgerleitsystem: Registrieren statt warten

Demnächst in Betrieb geht ein neues Bürgerleitsystem, das unter anderem für kürzere Wartezeiten im Rathaus sorgen wird. Die Idee dahinter: Verschiedene Anliegen werden automatisch analysiert und zugeteilt. Das Terminal im Rathausfoyer fragt unter anderem ab, was man auf dem Rathaus erledigen will, sortiert dann entsprechend, ordnet den richtigen Sachbearbeiter zu, sucht freie Zeitfenster und vergibt dann passende Wartenummern. Wer also zum Beispiel nur einen fertigen Ausweis abholen möchte, bekommt auch auf die Schnelle einen Termin dazwischen.

Parallel dazu gibt es auch weiterhin die Online-Terminvergabe. Hier kann man sich bereits von zu Haus aus einen passenden Termin geben lassen – und bekommt auch gleich mitgeteilt, welche Unterlagen man dazu mitbringen sollte.

Kümmern sich um Digitalisierung: Bianca Reitze, Julia Braun und Carla Warnick testen das neue Bürgerleitsystem.

Kümmern sich um Digitalisierung: Bianca Reitze, Julia Braun und Carla Warnick testen das neue Bürgerleitsystem.