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Besuch von Gemeinderat und EBM Buschle bei ZF Friedrichshafen


Gemeinsam informierten sich Tuttlinger Gemeinderäte und Erster Bürgermeister Emil Buschle im Beisein von Marina Jung, Bürgermeisterin in Neuhausen, sowie Heike Reitze, Geschäftsführer des Take-Off-Gewerbeparks, und Baudezernenet Florian Steinbrenner bei ZF Friedrichshafen über die Möglichkeiten des autonomen Fahrens. Ziel dieser Fahrt war, sich die Idee des in Entwicklung befindlichen ZF-Systems und mögliche Potentiale für ein Pilotprojekt in Tuttlingen vorstellen zu lassen.

Bild eine Testbusses

Aus Tuttlinger Sicht galt es, generell darüber nachzudenken, ob dieses System zu einer attraktiven ÖPNV-Verbindung für die Industriestandorte Take-Off-Park Neuhausen und Donautec und / oder Ludwigstal ausgebaut werden kann. Vorteil dieses autonom fahrenden Systems wäre neben seiner Umweltfreundlichkeit durch reinen Elektroantrieb auch der flexiblere Einsatz, der sich aus dem Wegfall eines Fahrers ergibt. Aus Kundensicht hätte der Betreiber die Möglichkeit, flexibler auf Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Sowohl der Betrieb als klassischer Linienbetrieb als auch das Prinzip des Rufbusses inklusive von Tageszeit und Wochentag abhängigen Mischformen wären dann ohne großen personellen Aufwand möglich. Damit könnte der ÖPNV auch in einem ländlichen Umfeld flexibler und attraktiver werden.

EBM Buschle stellte nochmals die besonderen Tuttlinger Verhältnisse dar: Die aktuelle Situation zeige überfüllte Busse im Schüler- und Berufsverkehr und weitestgehend Leerfahrten tagsüber. Solche neuen Überlegungen müssten unbedingt Platz finden und Bestandteil werden in einem neuen Mobilitätskonzept, waren sich die Teilnehmer*innen einig.

Man könnte diesen Modellversuch gar auf den Landkreis ausweiten: Die Projektverantwortlichen bei ZF, Sven Schawaller und Tim Johannes, stellten die Eckpunkte für einen Modellversuch dar. EBM Buschle und Dezernent Steinbrenner wollen sowohl im Gemeinderat und auch in der Kreisbürgermeisterrunde für einen solchen Ansatz werben. In der der Zwischenzeit werde man die Teststrecken ermitteln und die Fördermöglichkeiten mit Land und Bund ausloten. Auch wolle man das Projekt, das gegenwärtig in Bodman-Ludwigshafen an den Start gehe beobachten, so Buschle.

Das autonome Fahren aus dem Hause ZF basiert auf zwei Vorgaben: Zero Emission und Zero Accident. Zum Erreichen der Null-Emission nutzt das System ausschließlich einen batteriegestützten Elektroantrieb. Dies sichert im laufenden Betrieb CO2-Neutralität, vorausgesetzt, der Ladestrom ist klimaneutral. Die zweite Vorgabe implementiert das System als einen defensiven Verkehrsteilnehmer, dass bedeutet die Algorithmen setzen auf eine konsequente Unfallvermeidungsstrategie. Damit wären diese Fahrzeuge in der Lage, auch im sogenannten Mischverkehr einsetzbar zu sein. Mischverkehr bedeutet, dass sich die Fahrzeuge im normalen Straßenverkehr mit unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern zu Recht finden können und selbst mit der Unberechenbarkeit der menschlichen Teilnehmer*innen zu Recht kommen.

Äußerlich ähnelt das von ZF entwickelte Fahrzeug aktuell einem batteriebetriebenen Kleinbus, wobei Vorder-und Rückseite nicht erkennbar ist. Ausgestattet ist dieses mit einer hochentwickelten Sensortechnik, die umfassend sämtliche Vorgänge um das Fahrzeug erfassen und erkennen muss. Ziel dieses Systems aus Sensoren ist die vollständige Erfassung der Umgebung, unterteilt in die Kategorien andere Fahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger. Während dabei Fahrzeuge in ihrem Verhalten noch berechenbar sind, werden Radfahrer und besonders Fußgänger als besonders unberechenbar eingestuft, unterliegt deren Verkehrsverhalten nicht dem strengen Reglement der anderen Fahrzeuge. Ein weiteres Differenzierungskriterium ist der ruhende und fließende Verkehr, wobei hier eine weitere Aufgabe für die KI darin besteht, Situationen in denen aus ruhendem Verkehr fließender Verkehr entsteht, sofort zu erkennen. Klassiker dieser Situation sind zum Beispiel ausparkende Autos oder plötzlich auf die Straße tretende Fußgänger. Um diesem nicht berechenbaren menschlichen Verhalten gerecht zu werden, geht der zugrundeliegende Algorithmus konsequent von dem Umstand aus, dass der Klügere nachzugeben habe, sprich das autonom fahrende Fahrzeug. Um diese Aufgabe zu erfüllen, sind Kameras, Radar- und LiDAR-Sensoren intelligent verknüpft, um selbst bei ungünstigen Witterungsverhältnissen die vollständige Funktionsfähigkeit der Umgebungswahrnehmung sicher zu stellen. Mikrofone ergänzen das System, um auch Außengeräusche wahrzunehmen und dem System zur Verfügung zu stellen.

Neben den Fahrzeugen besteht die ZF-Lösung zusätzlich aus einer Umgebungsperipherie für die Fahrzeuge. Eine Komponente ist das Flottenmanagement (TOMS) mit angeschlossenen Überwachungskameras an den Haltestellen zur Steuerung des Gesamtsystems aller Fahrzeuge. Ein weiteres zentrales Element sind die Betriebs- und Wartungseinrichtungen mit Werkstatt und Kontrollraum, vergleichbar den heutigen Busdepots. In der Regel befinden sich dort auch die Ladestationen. Mit Hilfe versenkter Magnete in der Fahrbahn wird die kontinuierliche Lokalisierung der Fahrzeuge sichergestellt. Laut ZF dient diese Technologie zur Erhöhung der Sicherheit, selbst wenn die Nutzung von GPS möglich wäre, aber Ausfälle nicht ausgeschlossen werden könnten. Um für alle Benutzer das System offen zu halten, sind an den Haltestellen sogenannte Informationsterminals vorgesehen. Diese dienen zusätzlich auch für Personen, denen entweder temporär oder generell kein Smartphone oder vergleichbares zur Verfügung steht.

Aus Sicht der Betreiber des ÖPNV ist neben der ökologischen Komponente die eigentliche Innovation das autonome Fahren. Wirtschaftlich bedeutet Autonomes Fahren die Möglichkeit zur Reduktion der Personalaufwände durch Einsparung von Fahrern. Abgesehen von der Tatsache, dass sich auch hier ein Fachkräftemangel abzeichnet und so personelle Engpässe vermieden werden können, erlaubt diese Innovation ein Neudenken des ÖPNV im ländlichen Raum. Statt mit möglichst wenigen Fahrzeugen zu bestimmten Zeiten möglichst viele Menschen auf einmal zu transportieren, verändert autonomes Fahren die wirtschaftliche Situation im ÖPNV. Die Bereitstellung von Personal vereinfacht sich, theoretisch ist ein 7-Tage-24-Stundenbetrieb möglich. Durch die Nutzung kleinerer, im Linienbetrieb aber mit einer kürzeren Taktung fahrenden Einheiten wird Kundenfreundlichkeit leichter finanzierbar. Ob dann das System in den Kernzeiten entsprechend dem Linienbus-Prinzip betrieben wird und in den Randzeiten als Rufbus-System organisatorisch ist, ist nicht mehr eine Frage der Verfügbarkeit von Fahrpersonal. Selbst die flexible Implementierung eines 24-Stunden-Rufbus-System wäre vorstellbar.

Aus Kundensicht führt dies zu einer gesteigerten Akzeptanz des öffentlichen Nahverkehrs. Der Nutzer kann wesentlich freier und flexibler entscheiden, wann er ein Transportmittel nutzen will. Ob dann mit einer festen Taktung, wie sie durch Fahrpläne vorgegeben ist, oder einer bedarfsorientierten Verfügbarkeit durch ein Rufbus-System (unter Umständen mit kurzen Vorlaufzeiten), müsste Gegenstand der Erprobung im Echtzeitbetrieb sein. Damit könnte Bedarfsgerechtigkeit in Verbindung mit Klima- und Umweltschutz hergestellt werden.

ein Gruppenbild der Teilnehmer vor einem Bus

 EBM Buschle und Bürgermeisterin Marina Jung, Neuhausen mit der Teilnehmergruppe