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Offener Brief
"Wir steuern sehenden Auges auf die Katastrophe zu"


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

die Corona-Lage im Kreis Tuttlingen ist dramatischer als wir es uns bislang vorstellen konnten. Die Fallzahlen explodieren, wir verzeichnen so viele Neuinfektionen wie nie zuvor, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis unser Klinikum Patienten abweisen muss. Seit Tagen füllen sich sowohl die Normal- als auch die Intensivstation. Und dabei fallen zwei Dinge auf: Es sind immer mehr jüngere Menschen, die behandelt werden müssen. Und die meisten von ihnen sind ungeimpft.

Die Belastung für die Pflegekräfte, für die medizinischen Angestellten, für die Ärztinnen und Ärzte wird von Tag zu Tag schlimmer. Und sie ist schon jetzt kaum mehr erträglich. Auch die Arztpraxen stoßen an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Wir steuern also sehenden Auges auf die Katastrophe zu. Und wir müssen es leider so deutlich sagen: Wenn es uns nicht gelingt, diese Entwicklung zu stoppen, werden wir in schwierige Grenzsituationen kommen. Was passiert dann mit Menschen, die zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder einem Autounfall nicht angemessen versorgt werden können, weil alle Betten belegt und alle Ärzte ausgelastet sind?

Leider gehört der Landkreis Tuttlingen auch zu den Landkreisen, in denen die Impfquote unter dem ohnehin schon geringen Bundesdurchschnitt liegt. Und leider erkennt man auch bei uns, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Impfquote und der Auslastung unseres Klinikums gibt. Die nötigen Auffrischungsimpfungen haben erst begonnen und bei älteren Menschen, die frühzeitig geimpft wurden, lässt der immunisierende Schutz nach.

Wir alle wissen: Natürlich können sich auch Geimpfte infizieren. Natürlich können auch Geimpfte schwer erkranken. Natürlich können auch Geimpfte das Virus weitertragen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist eben um ein Vielfaches geringer. Die Situation an unserem Klinikum zeigt, dass viele Personen mit schweren Verläufen ungeimpft sind. Wollen wir vor diesem Hintergrund weiterhin auf unser Recht beharren, ungeimpft zu bleiben, obwohl wir dadurch nicht nur uns, sondern auch andere stärker gefährden als nötig?

Wenn wir die verheerende Entwicklung nachhaltig stoppen wollen, gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen die Zahl der Impfungen deutlich steigern. Die entsprechenden Angebote bauen wir gerade auf. Neben den Impfungen durch niedergelassene Ärzte werden im Landkreis Tuttlingen demnächst durch mobile Impfteams von montags bis samstags an verschiedenen Orten Impfungen angeboten. Jetzt liegt es an Ihnen: Nutzen Sie diese Möglichkeit und lassen Sie sich impfen. Und falls Sie bereits geimpft sind: Lassen Sie Ihre Impfung auffrischen.

Doch selbst wenn sich in den kommenden Tagen und Wochen Tausende impfen lassen sollten: Das Virus hat sich bereits so stark verbreitet, dass wir alle unser Verhalten überdenken müssen – egal ob geimpft oder ungeimpft. Auch deshalb wenden wir uns heute gemeinsam an Sie und bitten Sie: Beachten Sie die geltenden Hygienekonzepte. Hinterfragen Sie die Notwendigkeit von Zusammenkünften und Ansammlungen größerer Gruppen, bleiben Sie im Zweifel lieber zu Hause. Schützen Sie ältere Menschen, vor allem auch Angehörige durch besondere Vorsicht beim sozialen Umgang und durch Beachtung der bekannten Regeln, auch wenn diese zu Beginn des Jahres geimpft wurden. Denn hier geht es nicht um die rechtliche Frage, was erlaubt ist und was nicht. Sondern vor allem um eine moralische Entscheidung. Wollen wir wirklich bedenkenlos Geselligkeit pflegen und Normalität spielen, während im Klinikum Menschen um das Überleben anderer kämpfen?

Unser Klinikpersonal, die Pflegerinnen und Pfleger, die Ärztinnen und Ärzte, auch in den Praxen, sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes leisten in einer schwierigen Zeit Hervorragendes. Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung als Gesellschaft, dass jeder mit seinem Verhalten seinen eigenen Anteil dazu beiträgt, diese Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Stehen wir zusammen und helfen wir uns gegenseitig!

An open letter to whom it may concern

“We are heading for disaster – get your vaccination now!”

Due to the dramatic development caused by Covid 19 the following personalities closely connected with the county and city of Tuttlingen as well as two medical experts who work with the virus every day have written this letter to the people living in and around Tuttlingen because they feel responsible for them.

Michael Beck, Lord Mayor of Tuttlingen
Stefan Bär, District Administrator
Rudolf Wuhrer, Chairman of the district association
Dr. Sebastian Freytag, CEO Clinic Management in Tuttlingen
Dr. med. Matthias Szabo, Representative of the pandemic administration for the district of Tuttlingen

My dear fellow citizens,

The present situation caused by Covid 19 in our district has developed more serious than ever expected. The pure numbers of people affected by the virus are exploding. And there is no end of this development in sight. It is only a question of time before we cannot accept further patients in our hospitals. Besides there are two facts that make us alarmed: The people affected by the virus are becoming younger and the majority of them are not vaccinated. There is another serious problem: The simple work load of the medical personal as well as of the doctors involved is steadily growing and cannot be handled anymore. The same holds true for the surgeries in our area. In other words: we are approaching a situation which is getting out of control. What will happen if somebody who suffered a stroke or was involved in an accident cannot find an empty bed or a doctor who can take proper care of him. We are sorry to write that the people living in our country are even less vaccinated than the number of people living in the federal republic of Germany. We are sorry to say that there is a correlation between the number of people who are vaccinated and the number of beds in our clinic that are available. Of course we know that people who are vaccinated can be infected and get seriously ill. And they can carry on the virus, however, the probability is far less. The point is that the situation in our hospitals is characterized by the fact that people who suffer most from the infection have not been vaccinated. Therefore the question comes up for those who are not vaccinated: Wouldn’t it be better to get vaccinated than running the risk of endangering not only yourself but others? If we want to get out of this devastating and fateful situation we will have to get the majority of people to be vaccinated. This is the only solution to get out of this terrible situation. We do everything in our power to provide you with the necessary possibilities to be vaccinated. Please go for it! However the virus is still among us. We have to live according to the rules: Wear a facemask and keep distance to others! It is not a legal but a moral question: Is it really necessary to live as if the virus didn’t exist while doctors and medical personal is fighting for the lives of their patients?

Appelle von Politik und Ärzten im Landkreis Tuttlingen (18. November)

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