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Junge Ärzte haben andere Ansprüche – Tuttlingen passt Förderprogramm an


Das städtische Förderprogramm für Ärzte wird angepasst. Damit reagiert Tuttlingen auf den ungebrochenen Bedarf an niedergelassenen Ärzten – und auf die Ergebnisse zweier Studien, die sich speziell mit Tuttlingen befassen.

Maria-Tiziana Ferrante, Erster Bürgermeister Emil Buschle und Sophia Liebermann
Haben die medizinische Versorgung Tuttlingens im Blick: Maria Tiziana Ferrante, Erster Bürgermeister Emil Buschle und Sophia Liebermann.
 
Seit 2013 gibt es das Projekt DonauDoc. Gemeinsam mit einer Gruppe niedergelassener Ärzte sowie dem Landkreis engagiert sich die Stadt hier, um Ärzte dazu zu bewegen, sich in der Stadt Tuttlingen, ob Klinik oder Praxis, anzusiedeln oder hier ihre Weiterbildung zum Facharzt fortzuführen. Mithilfe organisatorischer und finanzieller Unterstützung vonseiten der Geschäftsstelle DonauDoc, ist dies, neben der erzielten landkreisweiten Erfolge, in über 20 Fällen bereits gelungen – der Bedarf ist aber ungebrochen: „Die ärztliche Versorgung bleibt ein ebenso zentrales wie anspruchsvolles Thema“, sagt Erster Bürgermeister Emil Buschle.
 
Mehrere aktuelle Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit: So arbeiten derzeit 68,5 Prozent der Tuttlinger Ärzte in Einzelpraxen, rund 50 Prozent sind 50 Jahre und älter – Nachfolgeprobleme sind also vorprogrammiert. Ein weiterer Aspekt: 70 Prozent des medizinischen Nachwuchses sind weiblich. Und vor allem Frauen streben seltener die Übernahme einer Einzelpraxis an. Die kritischen Folgen kann man schon jetzt absehen: Bereits jetzt hat der Landkreis Tuttlingen laut der aktuellen Bedarfsplanung der Kassenärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg 22,5 Allgemeinarztsitze weniger als der Landkreis der Größe nach für eine Vollversorgung benötigen würde.
 
Diese und andere Fakten wurden – ergänzt durch bekannte Studien – von Maria-Tiziana Ferrante sowie Sophia Liebermann ermittelt. Beide arbeiten in der städtischen Wirtschaftsförderung, bilden sich akademisch weiter und haben anstehende Hochschularbeiten genutzt, um offene Fragen zur medizinischen Versorgung der Stadt fundiert zu beantworten. In der Sitzung des Gemeinderats am Montag stellte Ferrante die Arbeiten vor.
 
Eine weitere Erkenntnis der beiden Arbeiten: Auch für Ärzte spielen bei der Standortwahl weiche Standortfaktoren eine immer größere Rolle. Besonders oft genannt wurden bei einem Kreativ-Workshop Punkte, die auf den ersten Blick überraschen: Bezahlbarer Wohnraum und ein funktionierender ÖPNV. Hier zeigt sich auch, dass sich das Selbstbild junger Mediziner geändert hat: Das Rollenmodell des in einer Einzelpraxis tätigen Arztes ist weniger gefragt als früher. Eine ausgeglichene Work und Life Balance, flexible Anstellungs- und Arbeitszeitmodelle und das Arbeiten in Ärztekooperationen wie beispielsweise in einer Gemeinschaftspraxis, sind gefragt. Ein weiterer wichtiger Punkt: Gute Weiterbildungsmöglichkeiten und die Vernetzung zwischen Klinik- und Praxisärzten. „Hier haben wir mit DonauDoc schon einiges geschaffen – das bauen wir weiter aus“, so Emil Buschle.
 
Den neuen Erkenntnissen angepasst werden auch die Förderbedingungen der Stadt Tuttlingen. Sie unterstützt bereits jetzt Allgemeinmediziner, die sich neu in der Stadt niederlassen, mit bis zu 14.400 Euro. In den Genuss dieser Förderung, so beschloss der Gemeinderat am Montag, können jetzt neben den Allgemeinärzten auch Ärztinnen und -ärzte anderer Fachrichtungen, bei denen eine Unterversorgung vorliegt, kommen. Das Tuttlinger Förderprogramm wurde auch dahingehend erweitert, dass auch miteinander kooperierende Ärzte gefördert werden können. Außerdem können damit auch weitere Förderprogramme kombiniert werden.