Vorlesen

Vierte Stolpersteinverlegung für Opfer des Nationalsozialismus


Zum vierten Mal kommt der Kölner Künstler Gunter Demnig nach Tuttlingen und verlegt am 2. November Stolpersteine in Tuttlingen. Diese Steine werden für Opfer des Nationalsozialismus im Gehweg vor dem letzten Wohnort verlegt. Dieses Mal sind Steine für zwei ermordete Jenische, für drei Euthanasieopfer und für eine Jüdin und deren Ehemann vorgesehen. Die Legung beginnt um 9 Uhr beim Galeriehof in der Donaustraße mit einem Grußwort von Oberbürgermeister Michael Beck. An der Legung können alle Interessierten teilnehmen.

Bild von Josef Berger
Josef Berger, 1940 getötet im KZ Mauthausen 

Die ersten beiden Steine werden für Josef Berger (1876-1940) und dessen Sohn Franz (1913-1940) verlegt, die im KZ Mauthausen ermordet wurden. Die Familie Berger waren Jenische, die 1938 in Tuttlingen in der Donaustraße 15 an-gesiedelt wurden. Das Wohnhaus wurde inzwischen abge-brochen, um Platz für den Galeriehof zu machen. Der Familienvater, Josef Berger, und sein Sohn Franz Berger wurden verhaftet und am 27. Juni 1938 ins KZ Dachau eingeliefert, und von dort am 27. September 1939 ins KZ Mauthausen überstellt. Da starben beide im Jahr 1940 – Josef Berger 64-jährig, Franz Berger mit 27 Jahren.

Bild von der Todesstiege beim KZ Mauthausen
Todesstiege im KZ Mauthausen (Verbindung zwischen dem Steinbruch und dem Lager) – hier wurden viele Häftlinge von der SS in den Tod gestoßen. Die Nazis nannten die Wand daher „Fallschirmspringerwand“.

Gegen 9.25 Uhr werden dann zwei weitere Steine in der Ambrosius-Blarer-Straße 1 verlegt. Hier lebten der Mechaniker Richard Kramer (1885-1963) und seine jüdische Ehefrau Sybilla (1891-1980). Durch die Ehe mit einem Nichtjuden war Sybilla Kramer zunächst vor einer Deportation nicht aber vor Schikanen geschützt. Im Jahr 1944 spitzte sich die Situation zu. Richard Kramer, der in seinem Betrieb rüstungsrelevante Zubehörteile herstellte, sollte gezwungen werden, seine Frau zu verlassen. Da er sich widersetzte, kam er in das Lager Leimbach bei Halle, seine Frau konnte auf dem Ziegelhof im Donautal versteckt werden und überlebte mit viel Glück.
 
Franziska Handte (1871-1940) erkrankte mit 62 Jahren an einer Nervenkrankheit, die dazu führte, dass sie 1937 in die Heilanstalt Zwiefalten eingeliefert wurde. Von dort wurde sie am 23. August 1940 nach Grafeneck verbracht, wo sie am gleichen Tag ermordet wurde. Sie lebte in der Oberamteistraße 13, wo die Stolpersteinverlegung gegen 9.40 Uhr stattfinden wird.
 
Fast direkt gegenüber in der Oberamteistraße 22 lebte Eugen Menger (1884-1940). Er war Kriegsteilnehmer und wurde in den 1920er Jahren verhaltensauffällig. Die Fürsorge wollte ihn in eine Pflegeeinrichtung einweisen. Seine Schwester widersetzte sich jedoch. Er lebte bis 1931 bei ihr und wurde dann zum Tippelbruder. Über die Arbeiterkolonie in Seyda gelangte er nach Berlin. Dort übernachtete er immer wieder in Männerwohnheimen. 1936 folgte die Einweisung in die Städtische Heil- und Pflegeanstalt Herzberge in Berlin. 1938 wurde er in Landesanstalt Teupitz im Kreis Teltow überführt. Am 27. Juni 1940 wurde er in die Vernichtungsanstalt Brandenburg gebracht und dort getötet. In Brandenburg existierte eine ähnliche Tötungsanstalt wie im württembergischen Grafeneck.
 
Der letzte Stolperstein in diesem Jahr in Tuttlingen wird beim Haus Obere Vorstadt 11 für Regine Katharine Faude (1881-1940) verlegt. Sie wurde 1909 erstmals in Zwiefalten eingeliefert. Als Ursache für die Erkrankung wurde ein gescheiterter Heiratsplan angegeben. Weitere Aufenthalte in Zwiefalten folgten. 1938 wurde sie von dort in die Landesfürsorgeanstalt Markgröningen überstellt. Am 29. August 1940 holten die grauen Busse der SS sie und weitere Insassen ab und brachten sie nach Grafeneck, wo sie noch am gleichen Tag getötet wurde. Die Verlegung des Steines von Katharine Faude wird zwischen etwa 10.15 und 10.45 Uhr stattfinden.