Vorlesen

Künstlerinterview mit Udo Braitsch

Was ist im Video zu sehen?

Im Video ist Künstler Udo Braitsch in den Räumlichkeiten der Galerie zu sehen. Er sitzt und beantwortet verschiedene Fragen. Während er spricht werden Bilder seiner Werke eingeblendet.

Was wird im Video gesagt?

Wie kommen Sie zur Kunst?

Also, ich bin ja als Sohn eines Malermeisters in Tuttlingen hier geboren und da wurde ich mit Farben konfrontiert. Und ich habe in einem Kinderbett geschlafen als kleiner Bub, das mein Vater bemalt hatte mit Märchenfiguren – und das war der erste Eindruck, da war ich wirklich ganz klein. Und im Kindergarten – oder Kinderschule hat man’s damals genannt – da hab’ ich eigentlich also auch immer gemalt und gezeichnet. Und im Gymnasium wurde ich dann tatsächlich mit Kunst bereits schon im Unterricht professionell konfrontiert, und mein Kunstlehrer, der hat mir dann auch Bücher mit nach Hause gegeben, wo ich dann Dürer kopiert habe. Als Volksschüler habe ich aus der Bilderbibel meiner Großmutter von Peter Cornelius die Illustrationen kopiert mit dem Bleistift. Oder mein Großvater war Schriftführer des Ortsviehversicherungsvereins Tuttlingen, und wenn da eine Versteigerung war für Freibankfleisch, dann musste ich den Aushang gestalten mit einer Kuh drauf – und die Tuttlinger Bauern haben dann gesagt: „Gottlob, dein Bub malt eine Kuh wie wenn ‘se lebendig wär’!“. Also, und jedenfalls im Gymnasium reifte dann der Entschluss und der wurde also noch verstärkt, als ich mit Roland Martin bekannt wurde, über meine Klavierlehrerin, die wiederum verwandt war mit dem Hans Bucher aus Fridingen…und so weiter. Und der hatte also ein sehr offenes Atelier für mich und ich konnte da sehr schön arbeiten und er hat mich unterstützt, während meine Mutter entsetzt war. Ich hatte ein wirklich gutes Abitur, 1,7 im Schnitt, ich hab’ den Sonderpreis für bildende Kunst bekommen, ich hab’ den Scheffelpreis bekommen und hab mein Abitur „verschwendet“ für ein Kunststudium – und sie hat zu Gott gebetet, dass es scheitern möge. Und es ist dann auch zunächst gescheitert, ich bin durchgefallen bei der Bewerbung an der Kunstakademie Stuttgart, und danach wollte ich mich wieder in Stuttgart bewerben, meine Mutter hat schon triumphiert, dass das nicht geklappt hat. Und dann haben die gesagt: „Sie haben die Bewerbungsfrist überschritten, wir können Sie nicht mehr annehmen.“. Also, ich – ich war suizidgefährdet, aber ich hab’ also dann nach Karlsruhe telefoniert und die haben gesagt: „Sie sind zwar über der Zeit, aber Sie könnet ruhig kommen, bringen Sie Ihre Sachen.“, und dann haben die mich genommen.

Was ist das Wesentliche in Ihrer Kunst?

Das Thema für meine Examensarbeit an der Akademie war übrigens „Die bewegte Bildform“, und die Bewegung in der Ruhe, das war eigentlich das, was mich interessiert hat – und die Chaostheorie, weil eben im Chaos auch Ordnung herrscht. Aber gleichzeitig will ich eigentlich nichts anderes tun als Poesie, also für mich ist ein Bild gemalte Poesie, nicht eine naturwissenschaftliche Erläuterung oder so etwas, sondern ich will eigentlich etwas im Sinne von Matisse: ein Bild muss sein wie ein bequemer Lehnstuhl, vor dem man dann das sehen kann. Natürlich gibt es dann eine Botschaft…und zwar durch Assoziationen. Stillleben – es gibt ja Vanitas-Stillleben – vermitteln Assoziationen übrigens, ob man will oder nicht will.

Wozu brauchen wir Kunst?

Also, ich möchte mit einer Anekdote antworten: An der Akademie wurde mal vom AStA ein Soziologieprofessor oder -dozent bestellt, der uns wollte belehren darüber, dass Kunst politisch sein muss, um überhaupt eine Existenzberechtigung zu haben. Und nach der Veranstaltung durfte man sich mit dem Mann noch weiter unterhalten in einem Wirtshaus, in der Kronenhalle in Karlsruhe. Ich bin natürlich dort schnurstracks hin, mit einem Kumpel an den Tresen gestanden und dann kam der Professor reingehumpelt, und es war aber sonst niemand da und ich bin dann auf ihn losgegangen – natürlich verbal – und hab gesagt: „So ein Unsinn, was reden Sie denn da für einen Quatsch daher, und das geht doch nicht!“. „Ja, wieso? Was soll Kunst denn sonst für eine gesellschaftliche Bedeutung haben?“, und da hab’ ich gesagt: „Die Kunst hat ihre eigene Bedeutung!“, und dann musste er plötzlich auf den Zug, und dann kam etwas Entscheidendes: am Ende des Tresens hat sich dann ein Mann gelöst und kam auf mich zu und hat gesagt: „Entschuldigen Sie, ich hab’ das alles jetzt mitbekommen, es war ja laut genug, dass man’s überall gehört hat,“, und hat gesagt: „Schauen Sie, ich bin Chemiker. Und ich muss jeden Tag etwas machen, was für die Leute nützlich ist. Und glauben Sie mir, ich würde meinen Beruf nicht aushalten, wenn ich nicht wüsste, dass es Menschen gibt wie Sie, die Dinge machen, die man eigentlich nicht braucht.“. Und das hat sich in mir festgesetzt bis zum heutigen Tag.